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Mercedes modernisiert den Maybach |
Daimler |
Die bisher nicht recht erfolgreiche Daimler-Marke Maybach hat ihre Luxuslimousine einer Überarbeitung
unterzogen. Neben optischen Retuschen im Stile eines Facelifts gibt es neue Ausstattungen, während
technisch fast alles beim Alten bleibt.
Dort, wo die Luft ganz dünn ist, also im automobilen Luxusbereich, hat Daimler den Wettbewerb mit
BMW verloren. Gerade einmal rund 200 Limousinen der 2002 wiederbelebten Marke Maybach haben die
Stuttgarter im vergangenen Jahr weltweit verkauft - das reicht nicht, in jeder Beziehung.
Gründe für die Misere mag man vielfältige ausmachen. Ganz oben steht wohl schlicht das etwas blasse Design
des großen Wagens, das mehr nach Vorgänger-S-Klasse XXL aussieht als nach etwas Eigenständigem, der
vielleicht zu unbekannte Markenname, außerdem fehlende Modellvarianten wie ein Coupé - und nicht
zuletzt auch die mangelnde Markenpflege durch das Unternehmen: Wer sich den letztjährigen, geradezu
ärmlichen Maybach-Auftritt auf der IAA vergegenwärtigt, mag sich noch heute fragen, wer so etwas
abgesegnet hat.
Und nun: Mercedes liftet den Maybach. Premiere ist dort, wo die Oberschicht offenbar noch mehr Geld
hat als in Europa, wo es so etwas wie "soziale Akzeptanz" mutmaßlich eher nicht und man sich keine
Gedanken darüber macht, wie viel CO2 so ein Dickschiff ausstößt: in China.
Wichtigstes Merkmal ist der neue Chrom-Kühlergrill, der in zwei Varianten gefertigt wird. In den
Modellen Maybach 57 und 62 trägt er 20 feine Längsstäbe, in den S-Varianten verdeutlichen zwölf
massive Doppellamellen und ein Schattenstab die Pole-Position. Beide gepfeilten Kühlermasken
sind zudem höher, deutlich größer dimensioniert als bisher, stehen aufrechter und weiter vorne -
sprich: Der bullige Maybach wird noch bulliger. Die optischen Retuschen bedingen einen Längenzuwachs
von elf Millimetern.
Im Zuge der höheren Front musste auch die Motorhaube modifiziert werden. Sie trägt nun markantere
Konturen und wirkt optisch ausgeprägter gepfeilt. Eine neu gestaltete,
horizontale gegliederte Frontschürze mit klarer umrissenen Lufteinlässen sorgt ebenfalls für noch mehr optische Präsenz.
Außerdem tragen die Maybach-Modelle künftig ein LED-Tagfahrlicht in der Frontschürze, was man
in dieser Umsetzung wiederum für ein bisschen unpassend halten mag. Weitere Neuheiten sind neue
Räderdesigns (Serie 19 Zoll bzw. 20-Zoll für S-Modelle), dunkelrot eingefärbte Rückleuchten, eine
Kofferraumleiste mit Chromapplikationen und eine neue Lackfarbe namens "Bahamas Blau". Mercedes
avisiert außerdem neue Außenspiegel mit Steg, größerer Spiegelfläche und neuem Blinkerdesign,
die aber früheren Angaben zufolge bereits vor gut einem Jahr in die Serie eingeflossen sind.
Der auch in diesem Segment nach wie vor wohl einzigartige Fond-Ruhesitz, bisher lediglich in den
Limousinen mit langem Radstand verfügbar, wird ab sofort auf Wunsch auch auf der Beifahrerseite im
Fond der Modelle Maybach 57 und 57 S eingebaut. Dies soll nach Mercedes-Doktrin "Liebhabern kompakterer
Fahrzeugmaße" zugute kommen, vor allem in Städten und in Staaten mit Einsatzeinschränkungen für längere
Fahrzeuge.
Außerdem hat Maybach die Sitzanlage für alle Modelle handwerklich noch weiter aufgewertet. Sie erhält
eine optisch verfeinerte Grafik mit zusätzlichem Keder. Die Keder können auf Wunsch auch handgeflochten
oder mit Swarovski-Elementen ausgestattet werden. Im oberen Teil der Sitzlehne findet sich eine neu gestaltete
Plakette in handpoliertem 925er-Sterlingsilber mit dem Schriftzug "MAYBACH MANUFAKTUR".
