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Freitag, 19. April 2024
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Bundesgerichtshof entscheidet nun auch über maximale Lagerzeit

Endlich Rechtssicherheit: Wann ein Neuwagen als fabrikneu gelten darf

Das Thema ist ein alter Streitpunkt zwischen Autokäufern und -Verkäufern: Wann ist ein Neuwagen ein Neuwagen? Kann der Begriff wirklich nur auf ganz neue, soeben ausgelieferte Fahrzeuge, angewendet werden, oder auch dann, wenn das "fabrikneue" Fahrzeug schon einige Zeit alt, aber nicht benutzt ist? Und, falls ja, wie lange kann von diesem möglicherweise als "neuwertig" zu bezeichnenden Zustand ausgegangen werden?

Höchstrichterlich war bisher nur entschieden, dass ein Fahrzeug dann nicht mehr als "neu" gelten darf, wenn zwischenzeitlich technisch veränderte Modelle produziert werden. Hierfür bedarf es keines ganz neuen Modells; auch ein Facelift ließen die BGH-Richter, zuletzt in einer Entscheidung vom Juli 2003 (Autokiste berichtete), gelten. Am Mittwoch haben die Richter des für Kaufrecht zuständigen VIII. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs nunmehr auch die maximale Standzeit festgelegt, bis zu deren Ablauf ein Kraftfahrzeug im Regelfall noch als fabrikneu angesehen werden kann.

Der Entscheidung zugrunde lag der Fall eines Mannes, der am 30. Juni 2000 bei dem jetzt beklagten Autohaus einen Ford Cougar für gut 53.000 DM erstanden hatte. Das von der Beklagten verwendete Kaufvertragsformular enthielt die Angabe "verbindliche Bestellung neuer Kraftfahrzeuge". Rund fünf Wochen später wurde dem Kläger das Fahrzeug übergeben, das - wie sich später herausstellte - bereits am 30. November 1998 hergestellt worden war, allerdings bis zum Kauf unverändert weiterproduziert wurde. Damit wollte sich der Kläger jedoch nicht abfinden und klagte durch mehrere Instanzen gegen das Autohaus. Er verlangte die Rückabwicklung des Kaufvertrages, weil das Fahrzeug wegen seines Alters entgegen der Zusicherung im Kaufvertrag nicht mehr "fabrikneu" sei.

Das Oberlandesgericht hatte der Klage stattgegeben und die Auffassung vertreten, ein unbenutztes Fahrzeug, dessen Herstellung bei Kaufvertragsschluss 19 Monate zurückliege, sei auch dann im Sinne der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht mehr "fabrikneu", wenn das Modell des Fahrzeuges unverändert weitergebaut werde und es keine durch die Standzeit bedingten Mängel aufweise. Die Frage, ab welchem Zeitraum zwischen Herstellung und Kaufvertrag oder Auslieferung ein Fahrzeug in diesem Sinne nicht mehr "fabrikneu" ist, wird von den Oberlandesgerichten bislang aber uneinheitlich beantwortet. Der Bundesgerichtshof hat deshalb auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung die Revision zugelassen.

Die BGH-Richter haben mit ihrem Urteil die Revision zurückgewiesen und die bisherige Rechtsprechung zur Fabrikneuheit eines Kraftfahrzeugs nunmehr dahingehend präzisiert, dass ein unbenutztes Kraftfahrzeug regelmäßig noch "fabrikneu" ist, wenn und solange das Modell dieses Fahrzeugs unverändert weitergebaut wird, wenn es keine durch längere Standzeit bedingten Mängel aufweist und wenn zwischen Herstellung des Fahrzeugs und Abschluss des Kaufvertrages nicht mehr als 12 Monate liegen.

Eine lange Standdauer, so die Richter, sei für einen Neuwagenkäufer ein wertmindernder Faktor. Das Kraftfahrzeug unterliege einem Alterungsprozess, der mit dem Verlassen des Herstellungsbetriebes einsetze. Grundsätzlich verschlechtere sich der Zustand des Fahrzeugs durch Zeitablauf aufgrund von Materialermüdung, Oxydation und anderen physikalischen Veränderungen. Selbst eine Aufbewahrung unter optimalen Bedingungen vermöge dies nur zu verlangsamen, aber nicht zu verhindern. Letztlich sei die Lagerdauer nach der allgemeinen Verkehrsanschauung ein wesentlicher Gesichtspunkt für die Wertschätzung eines Kraftfahrzeugs. "Im Regelfall" sei deshalb davon auszugehen, so schrieben die Richter in schönstem Juristendeutsch in ihr Urteil, dass nach mehr als zwölf Monaten Lagerzeit "die Fabrikneuheit eines Neuwagens beseitigt" sei.

(- Urteil vom 15.10.2003, VIII ZR 227/02 -)
text  Hanno S. Ritter
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