Diese Situation kennt fast jeder: Man will sein gebrauchtes Fahrzeug verkaufen und verabredet sich mit einem
Interessenten zu einer Probefahrt. Doch was, wenn der angebliche Kaufinteressent gar nicht die Absicht hat, das
Fahrzeug redlich zu erwerben? Was, wenn er nur eine günstige Gelegenheit abpasst, um sich damit davonzumachen? So
geschehen in einem vom Anwalt-Suchservice mitgeteilten Fall:
Ein Mann wollte sich von seinem gebrauchten Motorrad trennen. Auf seine Anzeige meldete sich ein Interessent, der
erklärte, sich das Krad ansehen zu wollen. Die Männer trafen sich, fachsimpelten eine Weile und begutachteten die
Maschine. Schließlich beschlossen sie, gemeinsam eine Probefahrt zu machen, und der Anbieter ließ das Kraftrad
an. Bevor er aufsteigen konnte, wurde er jedoch kurz abgelenkt und entfernte sich für Sekunden wenige Meter von
dem Fahrzeug. In diesem Moment passierte es: Der andere Mann sprang blitzschnell auf das Krad und brauste damit
davon - auf Nimmerwiedersehen.
Später wollte der Bestohlene den Schaden von seiner Kaskoversicherung ersetzt haben, doch die winkte gelassen ab.
Er habe, so hieß es, den Versicherungsfall grob fahrlässig herbeigeführt, und sie müsse daher nicht zahlen. Der
Versicherte hätte sich nicht von der laufenden Maschine entfernen dürfen. Der Streit landete vor dem OLG
Frankfurt, und dieses gab dem Versicherten Recht (Urteil vom 08.06.2001,
- 24 U 175/99 -).
Wer ein Motorrad zum Verkauf anbiete, so die Richter, brauche nicht damit zu rechnen, dasss ein angeblicher
Interessent plötzlich auf die Maschine springen und mit ihr wegfahren werde. Der angebliche Käufer habe sich
längere Zeit mit dem Anbieter unterhalten und so gleichsam in dessen Vertrauen geschlichen. Es hätte, so das
Gericht, schon eines ganz ungewöhnlichen Maßes an Misstrauen bedurft, um auch nur auf den Gedanken zu kommen, der
Mann plane einen derartig dreisten Diebstahl. Der Versicherte habe daher nicht grob fahrlässig gehandelt, und die
Assekuranz müsse zahlen.
Anders sind nach Ansicht des OLG Frankfurt dagegen Fälle zu beurteilen, in denen jemand
einem Fremden sein Fahrzeug für eine unbeaufsichtigte Probefahrt überlässt. Dies sei grundsätzlich grob fahrlässig und führe zum Verlust des Versicherungsschutzes. Ähnlich urteilten auch die Oberlandesgerichte Düsseldorf
(- U 77/98 -) und München
(- 31 U 3462/93 -). Beide nehmen in solchen
Fällen grobe Fahrlässigkeit jedenfalls dann an, wenn sich der Anbieter vom Interessenten vor der Fahrt keinerlei
Ausweispapiere zeigen lässt.