Das unabhängige Portal rund um Automobil & Verkehr
Donnerstag, 28. März 2024
Schrift: kleiner | größer
Lesezeit: ~ 8 Minuten
Premiere des W211 am Samstag bundesweit / Großer Andrang erwartet

Fahrbericht: Erste Impressionen der neuen Mercedes E-Klasse

Siehe Bildunterschrift
Die neue Mercedes E-Klasse © DaimlerChrysler AG
Mitte Januar wurde die neue Mercedes E-Klasse (interne Baureihen-Bezeichnung W211) erstmals der Öffentlichkeit präsentiert (Autokiste berichtete ausführlich), am morgigen Samstag nun kann die neue Generation erstmals bei den Mercedes-Niederlassungen und -händlern in natura besichtigt und auch bestellt werden. Wer sich jedoch für das Auto selbst mehr interessiert als für bunte Image-Videos und Volksfest-Atmosphäre, dem empfehlen wir, die erste Besichtigung auf die nächste Woche zu verschieben: Alleine in der Niederlassung Nürnberg werden am Samstag rund 6.000 Besucherinnen und Besucher erwartet - trotz der rund 15 vorhandenen Modelle dürfte hier eine wirkliche Auseinandersetzung mit dem Auto kaum möglich sein.

Die Autokiste-Redaktion hatte heute vorab die Möglichkeit zu einer genauen Besichtigung und auch zu einer kurzen Probefahrt. Hier unsere ersten Eindrücke:

Jenseits aller unterschiedlichen Geschmäcker darf man wohl konstatieren, dass die neue Generation in punkto Design gelungen ist. Die prinzipiell bekannte Linienführung des Vorgängers wurde sanft, aber doch merklich und an allen Stellen verfeinert. Die neue E-Klasse kommt so ein gutes Stück sportlicher, aber ebenso auch deutlich eleganter als bisher auf den Markt. Die Frontansicht trägt weiterhin das bekannte Vier-Augen-Gesicht, nun aber etwas schräger, mit Klarglasscheinwerfern und einem überarbeiteten Grill. Der Eindruck von hinten: bullig, aber in allen Einzelheiten gut gezeichnet - nur die dritte Bremsleuchte könnte man sich fast besser in der Scheibe vorstellen. Die Seitenansicht profitiert insbesondere von den nun kürzeren Karosserieüberhängen - die Proportionen sind gelungen.

Mehr zur neuen E-Klasse bei Autokiste:
Vorstellung mit Fotoserie | Preise, Preisliste, 2. Fotoserie

Auch der Blick in den Innenraum erfreut den Autokiste-Redakteur: Keine Spur des auch an dieser Stelle schon oft gescholtenen "Billig-Eindrucks" aus A- und C-Klasse und insbesondere dem neuen Vaneo. Hier haben sich die Stuttgarter - endlich, darf hinzugefügt werden - wieder Mühe gegeben, auch in den Details. Das ganze Interieur wirkt hochwertig und wie aus einem Guss. Die Sitzposition auf dem x-fach (teilweise elektrisch auch in der Serienausstattung) verstellbaren Gestühl ist geradezu ideal, auch das Lenkrad ist vertikal und axial elektrisch verstellbar - mittels eines kleinen neuen Hebels unterhalb des Multifunktionsschalters (Blinker pp.). Zum Wohlfühl-Gefühl trägt auch bei, dass das "Fensterbrett" nun wieder einigermaßen bequem als Armauflage genutzt werden kann, was in vielen anderen modernen Autos (Audi, Passat, Golf) und auch im Vorgänger W210 nicht mehr gegeben ist. Die Bedienungselemente geben keinerlei Rätsel auf, alles ist an seinem Platz. Die Fensterheber-Schalter sitzen nun besser erreichbar in der Tür, die beiden Displays der (weiterhin abschaltbaren) Parkhilfe sind unauffällig in das Cockpit bzw. den hinteren Dachhimmel integriert. Alle Anzeigeinstrumente sind einwandfrei ablesbar, lediglich das verzögerte Ansprechverhalten des Tachos trübt den Eindruck etwas. Die Armaturen haben nun wieder wie zu Zeiten des Vor-Vor-Vorgängers (W123 ohne Drehzahlmesser) eine große runde Analoguhr, die auch vom Beifahrersitz gut ablesbar ist. Tank- und Temperaturanzeige sind nun kleine Digitalanzeigen - nicht wirklich schön, aber akzeptabel.

