Bei "unklarer Verkehrslage" ist das Überholen verboten, sagt das Gesetz. Fährt aber ein Pkw nach rechts in eine
Bus-Haltebucht, so schafft das für nachfolgende Fahrzeuge noch keine unklare Verkehrslage, die ein Überholen oder
Vorbeifahren verbieten würde. Das hat das Oberlandesgericht Celle entschieden.
In dem zugrundeliegenden, vom Anwalt-Suchservice mitgeteilten Fall hatte eine Autofahrerin ihr Tempo gedrosselt und
war mit ihrem Wagen in eine rechts neben der Fahrbahn liegende Bus-Haltebucht ausgeschert. Der Fahrer eines nachfolgenden
Pkws dachte, sie wolle dort halten und zog links an ihr vorbei. Als er sich direkt neben ihr befand, blinkte die Frau
plötzlich und setzte zum Linksabbiegen an. Es kam zum Crash - und später zum Prozess.
Die Autofahrerin war der Ansicht, dass der Mann nicht einfach hätte an ihr vorbeifahren dürfen. Dadurch, dass sie auf die
Bushaltestelle ausgeschert sei, habe für ihn eine unklare Verkehrslage bestanden, bei der ein Überholen oder Vorbeifahren
verboten sei. Das OLG Celle sah das jedoch anders (Urteil vom 18.11.2004;
- 14 U 108/04 -).
Ein Pkw, der verlangsame und auf eine rechts neben der Fahrbahn verlaufende Bushaltestelle fahre, schaffe keine unklare
Verkehrslage, so die Richter. Bei einem solchen Manöver müsse nicht mit einem Abbiegen nach links gerechnet werden. Viel
wahrscheinlicher sei es, dass der Autofahrer - wenn auch unzulässigerweise - kurz auf der Busspur anhalten wolle, etwa
um Mitfahrer aussteigen zu lassen. Dass das Fahren auf die Bushaltestelle als "Ausschwenken" gedacht sein könnte, um
anschließend links in eine Straße oder Einfahrt abzubiegen, sei bei einem Pkw nicht zu vermuten, so das Gericht.
Schließlich gebe es für ein solches Fahrmanöver - anders als etwa bei langen Sattelzügen - bei Pkws überhaupt keine
Veranlassung.
Der Mann habe nicht mit einem Abbiegen der Frau rechnen müssen und habe an ihr vorbeiziehen dürfen. Demgegenüber habe die
Frau gleich zwei schwere Verkehrsverstöße begangen. Sie habe beim Abbiegen ihre zweite Rückschaupflicht missachtet und
zudem viel zu spät geblinkt. Wegen ihres groben Verschuldens müsse sie allein für die Unfallschäden aufkommen, so das Urteil.