Volkswagen
Neuer Name, neue Größe:
VW Golf Sportsvan beerbt Golf Plus
Namen sind Schall und Rauch: VW präsentiert auf der IAA mit dem Golf Sportsvan den Nachfolger des Golf Plus. Der wird nicht
sportlich, wohl aber größer, markanter und moderner als bisher. Bis das neuste Baby aus Wolfsburg tatsächlich anrollt, dauert
es aber noch neun Monate.
Fast zehn Jahre ist es her, dass Volkswagen den
Golf Plus erstmals vorstellte. Ursprünglich als
Ersatz für den Variant gedacht, erfreute das Auto viele Kunden: Hohe Sitzposition und etwas mehr Variabilität durch eine verschiebbare
Rückbank trafen den Nerv vor allem älterer Autokäufer, obwohl - oder gerade weil - das eigentliche Platzangebot kaum besser war als beim
klassischen Golf. Auch das schon konzeptbedingt klar schlechtere Design schadete dem Erfolg nicht, ebensowenig das
halbherzige
Facelift auf die Golf-VI-Optik, bei dem VW im Gegensatz zum normalen Golf weder die Heckpartie noch das Interieur noch die Außenspiegel
aktualisiert hatte.
Zehn Jahre sind eine lange Zeit - höchste Zeit also für den Nachfolger. Der basiert natürlich auf dem Golf VII, mithin auf dem modernen "Modularen
Querbaukasten" des Konzerns, was ihn leichter und in vielen Punkten moderner macht. Die Länge wächst deutlich um 13 Zentimeter auf 4,33 Meter, der Radstand
parallel dazu um knapp elf Zentimeter auf 2,685 Meter. Die Höhe reduziert sich etwas, die Dachreling entfällt - das Auto soll sportlicher wirken,
heißt es doch nun auch Sportsvan.
Das Kofferraumvolumen beträgt zwischen 500 und gut 1.500 Litern (bisher 424-1.450). Die Rücksitzbank lässt sich jetzt um 18 statt bisher
um 16 Zentimeter längs verschieben. Die Lehnen sind weiterhin und wie auch beim Tiguan in der Neigung verstellbar, und wenn umgelegt wird,
entsteht eine nur fast ebene Fläche.
Optisch gehörte der Golf Plus neben der Passat-Limousine zu den biedersten Modellen der Wolfsburger. Den ersten Fotos nach zu
urteilen, wird das auch so bleiben, obwohl die Designer etliches verändert haben. Auffällig ist vor allem die neue, nunmehr
fünfteilige seitliche Fensterlinie. In der C-Säule kommt ein zusätzliches Fenster zum Einsatz, außerdem trägt das Auto ein
merklich vergrößertes Dreiecksfenster vor dem nun stehenden Außenspiegel, was ein bisschen an Ford erinnert und mehr praktisch
als schön ist. Neu ist außerdem, dass der Golf Sportsvan nun ausstattungsabhängig eine Chromeinfassung dieses Fensterbandes
trägt, die es bisher nicht gab und die es leider auch beim Golf VII nicht gibt.
Auf Höhe der Türgriffe ersetzt eine ausgeprägte Sicke, die am vorderen Radhaus unterbrochen ist, die bisherige feine und
durchgehende Blechkante. Scheinwerfer und Rückleuchten sind etwas größer als beim "normalen" Golf. Im Kühlergrill darf
der Sportsvan drei Zierstäbe tragen und vermeidet damit den uns nach wie vor merkwürdig vorkommenden Look der Limousine
mit ihrem tief liegenden Solo-Pendant. Der Tankdeckel ist in Trapezform ausgeführt, was dem Sportsvan wiederum viel
schlechter steht als dem klassischen Fünftürer, wo diese Form an Rückleuchten und Türkante angepasst ist.