Die großzügige Beleuchtung von Innenraum und Cockpit ist ebenfalls gelungen. Je nach Ausstattungsumfang gibt es leider den ein oder anderen Blindstopfen, den man in der oberen Mittelklasse eigentlich nicht erwartet, aber es sind wenige und sie sind unauffällig gestaltet. Beim Fahren stört je nach Lichteinfall, dass sich das große Belüftungsgitter oben auf dem Armaturenbrett in der Scheibe spiegelt - das macht dann auch klar, warum es so etwas bei Mercedes bisher aus gutem Grund nicht gab. Der Zigarettenanzünder sitzt leider immer noch unter der Aschenbecher-Klappe - eine Lösung, die bei einer Handy-Nachrüstung ungünstig ist. Das kann die C-Klasse ausnahmsweise besser.

Siehe Bildunterschrift
Blick auf © DaimlerChrysler AG
die Mittelkonsole
Die Klimaanlage - jedenfalls die aufpreispflichtige Vier-Zonen-Automatik, die im Gegensatz zur serienmäßigen Anlage auch ein Display besitzt - ist einwandfrei bedienbar. Die Schalterblende in der Mittelkonsole fährt nach dem Antippen elektrisch nach oben (darunter verbirgt sich ein Fach oder der 6er-CD-Wechsler). Zusätzlich gibt es ein Brillen-/Handyfach neben dem zweistöckigen, aber kleinen Handschuhfach. Zwischen den Sitzen gibt es weitere drei Fächer, von denen eines als Cupholder nutzbar und ein weiteres im Sommer wie im Vorgänger klimatisiert ist. Im obenliegenden kleinen Fach ist das Handy montiert, das aber nahezu vollständig über die Radioeinheit bedient werden kann. Diese Konsole zwischen den Sitzen dient auch als Armauflage, ist dafür aber genau genommen etwas zu niedrig. Die früher verbauten klappbaren und im Winkel verstellbaren Armlehnen waren die bessere Lösung. Wer auf die aufpreispflichtige elektrische Sitzverstellung verzichtet, muss leider auch die Kopfstützen direkt an ihrer Halterung in der Höhe verstellen - das konnte schon der W124 (E-Klasse 1985-95) besser, nämlich mittels Rändelrand seitlich am Sitz. Dafür sind die Unterkanten der Kopfstützen nun nach vorne herausklappbar - so bequem war des Redakteurs Kopf im Auto noch nie unterwegs.

Die Radio-Navigationseinheit ist etwas "plastikmäßig" im Design, erfreut aber durch ein gutes Display und einfache Bedienung. Das optional lieferbare Glasdach lässt den Innenraum sehr hell und großzügig wirken, ist in punkto Windgeräusche recht zurückhaltend und natürlich mit innenliegenden elektrischen Rollos versehen. Die Kopffreiheit ist auch bei der Glasdach-Variante gut. Die Türen öffnen weit - nicht so weit jedoch wie bei einigen Audi-Modellen - und haben nun auch zwei mittlere Raststellungen statt deren einer.

  Interaktive Betriebsanleitung
  Am heutigen Freitag hat Mercedes eine interaktive Betriebsanleitung der neuen E-Klasse im Internet bereitgestellt, die alle Innovationen der Limousine vorstellt - zum Selbsterleben. Das Multifunktions-Display lässt sich ebenso realistisch bedienen wie das neue Radio- und Navigationssystem "Audio 50 APS". Auch das neue Innenlichtkonzept sorgt auf Wunsch für unterschiedliche Lichtsituationen. - Die interaktive Betriebsanleitung im Internet wurde erstmals bei der SL-Klasse im Herbst 2001 vorgestellt (Autokiste berichtete).

