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V8 plus zwei E-Motoren: BMW X6 ActiveHybrid |
BMW |
Hybrid kommt, bald auch aus Deutschland. BMW zeigt auf der IAA die Serienversion des X6 "ActiveHybrid". Das
auffällige SUV mit zwei zusätzlichen Elektromotoren wird über 20 Prozent sparsamer als seine Basis. Trotzdem
erscheint das aufwändige und sehr teure Konzept des mit fast 500 PS stärksten Hybrid-Autos der Welt fraglich.
Der BMW X6 polarisiert. Man kann die Mischung aus Coupé, Sportwagen und SUV spannend und individuell finden
oder "total Panne", wie man so sagt, aber kaum etwas dazwischen. Mehr als normale SUVs steht der X6 für sichtbar
gemachten Luxus und eine Attitüde, die sich einen Dreck um Umweltschutz schert - obwohl ein X6 jedenfalls als
Diesel objektiv gar nicht trinkfest ist.
Umso spannender ist es, dass BMW sich ausgerechnet diesen Grenzgänger als erstes Hybridmodell ausgesucht hat.
Es ist dabei nicht nur der erste BMW-Hybrid und das stärkste Hybridauto weltweit, sondern auch das erste
Voll-Hybrid-Auto aus deutschen Landen, handelt es sich doch bei der bereits auf dem Markt befindlichen Mercedes
S-Klasse nur um einen sogenannten Mild-Hybrid. Der Unterschied: Ein Voll-Hybrid kann auch rein elektrisch fahren,
jedenfalls auf kurzen Strecken - ganz so wie der Toyota Prius als Vorreiter des Konzepts, während ein Mild-Hybrid
den Elektromotor nur als Unterstützung der Verbrennungsmaschine nutzt.
Klotzen statt kleckern ist dabei die BMW-Devise. Unter der Haube arbeitet nämlich nicht ein Sechszylinder, sondern
der bärenstarke V8-Benziner, der aus 4,4 Litern satte 407 PS leistet und ein maximales Drehmoment von 600
Newtonmetern entwickelt. Er wird kombiniert mit gleich zwei Elektromotoren, die 67 kW/91 PS bzw. 63 kW/86 PS erzeugen.
Die maximal abrufbare Systemleistung beträgt 485 PS, das Drehmoment erreicht einen Höchstwert von 780 Nm.
Durch die Integration der Elektromotoren im sogenannten Two-Mode-Aktivgetriebe, einem stufenlosen Automatikgetriebe
mit sieben programmierten Fahrstufen, werden zwei Betriebsarten realisiert. Ein Modus steht für das Anfahren mit
besonders dynamischer Kraftentfaltung sowie für niedrige Geschwindigkeiten zur Verfügung, der zweite ist für das
Fahren mit höherem Tempo optimiert. Lokal CO2-freies Fahren im Elektro-Modus ist bis zu einer Geschwindigkeit von
60 km/h möglich. Der Verbrennungsmotor wird je nach Lastanforderung zugeschaltet und in Schubphasen unterhalb von
65 km/h automatisch abgeschaltet.
Beim Bremsen beziehungsweise Gaswegnehmen wird Bewegungsenergie in Strom umgewandelt und im Akku gespeichert.
Zu diesem Zweck übernehmen je nach Fahrsituation entweder einer oder beide Elektromotoren die Funktion eines Generators.
Die Rekuperationsleistung liegt dabei laut BMW um das 25-fache höher als bei dem bislang in BMW-Serienmodellen
eingesetzten System.
Bei der Batterietechnik setzen die Münchner beim X6 nicht auf die moderne Lithium-Ionen-Technik, sondern auf einen
NiMH-Akku mit einer Kapazität von 2,4 Kilowattstunden, der unterhalb des Gepäckraumbodens positioniert ist und auch
das Bordnetz des Fahrzeugs versorgt. Die Temperatur des Hochvolt-Speichers wird über eine mit der - elektrischen -
Klimaanlage gekoppelte Flüssigkeitskühlung und einen externen Wärmetauscher bedarfsgerecht geregelt.
Für Zusammenwirken von Verbrennungsmotor und Elektroantrieb sorgt eine leistungsfähige Elektronik. Sie wandelt
Hochvolt-Gleichspannung aus der Hochleistungsbatterie in eine dreiphasige Wechselspannung für die zwei Elektromotoren
im Hybridgetriebe um. Zusätzlich koordiniert sie alle Funktionen des Hybridsystems einschließlich der Momentenverteilung
zwischen dem Verbrennungs- und den Elektromotoren sowie der Gangwahl.
Betriebszustand und Funktionsweise des Antriebsystems werden anhand von modellspezifischen Anzeigen im Instrumentenkombi
und im Control Display dargestellt. Unterhalb des Drehzahlmessers sind der für den Fahrer nutzbare Ladezustand des Akkus
und der aktuelle Betriebszustand ablesbar. Durch die Anzeige der Leistungsaufnahme beim elektrischen Fahren ist eine
gezielte Steuerung zum Verbleiben im E-Modus möglich. Bei Bedarf können Informationen über den aktuellen Energiefluss
über den Navi-Monitor abgerufen werden.
Und wofür der ganze Aufwand, mag man fragen. Fürs Image, lautet die Antwort, außerdem als Testballon für künftige
Hybridmodelle in kleineren Klassen - sowohl in punkto öffentlicher Wirkung als auch im Hinblick auf die Technik.
Und natürlich, um das eigentliche Zeil eines Hybridantriebs zu erreichen, nämlich eine Effizienzsteigerung. Im Falle
des X6 bedeutet dies einen Normverbrauch von 9,9 Litern, das sind immerhin 2,9 Liter oder gut 22 Prozent weniger als
regulär. Wenn ein bald 2,5 Tonnen schweres Auto mit 500 PS aus acht Zylindern unter zehn Liter verbraucht, ist das
zweifellos ein deutlicher Fortschritt.
Andererseits man man einwenden, dass auch zehn Liter Verbrauch nicht in die Zeit passen, dass der auch nicht ganz
langsame X6-Diesel (286 PS) ohne jeden Elektrifizierungsaufwand mit 8,3 Litern zufrieden ist, und dass der Hybrid-X6
im Standardsprint auf Tempo 100 sogar langsamer ist als das elektrofreie Pendant (5,6 zu 5,4 Sekunden). Das ist
sicher verschmerzlich für jene, die sich als Trendsetter ein solches Hybridmodell vors Haus stellen und damit
mindestens nebenbei die soziale Akzeptanz des Wagens in der Nachbar- und Kollegenschaft erhöhen wollen.
Finanziell aber müssen sie bluten: Wenn das Auto Mitte April 2010 zu den Händlern kommt, wird auf dem Preisschild
die Zahl 102.900 stehen, sage und schreibe 27.000 Euro mehr als regulär. - Das soll die Zukunft sein?