|
Auch mit Winterreifen
|
© DVR
|
kann man im Graben landen. Die Wahrscheinlichkeit jedoch ist deutlich geringer
|
The same procedure as every year: Kaum sind die ersten Schneeflocken im Süden Deutschlands gefallen,
fühlen sich Auto-Clubs und diverse andere Organisationen berufen, die üblichen Winter-Tipps für Autofahrer
zu veröffentlichen, obwohl, das nur nebenbei, die Mühe nicht lohnt: Wer informiert ist, kennt diese
Tipps schon in- und auswendig, und jene, die mit zentimeterhohem Schnee auf Dach und Scheinwerfern, mit
beschlagenen Scheiben rund um das Guckloch, tief in dicke Mäntel gehüllt und ohne Licht unterwegs sind,
nachdem sie ihr Auto im Stand haben "warmlaufen" lassen, sind sowieso unverbesserlich und "beratungsresistent".
Eine dieser Meldungen ist mir jedoch gestern besonders aufgefallen; sie stammt aus dem Bundesverkehrsministerium
(BMVBW). Dass Minister Dr. Manfred Stolpe nichts von einer generellen Winterreifenpflicht hält, lässt sich
hören, wie Juristen sagen würden, ist also eine vertretbare Meinung. Er argumentiert neben rechtlichen
Problemen auf europäischer Ebene damit, dass sich die Frage, ob ein Fahrzeug bei winterlichen Bedingungen noch sicher
beherrscht werden könne oder auf eine Teilnahme am Verkehr "verzichtet" werden müsse, nicht durch eine abstrakte
Verhaltensvorschrift beantworten lasse; dies müsse jeder Fahrzeugführer eigenverantwortlich für sich entscheiden. Das
Argument ist an sich durchaus richtig, wird interessanterweise bei vielen anderen Fragen zur Verkehrssicherheit
jedoch so nie geäußert.
Die eigentliche Begründung aus dem Hause Stolpe jedoch ist wirklich hanebüchen: In Deutschland seien die Straßen in
der Winterzeit nur an relativ wenigen Tagen mit Schnee oder Eis bedeckt, und "bei trockener und nasser Fahrbahn haben
Sommer- oder Ganzjahresreifen Vorteile", heißt es in der Presseerklärung.
Hier allerdings irren Sie wirklich, Herr Minister, und das nicht nur bei der Anzahl der Schnee-Tage. Vielmehr
ist es so, dass Winterreifen bereits ab einer Temperatur von rund sieben Grad erhebliche Vorteile etwa hinsichtlich
von Seitenführungskraft und Bremsweg gegenüber Sommerpneus bieten. Grund dafür ist die deutlich weichere Gummimischung
bei Winterreifen. Die Pneus härten bei kalten Temperaturen nicht aus und können so die Kraft besser
auf die Straße bringen bzw. halten. Stolpe, ausgerechnet der Verkehrsminister, wiederholt hier ärgerlicherweise
ein gefährliches Märchen, das man inzwischen als weitgehend ausgestorben vermutete. Ich meine: Nachsitzen, Herr Stolpe!
Kurzum: Wer im Winter, gemeint ist bei kalten Temperaturen, Auto fährt, ist mit Winterreifen ohne Frage deutlich besser
bedient als ohne, riskiert so ausgerüstet seinen Versicherungsschutz nicht und Eigentum oder Gesundheit anderer
Menschen jedenfalls deutlich weniger. Es ohne Winterreifen zu versuchen, bringt keine oder kaum Vorteile, und cool ist
es schon gar nicht. Cool ist nur, den Winter unfallfrei zu überstehen. Auch für einen Minister mit Dienstwagen, in jeder
Beziehung. (hsr)