Gut umgesetzt und sehr ausführlich: E-Klasse Betriebsanleitung »
Im Fond gibt es Türtaschen, außerdem Lüftungsauslässe sowohl in der Mittelkonsole als auch seitlich in den B-Säulen. Die Aschenbecher in den Türen klappen auf Knopfdruck aus. Das Platzangebot ist gut, gefühlsmäßig aber eher kleiner als im Vorgänger. Die neue E-Klasse sitzt wie ein guter Maßanzug.

Der Kofferraum - natürlich wieder vom Innenraum und auch per Fernbedienung zu öffnen - hat wie bei modernen Autos üblich eine relativ kleine Öffnung, offenbart dann aber überraschend viel Größe. Mangels Reserverad (Notrad auf Wunsch aufpreisfrei) gibt es unter dem Laderaumboden ein weiteres wirklich großes Fach. Die Rückenlehnen der Fondsitzbank sind umklappbar. Dabei klappen die Kopfstützen automatisch zurück, und sie müssen auch bei vollständigem Umlegen auch der Sitzflächen (ergibt eine ebene Fläche) nicht demontiert werden. Sind die Rückenlehnen nicht korrekt eingerastet, gibt der Bordcomputer im Cockpit Alarm - ein sinnvolles Sicherheitsfeature.

Auf die Straße: Der Antriebskomfort darf als sehr gelungen bezeichnet werden. Abrollgeräusche, Federung und Straßenlage sind über jeden Zweifel erhaben, auch in den Modellen ohne Luftfederung. Die sogenannte "Chauffeursbremse" - ein Teil des elektrohydraulischen Bremssystems SBC, das alle Modelle serienmäßig besitzen - funktioniert einwandfrei: Wird beim Anhalten etwa an einer Ampel der Bremsdruck vor dem Stillstand nicht verringert (bei wenig geübten Fahrern häufig zu beobachten), erledigt dies die Elektronik: Ein "Nicken" beim Anhalten gibt es nicht mehr.

Der Probewagen war mit dem 2,6-Liter-Sechszylinder ausgestattet (der wenig sinnvoll als E240 verkauft wird) - eine schöne Maschine, die mit ihren 177 PS für die meisten Lebenslagen auch genügend Power mitbringt. Alleine die Kombination mit der Automatik (mit Tiptronic-Funktion) kann nicht überzeugen: Das Getriebe schaltet bei stärkerem Gasgeben oft und hektisch zurück - teilweise von Fahrstufe 5 nach 2. Das will nicht zum Charakter der großen Reiselimousine passen. Der große Bruder namens E320 kann dies natürlich besser, da die höhere Leistung auch die Automatik entspannter reagieren lässt - und sparsamer ist der große Sechszylinder nicht zuletzt deshalb obendrein.

Mehr zur neuen E-Klasse bei Autokiste:
Vorstellung mit Fotoserie | Preise, Preisliste, 2. Fotoserie

Am Ende der Probefahrt dann doch noch ein ernüchternder Moment: Nach dem Abstellen des Fahrzeuges meldet der Bordcomputer einen nicht näher spezifizierten Fehler in einer elektronischen Komponente und verkündet "Elektrische Systeme deaktiviert". Was es zu bedeuten hatte, war nicht festzustellen - und es hat den Eindruck, dass Mercedes sich langsam aber sicher wieder mehr auf alte Tugenden wie Zuverlässigkeit, Qualität und Langlebigkeit besinnt, durchaus erschüttert.

Unterstellt und gehofft, es hat sich um einen Einzelfall gehandelt, darf die neue E-Klasse jedoch als überaus gelungenes Auto gelten. Kein Zweifel, dass sich der Neue wie alle seine insgesamt rund zehn Millionen Mal verkauften Vorgängermodelle wieder großer Beliebtheit beim - zahlungskräftigen - Publikum erfreuen wird. (hsr)
text  Hanno S. Ritter
Sie befinden sich im Archiv. Meldungen und enthaltene Links können veraltet sein. Bitte beachten Sie das obenstehende Veröffentlichungsdatum dieser Nachricht. Aktuelle Auto-News finden Sie hier.