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Donnerstag, 28. März 2024
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Mehr Größe, mehr Innovation, mehr Kraft: Fünfte Generation kommt im Herbst

Neue Mercedes S-Klasse: Erste Fakten, erste Bilder

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Mercedes S-Klasse
DaimlerChrysler
Die Mercedes S-Klasse, das darf man wohl sagen, ist unter Berücksichtigung ihrer Historie die beste Großserien-Limousine der Welt. Deswegen ist es immer besonders spannend, wenn die Stuttgarter nach frühestens sieben Jahren die Hüllen des jeweiligen Nachfolgers fallen lassen. Heute ist es wieder soweit – die fünfte Generation rollt an.
Während die Vor-Vorgänger-Baureihe W140 wegen ihrer schieren Größe und deren etwas uncharmanter Verpackung nie auf viel Gegenliebe gestoßen war, fanden dem Vernehmen nach einige Kunden das jetzt auslaufende Modell schon wieder zu leichtfüßig und elegant für ein Oberklasse-Auto.

Die neue Generation versucht also den Mittelweg einzuschlagen - größer und prägnanter, aber nicht zu protzig im Auftreten. Größer bedeutet zunächst ein Längenwachstum um gut drei bzw. vier (Langversion) Zentimeter auf jetzt knapp 5,08 bzw. gut 5,20 Meter, was in Anbetracht der Vergleichswerte bei anderen Herstellern als äußerst moderat gelten darf. Wie schon zuletzt bei anderen Baureihen haben die Stuttgarter dabei auf einen besonders großen Radstand geachtet - er wächst überproportional um sieben bzw. acht Zentimeter (knapp 3,04 bzw. 3,17 Meter). Zudem ist die Karosserie 16 Millimeter breiter und 29 Millimeter höher als bisher.

Vom Größenwachstum profitieren dabei nicht zuletzt die Passagiere. So wachsen die Breitenmaße des Interieurs wie Schulterraum und Ellenbogenbreite um bis zu vier Zentimeter, die Kopffreiheit um einen halben Zentimeter. In den Langversionen gibt es im Fond einen größeren Sitzplatzabstand und mehr Kniefreiheit (jeweils etwa plus einen Zentimeter). Das Ladevolumen des Kofferraums steigt um 60 auf 560 Liter - viel, aber unspektakulär, solange ein VW Passat das Gleiche schafft.

Optische Kennzeichen der neuen S-Klasse - die übrigens intern als "W221" auftritt - sind unter anderem kleinere und eckigere Scheinwerfer mit außenliegenden, vertikal angeordneten Blinkern in LED-Technik, weit ausgestellte Radhäuser, deren äußerer Radius größer ist als der der Räder, ein aufgesetzter Kofferraumdeckel à la Maybach oder Siebener-BMW und völlig neue Heckleuchten, ferner neu modellierte Außenspiegel und eine Chromleiste am Schweller, während die Schutzleisten an den Türen weggefallen sind. Die Fenster sind weniger hoch und laufen hinten spitzer zu; die Türoberkanten sind nicht mehr bis ins Dach geführt, die A-Säule also nicht mehr vom Türrahmen kaschiert.

Außerdem fallen die leicht schräg angeordneten Türgriffe auf und die jetzt zweigeteilten Lufteinlässe in der Motorhaube. Die Nebelleuchten sitzen künftig nicht mehr im Hauptscheinwerfer, sondern in der Frontschürze. Erstmals in der S-Klasse, allerdings nur in der langen Version, bietet Mercedes auch ein großes Panorama-Glasdach an. Auch insoweit grüßt der Maybach.

Völlig neugestaltet haben die Mercedes-Mannen auch das Interieur, insbesondere Armaturenbrett und Mittelkonsole. Auffälligste Änderung ist der jetzt weit oben neben der im bisherigen Stil gehaltenen Instrumentierung platzierte COMAND-Bildschirm. Das System beinhaltet Radio, CD-/DVD-Spieler und einen Anschluss für Computer-Speicherkarten, die Mercedes etwas missverständlich als PCMCIA-Karten bezeichnet. Navigationsfunktionen kosten weiterhin Aufpreis. Die Navi-Daten sind jetzt erstmals auf Festplatte gespeichert, was eine schnellere Routenberechnung ermöglichen soll.

Der Hauptunterschied besteht bei COMAND aber darin, dass jetzt auch verschiedene Fahrzeug-Funktionen, für die bisher Einzelschalter zuständig waren, in das System integriert sind. Gesteuert wird das alles über einen zentral auf dem Mitteltunnel platzierten Dreh-/Drücksteller à la BMW oder Audi. "COMAND"-Controller nennen die Mercedes-Leute dieses Rad, und beeilen sich angesichts der nicht abebbenden Kritik am BMW-iDrive zu betonen, das Bedienkonzept basiere auf "umfangreichen Studien der Ergonomie und Wahrnehmungspsychologie" und berücksichtige die Ergebnisse von Akzeptanzuntersuchungen mit Mercedes-Kunden in allen Teilen der Erde.

