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Wie der VW-Chef sein Flaggschiff kaputtredet
Editorial: Volkswagen, Pischetsrieder und der Phaeton
Volkswagen-Chef Bernd Pischetsrieder hat in einem Interview mit dem britischen Automagazin "Car" den Phaeton oder
genauer dessen Konzept dieser Tage als "Fehler" bezeichnet. Das Auto sei, so Pischetsrieder, "nicht unverwechselbar
genug" und an den Kundenwünschen vorbeigeplant. Es sei falsch gewesen, den Phaeton als klassische Stufenheck-Limousine
zu bauen.
Mit Verlaub, das sehe ich völlig anders. Gerade in der Oberklasse sind Experimente mit anderen Fahrzeugtypen bisher
immer schief gegangen, egal, von welchem Hersteller sie kamen. Erinnert sei, wenn der Vergleich auch nicht völlig passt,
etwa an den durchaus innovativen, aber auffallend erfolglosen Renault Avantime. Kunden in dieser Klasse bevorzugen nun
einmal die klassische Stufenheck-Form einer Limousine, was viel mit Image und Konventionen zu tun hat, aber auch damit,
dass eine Limousine längst nicht so ein unpraktisches oder veraltetes Konzept ist, wie uns manch ein Hersteller oder Teile
der Medien glauben machen wollen.
Dass sich der Phaeton nicht besonders gut verkauft, ist schon wahr. Andererseits konnte das aber auch niemand ernsthaft
erwarten. Der Aufstieg in die Oberklasse ist eines der schwierigsten Projekte eines Autobauers - das war immer so
und das wird auch so bleiben. Man denke nur daran, wie lange Audi gebraucht hat, um sich von einem ersten Audi 200 so
weit hochzuarbeiten, dass der A8 in einem Atemzug mit dem BMW Siebener und der S-Klasse genannt wird und bisweilen
sogar die Zulassungsstatistik anführt. Ein gutes Produkt reicht dafür eben bei weitem nicht aus. Wenn man bei VW
ernsthaft mit schnell wachsenden Absatzzahlen gerechnet hat, dann war das einfach naiv. Gefragt ist jetzt
Durchhaltevermögen, womöglich über Jahre - und dann ist durchaus vorstellbar, dass der Phaeton II das schafft, was das
Ingolstädter Flaggschiff vorgemacht hat.
Ein gutes und wettbewerbsfähiges Auto ist der Phaeton nämlich allemal - man denke nur an den für viele unerwarteten Sieg
in einem ersten Vergleichstest mit den beiden Konkurrenten aus Stuttgart und Ingolstadt in einem bekannten deutschen
Automagazin. Über Geschmacksfragen kann man vortrefflich streiten, keine Frage, aber ich persönlich halte den Phaeton
auch für ein schönes Auto: Nicht ganz so elegant vielleicht wie A8 und S-Klasse, dem aktuellen Siebener aber weit
überlegen, und im Interieur mit Abstand das gelungenste Auto im Segment. Wer den Phaeton noch immer als "aufgeblasenen
Passat" abkanzelt, hat eben nichts verstanden und vielleicht nur nicht den Mumm, solche Vergleiche auch einmal bei
den "Etablierten" anzustellen. Ernsthaft vorwerfen kann man dem Phaeton doch höchstens sein überdurchschnittliches
Gewicht wegen des unumgänglichen Allradantriebs und die dadurch verursachten Trinkgewohnheiten.
Wenn Pischetsrieder jetzt öffentlich das komplette Konzept kritisiert, dann erweist er dem Auto und nicht zuletzt
seiner Belegschaft in Dresden einen Bärendienst, um es vorsichtig zu formulieren. Wer will schon, zumal in dieser
Preisklasse, ein Auto fahren, dass vom Hersteller selbst in Frage gestellt wird? Bei allem Verständnis für Ehrlichkeit,
die man sich eigentlich viel öfter von Autobossen und den PR-Abteilungen der Hersteller wünscht, halte ich das für
einen Kommunikations-GAU.
Und weil die Phaeton-Entwicklung in die Amtszeit von Pischetsrieders Vorgängers Piëch fiel, wird man fragen dürfen, ob
solche Äußerungen nicht auch ein bisschen unfair und unfein sind. Wie würde es Pischetsrieder finden, nach dem Ausscheiden
als VW-Chef von seinem Nachfolger, dem er persönlich den Job verschafft hat, so kritisiert zu werden? Besser wäre es,
er selbst würde dafür sorgen, dass Volkswagen möglichst schnell aus der Krise kommt. Etwa dadurch, dass er seine eigenen
Fehler konsequent und schnell angeht:
Warum etwa gibt es den Lupo-Nachfolger, am anderen Ende der Welt schon lange auf den Straßen, noch nicht?
War es wirklich schlau, keinen Golf Kombi mehr zu bauen? Warum wurde das Hickhack um den Microbus nicht früher
beendet? Wie kann es eigentlich sein, dass beim Phaeton auch in der neuesten Preisliste Selbstverständlichkeiten wie
Lichtsensor oder Einparkhilfe Aufpreis kosten? Und wo bleibt vor allem der schon lange angekündigte Sechszylinder-Diesel
für jene, die den V10 TDI zwar faszinierend, aber auch übertrieben und überteuert finden?
Warum hat Pischetsrieder es zugelassen, dass der neue Golf nur noch einen Rückfahrscheinwerfer und kein separiertes
Bremslicht mehr hat, im Interieur in den Augen vieler einen Rückschritt zum Vorgänger darstellt, so schlecht beworben
wurde, und und und? Und - wo zum Teufel bleibt der Rußfilter für die gesamte Modellpalette? Was Mercedes und BMW, was
Ford und Opel - von Peugeot ganz zu schwiegen - zumindest in Teilen schaffen, sollte doch auch in Wolfsburg möglich
sein? Es würde mutmaßlich nicht nur der Gesundheit der Menschen dienen, sondern auch dem VW-Umsatz. Bei Mercedes
bestellen nach Unternehmensangaben bereits über 80 Prozent der Kunden den Partikelfilter und zahlen Aufpreise dafür.
Nicht unwahrscheinlich, dass Pischetsrieder etliche Golf-, Touran-, Passat- und vielleicht auch den ein oder anderen
Phaeton-Kunden wegen eben dieser Kleinigkeit verliert.
Sicher, auch Piëch wird Fehler gemacht haben. Aber manchmal beschleicht einen das Gefühl, dass jene bösen
Zungen, die behaupten, sein größter Fehler sei die Wahl seines Nachfolgers gewesen, nicht so ganz Unrecht haben.
Oder war das gar nur ein letzter, genialer (und egoistischer) Schachzug des Ferdinand Piëch?
text Hanno S. Ritter
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