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Entwicklung der Verunglückten-Zahlen |
Uni Witten/H. |
Seit mehreren Jahren sinkt die Zahl der im Straßenverkehr Getöteten und Verletzten. Eine oft zu hörende These
besagt, dass gleichzeitig mehr Schwerstverletzte zu beklagen sind. Eine Untersuchung konnte diesen Zusammenhang
nicht ohne Weiteres bestätigen.
Die Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) ist anhand einer Analyse der Daten des Traumaregisters der
Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie (DGU) der Frage nachgegangen, ob die Zahl der besonders
schwer verletzten Unfallopfer in gleichem Maße wie die der Getöteten abgenommen hat.
Im Untersuchungszeitraum (1997-2006) war kein deutlicher Trend einer Zu- oder Abnahme der
Schwerstverletztenzahlen erkennbar. Die relativen Abweichungen der tatsächlich beobachteten
Patientenzahlen wiesen lediglich Schwankungen um plus/minus zehn Prozent um den klinikspezifischen
Durchschnittswert auf. Allerdings zeigt die Studie, dass in den Jahren 2005 und 2006 deutlich
weniger Patienten im Krankenhaus verstorben sind als nach der RISC-Prognose - ein vom Traumaregister
entwickeltes und validiertes Scoresystem - zu erwarten gewesen wäre. Dieser Rückgang der
Letalitätsrate von bis zu fünf Prozent (2006) trägt damit auch zu einer Zunahme der Zahl der
Schwerstverletzten bei.
Weiterhin ließen sich Veränderungen des Verletzungsmusters bei den Schwerstverletzten in Abhängigkeit
von der Art der Verkehrsteilnahme feststellen. Der relative Anteil der schwerstverletzten Autofahrer
ist zwischen 1997 und 2006 von 60 Prozent auf 50 Prozent gesunken. Schädel-Hirn-Traumata sind bei allen
Verkehrsbeteiligten von 69 Prozent auf 60 Prozent zurückgegangen. Verletzungen der Wirbelsäule wurden
hingegen häufiger beobachtet, was allerdings ein Effekt der verbesserten CT-Diagnostik sein kann.
Je nach Art der Verkehrsbeteiligung zeigen sich sehr unterschiedliche Verletzungsmuster. Bei Radfahrern
und Fußgängern dominieren mit über 70 Prozent Kopfverletzungen. Helmgeschützte Motorradfahrer zeigen
mit 45 Prozent hier die günstigsten Werte, haben jedoch gemeinsam mit Autofahrern die höchsten Raten
für Verletzungen des Brustkorbs und des Bauchraums.
Im Ergebnis liefert die Untersuchung plausible Hinweise dafür, dass Patienten, die vor einigen Jahren
noch an ihren Verletzungen gestorben wären, heute gerettet werden können, dann aber erhebliche
medizinische Ressourcen benötigen und als "Schwerst"-verletzte in den Zahlen auftauchen. Der in der
amtlichen Unfallstatistik deutlich erkennbare Trend von immer weniger Getöteten und Schwerverletzten
wirkt sich also, wenn man nur das "Fenster" der Schwerstverletzten betrachtet, kaum aus.
Untersuchungsmethode
Für die Untersuchung wurden Daten des Traumaregisters der DGU ausgewertet. Insgesamt wurden die Daten von
über 11.000 Patienten aus 67 verschiedenen Kliniken analysiert. Als "schwerstverletzt" wurden
Straßenverkehrsunfallopfer definiert, die im Injury Severity Score (ISS) mindestens neun Punkte erreicht
haben und zudem intensivmedizinisch behandelt werden mussten. Zur Abschätzung der Prognose wurde ein im
Traumaregister entwickeltes und validiertes Scoresystem (RISC) eingesetzt.
Die DGU-Daten bilden laut BASt eine gute Grundlage, um typische Verletzungsmuster infolge von
Straßenverkehrsunfällen zu beschreiben und relative Veränderungen bei der Zahl der Schwerstverletzten
über die Zeit nachzuweisen. Es sei allerdings zu berücksichtigen, dass die Teilnahme der Kliniken am
Traumaregister freiwillig ist und epidemiologische Aussagen daher nur eingeschränkt möglich sind.
Nach der amtlichen Statistik ist die Gruppe der "Schwerverletzten" sehr heterogen und umfasst alle
Unfallopfer, die für mindestens 24 Stunden in einem Krankenhaus behandelt wurden.