Das wesentliche Merkmal des Bedienkonzepts ist der schnelle Zugriff auf besonders häufig genutzte Funktionen. Daher ist das System gezielt redundant gestaltet: Je nach seiner Gewohnheit steuert der Autofahrer zum Beispiel Autoradio, TV-Empfänger, CD-/DVD-Wechsler, Telefon und Navigation entweder über konventionelle Schalter, die neuen, runden Fünf-Wege-Tasten im Lenkrad oder mithilfe von COMAND. Die Direktwahltasten in der Mittelkonsole sollen sich auch blind bedienen lassen.

Auch die Steuerung der serienmäßigen Klima-Automatik ist auf zwei verschiedenen Wegen möglich: per COMAND einerseits oder mittels einer Schalterleiste unterhalb der Lüftungsdüsen. Ein eigenes Display hat die Klimaanlage nicht mehr - dafür ist wiederum COMAND zuständig, für das Mercedes eine verbesserte Darstellungsqualität des Farbmonitors verspricht.

Wie bereits in M- und R-Klasse gibt es keinen konventionellen Wählhebel für die serienmäßige Automatik mehr; an seine Stelle tritt ein Lenkstockhebel rechts am Lenkrad. Die Bedienelemente für Sitzverstellung, -lüftung und künftig auch Sitzheizung bleiben in den Türen. Dort sitzen jetzt auch die Schalter für die Zentralverriegelung. Neu ist außerdem eine Analog-Uhr, zentral auf der Mittelkonsole angeordnet - sicher die bestmögliche Lösung.

Apropos Sitze: Elektrisch einstellbare 16-Wege-Vordersitze mit Lordosenstützen gehören zur Serienausstattung. Darüber hinaus stehen auf Wunsch Komfortsitze mit Sitzheizung und Sitzbelüftung, Multikontursitze (vorn und hinten) und fahrdynamische Multikontursitze (vorn) zur Auswahl, die ihre Kissen- und Lehnenkontur der jeweiligen Fahrsituation anpassen und so stets optimale Seitenführung bieten. Außerdem ist der fahrdynamische Multikontursitz mit separaten Luftkammern im Lehnenbereich ausgestattet, die sich auf Tastendruck nacheinander füllen und leeren. Dadurch wird die Rückenmuskulatur massiert. Intensität und Geschwindigkeit der Massage-Funktion lassen sich mittels COMAND-System in vier Stufen einstellen.

Drei der vier Motoren, die Mercedes in das neue Flaggschiff einbaut, sind neu oder recht neu. Zur Marktpremiere wird zunächst der aus vielen anderen Baureihen bekannte 3,5 Liter-Sechszylinder als Basis zur Verfügung stehen, der 272 PS leistet. Neu dagegen ist der Achtzylinder im S 500, der jetzt 388 statt 306 PS entwickelt und ein Drehmomentmaximum von 530 statt 460 Newtonmetern anbietet. 5,4 Sekunden (bisher: 6,3) sollen so ausreichen, das schwere Auto auf Tempo 100 zu beschleunigen.

Ab dem ersten Quartal 2006 folgen das vorläufige Topmodell S 600, dessen Zwölfzylinder dann 517 PS (bisher: 500) und 830 (800) Newtonmeter ab 1.900 Touren leisten wird, und schließlich der Diesel S 320 CDI, der in der S-Klasse 231 statt 224 PS leisten wird und ein Drehmoment von 540 Newtonmetern stemmt. Bis auf den V12, der wegen des hohen Drehmoments mit der Fünfgang-Automatik auskommen muss, erhalten alle Versionen die Siebengangautomatik. Der neue V8-Diesel, eine AMG-Variante, Allradmodelle und mutmaßlich ein schwächere Basis werden folgen.

Verbrauchsangaben liegen in allen Fällen noch nicht vor - was durchaus so gedeutet werden darf, dass hier im Vergleich zum Vorgänger jedenfalls Fortschritte nicht zu erwarten sind. Dies gilt trotz der weiter in allen Versionen serienmäßigen Luftfederung "AIRMATIC", die ab Tempo 120 und/oder im Sportprogramm die Karosserie automatisch um bis zu zwei Zentimeter abgesenkt. Das aktive Fahrwerk "Active Body Control" ist als Extra verfügbar (Serie im 600er); Mercedes verspricht insoweit eine weitere Perfektion.