Im übrigen dürfen sich Kunden auf nochmals erweiterte Individualisierungsmöglichkeiten freuen - wobei
auch bisher schon nahezu alle Kunden-Wünsche gegen großzügige Aufschläge realisiert wurden. Neu im
Standardprogramm sind neben drei Interieurausstattungen mit unterschiedlichen Leder-, Teppich- und
Innenhimmelfarben sowie neuen Zierelementen auch die bisher dem limitierten Sondermodell Maybach Zeppelin
vorbehaltene Flakon-Beduftungsanlage - ein ebenso dekandentes wie faszinierendes Extra, dass in dieser
Güte sonst nirgendwo zu haben ist.
In den Maybach-62-Modellen ergänzt auf Wunsch ein in der Mitte der Trennwand befestigter Bildschirm im
19-Zoll-Format die 9,5-Zoll-Monitore im Fond. Apropos Trennwand: Sie lässt sich nun auch mit Wunsch-Motiven
personalisieren. Wer sich im Fond bei undurchsichtiger Trennwand ausgiebig dem Faulenzen, Fernsehen oder ...
der Frau hingeben will, muss künftig nicht mehr auf die Möglichkeit verzichten, das Verkehrsgeschehen vor
sich überblicken können: Eine optionale Kamera überträgt es in die "Oase der Abgeschiedenheit" (Daimler-PR-Text).
Für drahtlosen Internetzugang während der Fahrt sorgt ein innovativer WLAN-Router, der sich via HSDPA,
UMTS und GSM/EDGE mit der Außenwelt verbindet und im Fahrzeug bis zu drei mobile Geräte versorgen kann;
der Unterhaltung widmet sich ein neuer Multiformat-DVD-Player.
Motorseitig gibt es nur kleine Änderungen. So steigt die Leistung in den S-Modellen um 13 auf nun
630 PS, während es sonst bei derer 550 bleibt. Gleichzeitig sinken die Verbrauchswerte um ebenfalls
0,6 bzw. 0,9 Liter auf nun 15,8 bzw. 15,0 Liter - für eine fast 6,20 Meter lange und drei Tonnen
schwere Zwölfzylinder-Limousine ist das nicht einmal ein schlechter Wert, der wie die Fahrleistungen
besser ist als beim britischen Mitbewerber. Dennoch: Ein Paukenschlag mit hohem PR-Wert wäre allein die
Vorstellung eines Hybridantriebs gewesen.
Die übrige Technik bleibt unverändert, was auch bedeutet, dass Mercedes hier an der elektrohydraulischen
Bremsanlage SBC, die einst in der E-Klasse (W 211) so viel Ärger machte, festhält. Gleiches gilt für die
Fünfgang-Automatik. Neue Assistenzsysteme sind nicht angekündigt, so dass Maybach hier gegenüber aktuellen
Mercedes selbst der Oberen Mittelklasse weiterhin im Rückstand bleibt.
Mit der Modellpflege hat Maybach eine neue Garantieregelung eingeführt, die bis zu acht Jahre oder
200.000 Kilometer gilt. Die vielfältigen Varianten des Service- und Garantiepakets können zu
unterschiedlichsten Zeitpunkten erworben und ganz nach persönlichen Bedürfnissen wieder verlängert
werden. Einzigartig: Eingeschlossen sind beispielsweise auch Ersatz für Verschleiß, wie Lack, Leder,
Holz, Teppich, Polster sowie Geräuschreparaturen.
Und was hat Daimler bewogen, die Limousinen letztendlich so marginal zu überarbeiten? Man weiß es
nicht genau. Eine Möglichkeit ist, dass es einen Nachfolger geben wird und der Autobauer das aktuelle
Modell bis dahin einigermaßen am Leben erhalten muss. Eine andere Theorie besagt, dass Mercedes hier
ein Schrecken ohne Ende praktiziert, weil der Mut für die umgekehrte Variante fehlt.
In Deutschland übrigens wurden im vergangenen Jahr 31 Maybach neu zugelassen, das sind mehr als
doppelt so viele wie Rolls-Royce Phantom hierzulande auf die Straßen kamen. Zwei Käufer haben ihren
automobilen Traum nicht einmal von der Steuer abgesetzt.
Apropos, die Preise: Theoretisch, also ohne jedes Extra, ist ein Maybach 57 in Deutschland für exakt
405.671 Euro (brutto) zu haben, minimal günstiger als der Phantom. Das Topmodell 62 S kostet ab 545.258
Euro. Das ist völlig verrückt, mag man zutreffenderweise denken, aber es gab schon erheblich teurere Mercedes.