Das Interieur entspricht im Grundsatz dem der beiden anderen Karosserievarianten. Wie bisher hat VW aber den Navigationsbildschirm weiter
oben angeordnet, wodurch die Lüftungsdüsen neben und nicht über diesem sitzen. Schade: Wo es bisher insgesamt acht einzeln verstellbare Luftduschen
waren, sind es fortan nur noch vier wie überall. Sie weisen drei verschiedene Formen auf und versprühen so nicht eben die von VW bekannte
gestalterische Ruhe - ebenso wie das überfrachtete, unten abgeflachte Lenkrad.
Technisch wird der Golf Sportsvan natürlich wie die Limousine auf den neusten Stand gebracht, also von den neuen Motoren angetrieben,
serienmäßig variantenübergreifend mit Start-Stopp-System ausgerüstet und entsprechend bis zu 19 Prozent sparsamer sein. Das Spektrum reicht
von 85 bis 150 PS, GTD und GTI sind jedenfalls vorerst nicht geplant. Alle Motoren sollen von Beginn an die EU6-Abgasnorm erfüllen,
was VW bei der Limousine noch nicht schafft. Der 1,6 TDI BlueMotion soll 3,7 Liter im Norm-Mittel verbrauchen, mithin deutlich mehr
als die
entsprechende Version des regulären Golf.
Neu bei den Assistenzsystemen ist die Tote-Winkel-Überwachung "Blind Spot Sensor" mit Ausparkassistent. Letzterer erkennt beim rückwärts
ausparken seitlich hinter dem Wagen herannahende und damit für den Fahrer oftmals nur schwer auszumachende Verkehrsteilnehmer und warnt
auch in diesem Fall. Droht eine Kollision, aktiviert die Elektronik automatisch eine Notbremsfunktion.
Premiere feiert der Golf Sportsvan auf der IAA in dieser Woche. Entgegen üblichen VW-Gepflogenheiten erfolgt die Markteinführung aber nicht
in absehbarer Zeit, sondern erst Mitte 2014.
Verschlimmbesserung: Kommentar zum Namenswechsel
Dass Golf Plus kein besonders gelungener Name ist, steht außer Frage, weil er langweilig und wenig aussagekräftig ist, ein Minus beim
normalen Golf suggerieren kann und nun auch noch vom gewiss nicht glücklich operierenden Toyota-Marketing kopiert wurde. Nicht ohne Grund
lieferte VW den Golf Plus anfangs ohne Plus-Schildchen aus - bis sich die Kunden darüber beschwerten, weil sie das ihrer Meinung nach
gekaufte Plus auch nach außen dokumentieren wollten. Künftig also heißt das Auto Sportsvan, und dass hierbei das VW-Marketing unglücklich
operiert hat, ist offensichtlich.
Ein Auto kann nicht sportlich sein, höchstens sein Fahrer oder seine Fahrerin. Das mag zu eng betrachtet sein, weswegen Sportlichkeit
als Klassifizierung von Autos nicht nur von den Herstellern, sondern auch vom allgemeinen Sprachgebrauch verwendet wird, mutmaßlich:
übernommen wurde. So gesehen ist also ein Porsche Boxster klar sportlicher als ein Opel Corsa - okay. Das unsportlichste Auto-Segment ist
das der Vans - praktische, aber meist völlig emotionsbefreite, schachtelförmige Autos, deren Sportlichkeit sich allerhöchstens darauf
beschränkt, auch größere Sportutensilien transportieren zu können.
Genau so etwas nun mit dem Prädikat Sport zu versehen, erscheint nicht als bewusst gelungener Widerspruch, sondern schlicht als dämlich. Wenn
ein Auto nicht sportlich ist, dann das schon immer imageschwache Rentnerauto Golf Plus, auch wenn es sich als Sportsvan nun etwas tiefer
duckt als bislang oder als ein Touran. Dass VW so einfallslos ist und das "Sport" als Namensbestandteil verwendet, obwohl es doch von der
Mehrheit der Autobauer schon längst in Beschlag genommen wurde und insbesondere von Audis Sportback, von Opels "Sports Tourer" und von Toyotas
"Touring Sports" sowieso schon mehr als strapaziert ist, überrascht - gerade, weil VW sonst nahezu überall recht eingängige Namen verwendet.
Gut, dass ein GTI nicht Golf Sport heißt. (hsr)