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Versicherungen planen Kasko-Policen mit Werkstattbindung
Studie: Autobauer und Kfz-Versicherer kämpfen um Reparaturgeschäft
Zwischen Automobilherstellern, den Kfz-Werkstätten und den deutschen Kfz-Versicherern ist der Wettlauf um die
Marktherrschaft im Unfallreparaturgeschäft entbrannt. Grund sind die Pläne bedeutender Kfz-Versicherer, mit Werkstattnetzen
in großem Stil in das Reparaturgeschäft einzusteigen. Das gefährdet akut die Vertragswerkstätten der großen Marken -
Umsätze und Erträge im Händlernetz werden sinken. Das ist ein Ergebnis des "Branchenkompasses Kfz-Versicherungen", einer
aktuellen Studie von Mummert Consulting und dem F.A.Z.-Institut in Zusammenarbeit mit dem Meinungsforschungsinstitut Forsa.
Besonders belastend für die Hersteller sei, dass die Mehrheit der Versicherer freie Werkstätten bei der Zusammenarbeit
bevorzuge, heißt es. Einige Automobilhersteller reagierten und gründeten selbst ein zweites Werkstattnetz. Der Fokus dieser
Zweitnetze liege auf der preisgünstigeren Reparatur älterer Gebrauchtwagen. Laut der Studie setzt jeder fünfte deutsche
Automobilhersteller auf die Strategie eines Discount-Netzes.
Selbstbewusst gehen fast alle in der Studie befragten Manager aus den obersten Etagen der Automobilhersteller davon aus,
dass sich die Versicherungen mit ihren Netzen nicht am Markt werden behaupten können. Zu schwach sei deren Service, zu
stark der Wert der Marke, den nur die Vertragswerkstätten bieten können. Zumindest müssten die Versicherungen mit den
Kfz-Konzernen kooperieren, meinen die Manager.
Der Vorstoß der Versicherungen trifft die Marken-Werkstätten in einer ohnehin ungünstigen Situation: Die Hersteller wollen
ihr Händlernetz auslasten und streben dort hohe Margen im Reparaturgeschäft an. Seit einigen Jahren ist aber eine
schleichende Abwanderung der Kunden von der Vertragswerkstatt der eigenen Marke hin zur freien Werkstatt zu beobachten -
insbesondere bei älteren Fahrzeugen, aber lange nicht mehr nur bei diesen. Vertragswerkstätten begegnen dieser Entwicklung
mit verlängerten Garantien, Preissenkungen und Festpreisangeboten - auch für Fremdmarken.
Die forcierten Werkstattmanagementpläne der Versicherer könnten den Herstellern nun allerdings einen Strich durch die
Rechnung machen, zumal die Versicherungen noch einen weiteren Trumpf im Ärmel haben: Sie wollen künftig mehr und mehr
Kaskopolicen anbieten, die dem Kunden nicht mehr die freie Wahl der Werkstatt überlassen. Stattdessen soll der Versicherte
sein Fahrzeug bei einem Betrieb reparieren lassen, mit dem seine Versicherung besondere Konditionen vereinbart hat - in der
Regel soll dies eine freie Werkstatt sein. Ein Teil der Einsparungen dürfte an den Autofahrer weitergegeben werden, so
die Studie.
In drei bis fünf Jahren wird sich diese Kaskopolice mit Werkstattbindung nach Einschätzung der befragten Top-Manager am
deutschen Versicherungsmarkt etabliert haben. Mit ihr soll das nötige Auftragsvolumen in die Partnerwerkstätten gelenkt
werden. Jeder zweite Versicherungsmanager meint, dass das ehrgeizige Vorhaben Erfolg haben wird. Unter den
Versicherungsgesellschaften mit einem hohen (regionalen) Marktanteil erwarten sogar fünf von sechs Top-Managern, dass sich
die neue Police bis spätestens 2008 durchsetzt.
Die Autohersteller lehnen diese neuen Verträge ab und prognostizieren mit klarer Mehrheit, dass eine Kaskopolice mit
Werkstattbindung am Markt keine Chance habe - eine Lagerbildung der Versicherer gegenüber den Automobilherstellern ist
hier offen erkennbar.
Im Ergebnis wird klar, dass die Strategien der Kfz-Versicherer, der Automobilhersteller und des freien Kfz-Gewerbes im
Geschäft mit den Unfallreparaturen nicht zueinander passen. Die Hersteller zielen auf eine Auslastung des
fabrikatsgebundenen Händlernetzes und auf hohe Reparaturmargen, um ihre Vertriebspartner zu stärken. Demgegenüber weitet
die Assekuranz ihre Werkstattnetze systematisch aus und legt den Schwerpunkt klar auf ungebundene Werkstätten. Das freie
Kfz-Gewerbe wiederum begrüßt den systematischen Zufluss von signifikanten Umsätzen vor allem deshalb, weil Unfallreparaturen
selbst bei kleinem Volumen enorme Gewinne verheißen. Bisher profitierten davon in aller Regel die Hersteller, denn in
Deutschland werden zwei Drittel aller Unfallschäden in Vertragswerkstätten behoben und damit weit mehr als in anderen
europäischen Ländern.
Beim Auf- und Ausbau eines eigenen Kfz-Werkstattnetzes lassen sich die meisten Versicherungen allerdings Zeit: Nicht einmal
jede fünfte sieht in diesem Feld den „First Mover“ im Vorteil. Dagegen ist mehr als ein Drittel der Meinung, man solle sich
dem Trend erst anschließen, sobald andere die Pionierarbeit geleistet haben. Die Hälfte der befragten "Top-Entscheider" aus
Automobilkonzernen meint indes, dass zu diesem Zeitpunkt das Rennen längst entschieden sei.
Für die Untersuchung hat das Meinungsforschungsinstitut Forsa im Auftrag von Mummert Consulting und dem F.A.Z.-Institut im
Oktober 2003 insgesamt 60 Top-Entscheider von 30 großen deutschen Versicherungsunternehmen, zehn Versicherungsmaklern sowie
20 Betreibern beziehungsweise potenziellen Betreibern von Werkstattnetzen über ihre mittel- bis langfristigen Maßnahmen im
Kfz-Werkstattmanagement befragt. Die Studie ist für 500 Euro bei Mummert erhältlich.
text Hanno S. Ritter
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