Auch die Bremsanlage muss nun mit einem "hippen" Begriff leben, der da "ADAPTIVE BRAKE" lautet und auf Zusatzfunktionen wie einen Berganfahrassistenten hinweist - bei Automatik-Autos ähnlich überflüssig wie eine Klimaanlage am Strand. Die Feststellbremse funktioniert erwartungsgemäß künftig elektronisch - die entsprechende Taste sitzt wie beim neuen VW Passat links neben dem Lichtschalter.

Zuletzt ein Blick auf die technischen Innovationen, die bei der S-Klasse seit Jahrzehnten Inbegriff für automobilen Fortschritt und Sicherheit sind, und später meist auch anderen Fahrzeugklassen zugute kamen: Ob ABS, Airbags oder ESP - Premiere feierten all diese Systeme in der Stuttgarter Oberklasse. Im neuen Modell sind es wieder ein Dutzend Funktionen, die jedenfalls zum Teil Geschichte schreiben dürften:

Neu sind etwa ein Bremsassistent "Plus". Das System erfasst vorausfahrende Autos mittels Radar und warnt bei geringem Abstand oder bei zu schneller Annäherung an das vorausfahrende Auto. Droht ein Zusammenstoß, berechnet die Technik blitzschnell die optimale Bremskraftunterstützung, die sofort zur Verfügung steht - selbst wenn der Autofahrer zu leicht auf das Bremspedal tritt. So lässt sich die Zahl der Auffahrunfälle deutlich verringern. Einen aktiven, also vollautomatischen Bremseingriff gibt es insoweit zunächst aber nicht.

Der neue Brems-Assistent ist in Kombination mit dem ebenfalls weiterentwickelten Abstandsregel-Tempomaten "DISTRONIC PLUS" lieferbar. Dieses radargestützte System arbeitet jetzt im Geschwindigkeitsbereich von null bis 200 km/h und hält die S-Klasse im richtigen und konstanten Abstand zum vorausfahrenden Auto, bremst die Limousine automatisch bis zum Stillstand ab und beschleunigt sie auf die gewünschte Geschwindigkeit, wenn der Verkehr wieder rollt.

Das vorausschauende Sicherheitssystem "PRE-SAFE" wird um zwei neue Funktionen ergänzt: bei einem drohenden Unfall werden künftig nicht nur die Sicherheitsgurte gestrafft, der Beifahrersitz in eine optimale Position gebracht und das Schiebedach geschlossen, sondern außerdem Luftpolster in den (optionalen) Multikontursitzen aufgeblasen, die sowohl Fahrer und Beifahrer als auch die Fondpassagiere umschließen und abstützen. Ferner werden künftig auch die Seitenscheiben automatisch geschlossen.

Außerdem erhält die neue S-Klasse, ebenfalls gegen Aufpreis, eine Art von Adlerauge: Der erstmals in der Serie erhältliche "Nachtsicht-Assistent" soll das Unfallrisiko bei Dunkelheit verringern. Das System basiert auf dem Infrarotlicht, das für das menschliche Auge unsichtbar ist und deshalb entgegenkommende Autofahrer nicht blendet. Zwei Infrarot-Scheinwerfer beleuchten die Fahrbahn und vergrößern die Sichtweite des Fahrers bei eingeschaltetem Abblendlicht auf über 150 Meter. So macht der Nachtsicht-Assistent Fußgänger, Radfahrer, parkende Autos oder andere Hindernisse weitaus früher sichtbar. Eine Infrarotkamera an der Innenseite der Frontscheibe nimmt das reflektierte Bild der Straßenszene auf und zeigt es auf dem Display des Kombi-Instruments an.

Neu sind außerdem ein weiterentwickelter "Park-Assistent", der dank Radar- statt Ultraschalltechnik nun noch genauer und weiträumiger arbeiten soll, eine Rückfahrkamera sowie schließlich das bei starken Verzögerungen schnell blinkende Bremslicht.

Premiere feiert die fünfte Generation der S-Klasse auf der IAA im September. Die Markteinführung dürfte noch im Herbst erfolgen. Bestellt werden kann schon ab Ende der Woche (24.06.) - zu Preisen, die fast so stark gestiegen sind wie die PS-Zahlen: Der S 350 als vorläufige Basis kostet ab 70.760 Euro (Langversion: 78.416 Euro), für den S 500 sind 89.668 (95.236) Euro auf den Tisch des Hauses zu blättern. Bisher waren der 350er ab knapp 66.000 und der 500er für rund 83.700 Euro zu haben.

Auch wenn natürlich alles Wichtige zur Serienausstattung gehört - kaum einer dürfte gerade eine S-Klasse "nackt" kaufen. Mit Metalliclack, Schiebedach, Navigation, Sitzheizung und anderen "nice to have"-Dingen kommen dann locker noch einmal 20.000 Euro an Extras zusammen. Für reichlich Gesprächsstoff wird die neue Limousine sowieso noch sorgen.
text  Hanno S. Ritter
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