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Donnerstag, 18. April 2024
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Versicherungen planen Kasko-Policen mit Werkstattbindung

Studie: Autobauer und Kfz-Versicherer kämpfen um Reparaturgeschäft

Zwischen Automobilherstellern, den Kfz-Werkstätten und den deutschen Kfz-Versicherern ist der Wettlauf um die Marktherrschaft im Unfallreparaturgeschäft entbrannt. Grund sind die Pläne bedeutender Kfz-Versicherer, mit Werkstattnetzen in großem Stil in das Reparaturgeschäft einzusteigen. Das gefährdet akut die Vertragswerkstätten der großen Marken - Umsätze und Erträge im Händlernetz werden sinken. Das ist ein Ergebnis des "Branchenkompasses Kfz-Versicherungen", einer aktuellen Studie von Mummert Consulting und dem F.A.Z.-Institut in Zusammenarbeit mit dem Meinungsforschungsinstitut Forsa.

Besonders belastend für die Hersteller sei, dass die Mehrheit der Versicherer freie Werkstätten bei der Zusammenarbeit bevorzuge, heißt es. Einige Automobilhersteller reagierten und gründeten selbst ein zweites Werkstattnetz. Der Fokus dieser Zweitnetze liege auf der preisgünstigeren Reparatur älterer Gebrauchtwagen. Laut der Studie setzt jeder fünfte deutsche Automobilhersteller auf die Strategie eines Discount-Netzes.

Selbstbewusst gehen fast alle in der Studie befragten Manager aus den obersten Etagen der Automobilhersteller davon aus, dass sich die Versicherungen mit ihren Netzen nicht am Markt werden behaupten können. Zu schwach sei deren Service, zu stark der Wert der Marke, den nur die Vertragswerkstätten bieten können. Zumindest müssten die Versicherungen mit den Kfz-Konzernen kooperieren, meinen die Manager.

Der Vorstoß der Versicherungen trifft die Marken-Werkstätten in einer ohnehin ungünstigen Situation: Die Hersteller wollen ihr Händlernetz auslasten und streben dort hohe Margen im Reparaturgeschäft an. Seit einigen Jahren ist aber eine schleichende Abwanderung der Kunden von der Vertragswerkstatt der eigenen Marke hin zur freien Werkstatt zu beobachten - insbesondere bei älteren Fahrzeugen, aber lange nicht mehr nur bei diesen. Vertragswerkstätten begegnen dieser Entwicklung mit verlängerten Garantien, Preissenkungen und Festpreisangeboten - auch für Fremdmarken.

Die forcierten Werkstattmanagementpläne der Versicherer könnten den Herstellern nun allerdings einen Strich durch die Rechnung machen, zumal die Versicherungen noch einen weiteren Trumpf im Ärmel haben: Sie wollen künftig mehr und mehr Kaskopolicen anbieten, die dem Kunden nicht mehr die freie Wahl der Werkstatt überlassen. Stattdessen soll der Versicherte sein Fahrzeug bei einem Betrieb reparieren lassen, mit dem seine Versicherung besondere Konditionen vereinbart hat - in der Regel soll dies eine freie Werkstatt sein. Ein Teil der Einsparungen dürfte an den Autofahrer weitergegeben werden, so die Studie.

In drei bis fünf Jahren wird sich diese Kaskopolice mit Werkstattbindung nach Einschätzung der befragten Top-Manager am deutschen Versicherungsmarkt etabliert haben. Mit ihr soll das nötige Auftragsvolumen in die Partnerwerkstätten gelenkt werden. Jeder zweite Versicherungsmanager meint, dass das ehrgeizige Vorhaben Erfolg haben wird. Unter den Versicherungsgesellschaften mit einem hohen (regionalen) Marktanteil erwarten sogar fünf von sechs Top-Managern, dass sich die neue Police bis spätestens 2008 durchsetzt.

Die Autohersteller lehnen diese neuen Verträge ab und prognostizieren mit klarer Mehrheit, dass eine Kaskopolice mit Werkstattbindung am Markt keine Chance habe - eine Lagerbildung der Versicherer gegenüber den Automobilherstellern ist hier offen erkennbar.

Im Ergebnis wird klar, dass die Strategien der Kfz-Versicherer, der Automobilhersteller und des freien Kfz-Gewerbes im Geschäft mit den Unfallreparaturen nicht zueinander passen. Die Hersteller zielen auf eine Auslastung des fabrikatsgebundenen Händlernetzes und auf hohe Reparaturmargen, um ihre Vertriebspartner zu stärken. Demgegenüber weitet die Assekuranz ihre Werkstattnetze systematisch aus und legt den Schwerpunkt klar auf ungebundene Werkstätten. Das freie Kfz-Gewerbe wiederum begrüßt den systematischen Zufluss von signifikanten Umsätzen vor allem deshalb, weil Unfallreparaturen selbst bei kleinem Volumen enorme Gewinne verheißen. Bisher profitierten davon in aller Regel die Hersteller, denn in Deutschland werden zwei Drittel aller Unfallschäden in Vertragswerkstätten behoben und damit weit mehr als in anderen europäischen Ländern.

Beim Auf- und Ausbau eines eigenen Kfz-Werkstattnetzes lassen sich die meisten Versicherungen allerdings Zeit: Nicht einmal jede fünfte sieht in diesem Feld den „First Mover“ im Vorteil. Dagegen ist mehr als ein Drittel der Meinung, man solle sich dem Trend erst anschließen, sobald andere die Pionierarbeit geleistet haben. Die Hälfte der befragten "Top-Entscheider" aus Automobilkonzernen meint indes, dass zu diesem Zeitpunkt das Rennen längst entschieden sei.

Für die Untersuchung hat das Meinungsforschungsinstitut Forsa im Auftrag von Mummert Consulting und dem F.A.Z.-Institut im Oktober 2003 insgesamt 60 Top-Entscheider von 30 großen deutschen Versicherungsunternehmen, zehn Versicherungsmaklern sowie 20 Betreibern beziehungsweise potenziellen Betreibern von Werkstattnetzen über ihre mittel- bis langfristigen Maßnahmen im Kfz-Werkstattmanagement befragt. Die Studie ist für 500 Euro bei Mummert erhältlich.
text  Hanno S. Ritter
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