ADAC
"Habe Scheiße gebaut":
Ex-ADAC-PR-Chef Michael Ramstetter
Mit den fingierten Zahlen bei der Auszeichnung zum "Gelben Engel" hat sich der ADAC die vielleicht größte Krise
in seiner Geschichte eingehandelt. Die Aufarbeitung verläuft schleppend und peinlich.
Michael Ramstetter ist in Urlaub gefahren. Dort wird er mehr Zeit zum Nachdenken haben, als ihm lieb ist. Der
langjährige Kommunikationschef des ADAC und Chefredakteur der "ADAC-Motorwelt" hatte am Freitag zugegeben,
die Zahlen bei der Leserwahl zum "Lieblingsauto" im Rahmen der Verleihung des ADAC-Mobilitätspreises "Gelber Engel"
frisiert zu haben. Als Konsequenz daraus legte der 60-Jährige mit sofortiger Wirkung sämtliche Funktionen und Aufgaben
im ADAC nieder.
Der ADAC erklärte am Sonntag, Geschäftsführung und Präsidium hätten unmittelbar nach Bekanntwerden der Vorwürfe
eine lückenlose interne Prüfung angeordnet und entsprechende Schritte initiiert. Noch vor Abschluss dieser Untersuchung
habe Ramstetter seinen persönlichen Fehler eingeräumt. Er entschuldigte sich in diesem Zusammenhang für sein Fehlverhalten
und bedauerte, damit der Glaubwürdigkeit des ADAC Schaden zugefügt zu haben.
Bei dem wie üblich pompös begangenen Festakt zu der Preisverleihung am Donnerstag in München hatte der ADAC vor 400 geladenen Gästen
inklusive der Konzernchefs etlicher Autobauer die von der der Süddeutschen Zeitung recherchierten und offenbar von einem
oder mehreren Informanten im ADAC gestützten Vorwürfe nicht nur zurückgewiesen, sondern sich an Naivität kaum zu übertreffen über die
renommierte Zeitung noch abfällig und hämisch geäußert. Dr. Karl Obermair, der Geschäftsführer des Clubs, der selbst zunehmend mannigfaltige
Medienarbeit betreibt, hatte von "Unterstellungen und Unwahrheiten" und einem "Skandal für den Journalismus" gesprochen und gespottet,
immerhin seien die vier Buchstaben des ADAC richtig abgedruckt worden. Im übrigen sei nichts älter als die Tageszeitung von
gestern: "Mit der packt man den Fisch ein." Weitere Statements der Pressestelle waren ähnlich peinlich.
Beim "Lieblingsauto" der Deutschen hatte der VW Golf gewonnen. Laut Club wurden 34.299 Stimmen für den Bestseller abgegeben,
laut SZ waren es jedoch nur derer 3.409 - bei fast 19 Millionen Mitgliedern des Clubs in der Tat eine höchst überschaubare
Teilnehmerzahl. Der ADAC betonte, Ramstetter habe nur die absoluten Zahlen geschönt, nicht aber die Reihenfolge der
Bewertungen. Dies ist laut SZ für die beiden zurückliegenden Jahre zutreffend, im übrigen hielten sich aber seit Jahren
in verschiedenen ADAC-Abteilungen Gerüchte, bei der Abstimmung habe nicht immer das Auto mit den meisten Stimmen am Ende
auch gewonnen.
Obermair bestätigte der SZ am Sonntag Unstimmigkeiten jedenfalls hinsichtlich der absoluten Zahlen. Ramstetter habe auf Nachfrage
eingeräumt, die veröffentlichten Zahlen "auch in anderen Jahren weitgehend frei erfunden zu haben." Obermair selbst und das
Präsidium wollen nichts gewusst haben. Ramstetter bekomme keine Abfindung; Medienberichten zufolge aber noch sein Gehalt bis
Jahresende. Ab 2015 soll die Wahl notariell überwacht werden und so "über jeden Zweifel erhaben" sein.
Der geschasste Ramstetter sagte der Süddeutschen, er habe "Scheiße gebaut". Wohl wahr - aber zurückhaltend formuliert, denn der
Imageschaden, den der Club durch die von ihm geschönten Zahlen erleidet, ist immens. Anzunehmen ist, dass es Mitwisser gab, die
nicht genug Mumm hatten, sich dem Prozedere ihres des oft selbstherrlich auftretenden Chefs entgegenzustellen und nun möglicherweise
als Informant der SZ einen Ausweg sahen. Dass Mauscheleien früher oder später immer herauskommen, war Ramstetter offenbar nicht
bewusst. Der Verein, der mit seinen diversen Geschäftsfeldern von Ambulanz bis Versicherung, von Fernbussen bis Reisen, von
Handyangeboten bis Kreditkarten eigentlich ein milliardenschwerer Konzern ist, wird viel Geduld und Geschick brauchen, das verlorene
Vertrauen wiederzuerlangen. Im Internet ergießt sich Spott und Häme über den Club.
Doch Geschick hat der ADAC, der sich so gern als Sprachrohr des "Autofahrers" geriert und mit dem Finger auf andere zeigt, in dieser
Affäre bisher nicht gezeigt. Und wer einmal lügt, dem glaubt man vielleicht auch bei der nächsten Pannenstatistik und dem nächsten Test
von Tunneln, Parkhäusern, Kindersitzen oder was auch immer nur noch bedingt. Weitere personelle Konsequenzen und die konkrete Offenlegung
der Zahlen sind überfällig. Das Glanzpapier der ADAC-Motorwelt eignet sich schließlich auch nicht besonders, um Fisch darin einzuwickeln.
Nachtrag, 14:15 Uhr: Auf einer eilig einberufnen Pressekonferenz in München sagte Obermair am Mittag in München, er sei fassungslos
über die Dreistigkeit des Fehlverhaltens einer einzelnen Führungskraft, für die selbstverständlich bis zuletzt die Unschuldsvermutung
gegolten habe. "Dem ADAC ist dadurch schlimmer Schaden zugefügt worden." Es gelte nun, mit aller Entschiedenheit die Reputation und
Glaubwürdigkeit des Clubs in vollem Umfang wieder herzustellen. Nach derzeitigem Kenntnisstand gäbe es keinerlei Hinweise darauf, dass
auch andere Bereiche des ADAC wie Verbraucherschutz- oder Techniktests von Unregelmäßigkeiten betroffen seien.
Der Club erklärte, man bedauere "die Berichterstattung der vergangenen Tage", ebenso die Kritik von ADAC-Spitzenrepräsentanten im Rahmen
der Preisverleihung "Gelber Engel" gegenüber einzelnen Medien. Diese sei in der festen Überzeugung erfolgt, dass sich die in der
Süddeutschen Zeitung erhobenen Manipulationsvorwürfe als substanzlos erweisen würden. "Diese Einschätzung hat sich Ende vergangener Woche
als falsch herausgestellt." Obermair habe sich bei der Zeitung entschuldigt.