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Samstag, 20. April 2024
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326 PS starker Škoda-Elektromotor für die Olympia-Busse

Neoplan-Trolleybusse für Athen drehen letzte Testrunden

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Bild anklicken für Großansicht Abnahmefahrt in Salzburg:
Neoplan-Trolleybusse für Athen
Neoplan
Moderne Zeiten in der Festivalstadt Salzburg. So mancher Passant traute kürzlich seinen Augen nicht - in der altehrwürdigen Innenstadt zog ein fremdartiger, modern anmutender Obus seine Kreise. Fraglich auch, wohin der gelb-lila-lackierte Gelenkbus unterwegs war - der Zielschildkasten gab nur Auskunft in griechischen Lettern. Des Rätsels Lösung: Hier handelt es sich um das NEOPLAN-Abnahmeexemplar für den Athener Verkehrsbetrieb ILPAP. Beide Parteien trafen sich zum letzten Test in Salzburg, das über ein großes Netz an Trolleybus-Linien verfügt.

Als Testkandidat nahm ein 18 Meter langer Centroliner-Gelenkzug N 6221 den Stadtkurs unter die Räder. Er ist der erste Gelenkzug der 142 Neoplan-Neufahrzeuge, die bei den Olympischen Spielen in Athen eingesetzt werden. Der Erstling stammt komplett aus der Fertigung in Pilsting, wo neben der Herstellung der Linienbusse auch das Neoman-Kompetenzzentrum für Trolleybusse angesiedelt ist. Die übrigen Fahrzeuge werden beim griechischen Partner Elbo vor Ort ausgebaut.

Der Niederflur-Gelenkbus für Athen gleicht, abgesehen von der elektrischen Antriebstechnik im Heck, weitgehend seinen dieselbetriebenen Artgenossen. Er ist wie diese ein Schubgelenkbus, dessen Portalachse im Motorwagen allerdings von einem Elektromotor angetrieben wird. Das Antriebssystem erfordert auch einige Anpassungen in der Karosseriestruktur. So muss die Dachlast für die schwere elektrische Ausrüstung auf 1.000 Kilogramm erhöht werden. Unter dem dynamischen Dachgerätegehäuse wurden ein Traktionsumrichter, der elektronische Fahr-/Bremsregler, der statische Bordnetzumrichter, der Umrichter für die Klimaanlage, das Netz- und EMV-Filter und weitere Komponenten integriert. Zusammen mit der mehrfachen, aufwändigen elektrischen Isolierung kommen so 1,5 Tonnen Zusatzgewicht zusammen.

Angetrieben wird der 132 Personen fassende Großraumbus (40 Sitz- und 92 Stehplätze) für Athen von einem 326 PS starken Škoda-Elektromotor. Obwohl der Elektromotor an sich kein Getriebe benötigt, setzt der Hersteller ein Zwischengetriebe ein, um den bis zu 27,5 Tonnen schweren Omnibus für die schwere Topografie Athens gut zu rüsten. Mit 1.800 Nm maximalem Drehmoment über den gesamten Drehzahlbereich legt sich der 18-Meter-Riese ordentlich ins Zeug - bis Tempo 60, wenn der E-Motor seine Drehzahl von 2.200 Umdrehungen erreicht hat. Als Notantrieb dient ein Vierzylinder-Diesel mit 125 kW Motorleistung plus Generator, der für die Fahrfähigkeit außerhalb des Oberleitungsnetzes sorgt und den Bus auch vom Werk bis nach Salzburg angetrieben hat - mit "vertretbarer" Geschwindigkeit, wie der Hersteller es formuliert.

Ausgerüstet sind die Busse mit vier vom Fahrer betätigten Türen. Der großen Sommerhitze in Athen begegnen die Griechen mit zwei vollwertigen, elektrisch betriebenen Klimaanlagen im Vorder- und Motorwagen. Diese beanspruchen bei voller Kälteleistung im Stand 50 Kilowatt Leistung. Die für kalte Winter ausgelegte Fahrzeugheizung übernehmen elektrisch betriebene Untersitz-Heizgeräte.

Alle Komponenten der Centroliner-Busse sind mit dem Zentralrechner per CAN-Bus vernetzt. Befehle für die Funktionssteuerung, beispielsweise das Öffnen der Fahrgasttüren, wird digital von der Zentralschnittstelle übertragen.

Trolleybusse sind, gemessen an dieselbetriebenen Omnibussen, ohne Frage aufwändigere Fahrzeuge, die höhere Beschaffungskosten nach sich ziehen. Ihre Vorteile liegen einerseits darin, Abgas- und Lärmemissionen aus dem Stadtbereich zu eliminieren, andererseits in der erhöhten Langlebigkeit: Die Betreiber rechnen mit einer Fahrzeug-Lebensdauer von mindestens 20 Jahren.

Obgleich Trolley-Busse im internationalen ÖPNV-Geschäft ein Schattendasein führen, sieht Neoplan einen Nischenmarkt mit 2.600 Fahrzeugen in der EU, in Osteuropa und Russland sogar von 26.000 Einheiten. Eingesetzt werden die Busse derzeit etwa in Parma, Lyon oder Lausanne - man betrachtet sie jedenfalls in Westeuropa meist als Übergangslösung bis zur Serienreife von Brennstoffzellen-Bussen. NEOMAN will im E-Bus-Bereich die Marktführerschaft erreichen.
text  Hanno S. Ritter
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