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ARCHIVGericht: Neue EU-Rechtsprechung bedingt Beachtung der ursprünglichen Sperrfrist
Urteil: Ausländischer Führerschein trotz Entzugs des deutschen gültig
Ein deutscher Kraftfahrzeugführer, der im Inland keinen ordentlichen Wohnsitz hat, macht sich nicht wegen vorsätzlichen
Fahrens ohne Fahrerlaubnis strafbar, wenn er die Fahrerlaubnis eines anderen EU- oder EWR-Mitgliedsstaates besitzt, die
ihm nach Ablauf einer im Inland angeordneten Sperrfrist für die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis ausgestellt worden war.
Dies hat jetzt der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts entschieden und einen 57-jährigen in Spanien wohnhaften Kaufmann
deutscher Staatsangehörigkeit unter Aufhebung eines Urteils des Amtsgerichts Singen vom April 2004 vom Vorwurf des
vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis freigesprochen.
Der Mann war durch Urteil eines deutschen Gerichts im Jahre 1996 rechtskräftig wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr
zu einer Geldstrafe verurteilt und ihm die Fahrerlaubnis entzogen worden, wobei eine Sperrfrist für die Neuerteilung der
Fahrerlaubnis verhängt wurde. Da er hier seinen Arbeitsplatz und seinen Führerschein verloren hatte, verlegte der
Angeklagte seinen ständigen Wohnsitz nach Spanien, wo er nach Ablauf der gegen ihn in Deutschland festgesetzten Sperrfrist
1997 eine spanische Fahrerlaubnis erwarb. Den Antrag des Angeklagten, von seiner spanischen Fahrerlaubnis auch in der
Bundesrepublik Gebrauch machen zu dürfen, lehnte das zuständige Landratsamt im Jahre 2001 ab, weil der Angeklagte
weiterhin ungeeignet zum Führen eines Kraftfahrzeugs sei, da er sich einer medizinisch-psychologischen Begutachtung (MPU)
nicht habe unterziehen wollen.
Gleichwohl nahm der Angeklagte im Oktober 2003 im Bereich von Singen am öffentlichen Straßenverkehr teil. Das dortige
Amtsgericht war der Auffassung, dies sei ohne gültige Fahrerlaubnis geschehen und verurteilte den Angeklagten zu einer
Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu je 28 Euro.
Dieses Urteil wurde nun vom Oberlandesgericht Karlsruhe aufgehoben. Nach europäischem Recht seien die Mitgliedstaaten
grundsätzlich verpflichtet, die von anderen Mitgliedstaaten ausgestellten Führerscheine anzuerkennen. Deshalb sei in
der Verordnung über den internationalen Kraftfahrzeugverkehr (IntVO) bestimmt, dass Inhaber ausländischer Führerscheine
im Umfang ihrer Berechtigung im Inland Kraftfahrzeuge führen dürfen, soweit sie im Inland keinen ordentlichen Wohnsitz
haben. Eine Ausnahme von dieser Anerkennung bestehe aber u.a. dann, wenn dem Fahrzeugführer zu irgendeinem früheren
Zeitpunkt im Inland von einem Gericht die Fahrerlaubnis entzogen worden war.
Die letztgenannte Vorschrift hat der Senat entgegen der bisherigen obergerichtlichen Rechtsprechung nunmehr einschränkend
ausgelegt und hiervon den Fall ausgenommen, dass die ausländische Fahrerlaubnis erst nach Ablauf der Bundesrepublik
Deutschland festgesetzten Sperrfrist erworben wurde, wenn der Fahrer keinen ordentlichen Wohnsitz im Inland hat. Grund
hierfür war ein jüngst ergangenes Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 29.04.2004 (- C-476/01 -), wonach
eine anderweitige Handhabung gegen Gemeinschaftsrecht verstoße, weil die Versagung der Anerkennung einer ausländischen
Fahrerlaubnis auf unbestimmte Zeit die Gemeinschaftsziele der Freizügigkeit der Arbeitnehmer, der Niederlassungsfreiheit
und des freien Dienstleistungsverkehrs gefährde.
Da die gegen den Angeklagten von einem deutschen Gericht verhängte Sperrfrist bereits im Juni 1997 geendet und er erst im
November 1997 die spanische Fahrerlaubnis erworben hatte, lag ein solcher Ausnahmefall vor, weshalb der Senat die
Revision des Angeklagten als begründet ansah und ihn freisprach (Beschluss vom 26.08.2004, - 3 Ss 103/04 -).
text Hanno S. Ritter
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