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Samstag, 20. April 2024
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59 km/h zu schnell an bekanntem Ort ist vorsätzliche Begehung

Urteil: Kein Fahrverbot bei langer Verfahrensdauer

Ein Fahrverbot kann seinen Sinn verlieren, wenn zwischen dem Verkehrsverstoß und dem Wirksamwerden der Maßnahme ein erheblicher Zeitraum liegt und in der Zwischenzeit kein weiteres Fehlverhalten im Straßenverkehr festgestellt werden konnte. Das hat jetzt der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Karlsruhe entschieden und damit ein vom Amtsgericht Karlsruhe zuvor verhängtes Fahrverbot gegen einen 38jährigen Versicherungskaufmann aufgehoben.

Der Mann hatte im Februar 2002 in Rheinstetten die B 36 befahren und die dort geltende Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h missachtet. Dabei geriet er in eine Verkehrskontrolle, wobei nach Abzug der Toleranz eine Geschwindigkeit von 129 km/h gemessen wurde. Daraufhin erhielt er im April 2002 einen Bußgeldbescheid mit der Regelstrafe von 150 Euro, vier Punkten und einem Monat Fahrverbot. Dagegen legte der Mann Einspruch ein und beanstandete insbesondere die Ordnungsgemäßheit der mittels eines Lasermessgeräts durchgeführten Geschwindigkeitsmessung. In der Folgezeit verzögerte sich das Verfahren, weil das Gericht ein umfangreiches Sachverständigengutachten einholte, anberaumte Gerichtstermine mehrfach verlegt werden mussten und Zustellprobleme auftraten. Im Juli 2003 verurteilte das Amtsgericht den Betroffenen sodann wegen vorsätzlicher Geschwindigkeitsüberschreitung, erhöhte die nach dem Bußgeldkatalog vorgesehene Regelbuße von 150 Euro auf 300 Euro, weil der ortskundige Betroffene die Geschwindigkeit vorsätzlich überschritten habe, und ordnete ein Fahrverbot von einem Monat an.

Die hiergegen von dem Betroffenen eingelegte und im April 2004 beim Oberlandesgericht Karlsruhe eingegangene Rechtsbeschwerde hatte nun teilweise Erfolg. Der 1. Strafsenat hat den vom Betroffenen angegriffenen Schuldspruch wegen vorsätzlicher Tatbegehung bestätigt, jedoch die Geldbuße auf 200 Euro herabgesetzt und das Fahrverbot aufgehoben:

In Anbetracht der Ortskundigkeit des Betroffenen und einer Überschreitung der zulässigen Geschwindigkeit von 59 km/h sei das Amtsgericht zu Recht von einer vorsätzlichen Tatbegehung ausgegangen. Dies rechtfertige auch eine Erhöhung der Regelbuße, da der Bußgeldkatalog grundsätzlich von fahrlässiger Begehungsweise ausgehe, jedoch keine pauschale Verdoppelung, weshalb der Senat das Bußgeld auf 200 Euro festgesetzt hat. Auch sei eine Verhängung eines Fahrverbots grundsätzlich gerechtfertigt, wovon nur in Ausnahmefällen abgewichen werden könne. Ein solcher könne hier allerdings bejaht werden, entschieden die Richter.

Ein Fahrverbot habe nach der gesetzgeberischen Intention nämlich eine Erziehungsfunktion und sei als "Denkzettel- und Besinnungsmaßnahme" gedacht und ausgeformt. Von ihm solle eine warnende Wirkung auf den Betroffenen ausgehen und ihn anhalten, sich künftig verkehrsordnungsgemäß zu verhalten. Das Fahrverbot verliere aber dann seinen Sinn, wenn zwischen dem Verkehrsverstoß und dem Wirksamwerden der Maßnahme ein erheblicher Zeitraum liege und in der Zwischenzeit kein weiteres Fehlverhalten im Straßenverkehr festgestellt werden könne. In einem solchen Fall könne der spezialpräventive Zweck der Maßnahme bereits durch die lange Zeit des Schwebezustandes und die für den Betroffenen damit verbundene Ungewissheit über das Fahrverbot erreicht sein.

Da vorliegend rund zwei Jahre und zwei Monate zwischen der Tat und ihrer Ahndung lägen, was überwiegend nicht dem Betroffenen angelastet werden könne, könne ausnahmsweise vom Fahrverbot abgesehen werden. Der Mann war seit der Geschwindigkeitskontrolle nicht wieder negativ im Straßenverkehr aufgefallen.
text  Hanno S. Ritter
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