Nähert sich ein Fußgänger auf dem Bürgersteig einem Zebrastreifen, so müssen in die gleiche Richtung fahrende Autofahrer
sich nicht darauf einstellen, dass er an dem Überweg die Straße überqueren könnte. Das hat das Oberlandesgericht Hamm
entschieden.
In dem zugrundeliegenden, vom Anwalt-Suchservice mitgeteilten Fall war eine Frau auf dem Bürgersteig entlang gegangen.
Hinter ihr näherte sich ein Fahrzeug mit Anhänger, das nur ca. 30 km/h schnell war, obwohl Tempo 50 erlaubt war. Kurz
bevor das Gespann die Fußgängerin erreichte, trat die Frau plötzlich nach links auf die Straße, um sie am Zebrastreifen
zu überqueren. Sie wurde von dem Fahrzeug erfasst und schwer verletzt.
Später verklagte die Dame den Kraftfahrer und vertrat den Standpunkt, dieser trage die Schuld an dem Unfall. Er hätte
insbesondere langsamer fahren und damit rechnen müssen, dass sie am Zebrastreifen die Straße überqueren könnte.
Dieser Argumentation folgte das Gericht (Urteil vom 14.07.2003,
- 6 U 39/03 -) jedoch nicht.
Ein unfallursächliches Verschulden des Autofahrers sei nicht festzustellen, so die Richter. Er sei nur 30 km/h schnell
gefahren. Ein Verschuldensvorwurf könne auf diese Geschwindigkeit nicht gegründet werden, zumal an der Unfallstelle
50 km/h erlaubt gewesen seien. Die Überquerungsabsicht der Fußgängerin sei für den Mann auch erst so spät erkennbar
gewesen, dass der Unfall nur bei Schrittgeschwindigkeit vermeidbar gewesen wäre. Der Mann habe sein Fahrverhalten nicht
vorsorglich darauf ausrichten müssen, dass die Frau, die erst auf dem Bürgersteig entlang ging, ihre Gehrichtung
plötzlich ändern könnte, um die Fahrbahn auf dem Zebrastreifen zu überqueren.
Demgegenüber falle der Verletzten ein eigenes Verschulden bei der Verursachung des Unfalls zur Last. Trotz ihres Vorrangs
auf dem Fußgängerüberweg hätte sie diesen nicht blindlings, ohne Beachtung des Fahrverkehrs, betreten dürfen. Sie hätte
nach links schauen müssen, um zu sehen, ob sich nähernde Fahrzeuge warten würden, um ihr das Überqueren zu ermöglichen.