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ARCHIVMit Ratgeber: Wissenswertes zum Thema Unfallflucht in Kürze
Urteil: Wegfahren heißt nicht immer auch flüchten
Auf eine interessante Entscheidung zum Thema Unfallflucht, die das Oberlandesgericht Stuttgart (Urteil vom 22.05.2003,
- 4 Ss 181/2003 -) gefällt hat, weist der ADAC hin: Danach kann ein Autofahrer nur dann wegen Unfallflucht
belangt werden, wenn er bei einem Unfall auch gegen die Verkehrsregeln verstoßen hat und damit zweifelsfrei am Unfall
beteiligt war.
Im vorliegenden Fall, über den die ADAC-Rechtszeitschrift berichtet (DAR 10/2003, 475), hatte ein Autofahrer links
geblinkt, gebremst und angehalten, um auf einen Parkplatz abzubiegen. Daraufhin war es hinter ihm zu einem Auffahrunfall
gekommen. Die beiden am Unfall beteiligten Autofahrer warfen dem Linksabbieger vor, durch sein plötzliches Bremsen den
Unfall verursacht zu haben. Außerdem beschuldigten sie ihn der Unfallflucht, weil er auf seinen Parkplatz fuhr und wegging,
ohne sich um den Blechschaden der beiden Autofahrer zu kümmern.
Das Gericht stellte jedoch klar, dass es zu dem Auffahrunfall nur gekommen sei, weil die nachkommenden Autofahrer
unaufmerksam waren und den Mindestabstand nicht einhielten. Der angeklagte Autofahrer habe sich beim Abbiegen korrekt
verhalten. Er sei nur die Ursache für den Fahrfehler der anderen gewesen, nicht aber Unfallverursacher und deshalb auch
nicht Unfallbeteiligter. Daran ändere auch der Zuruf der Kläger nichts, der Linksabbieger sei schuld am Unfall und solle
anhalten.
Letztlich widerspricht das Urteil, jedenfalls aus Laiensicht, prinzipiell dem Gesetzestext: In § 142 Abs. 5 StGB heißt es,
Unfallbeteilgter sei "jeder, dessen Verhalten nach den Umständen zur Verursachung des Unfalls beigetragen haben kann" -
wer das nach dem Wortlaut auslegt, merkt, wie dünn das Eis ist, auf dem der Betroffene hier noch mal ohne
Führerscheinverlust und Geldstrafe davon gekommen ist. Man kann daher jedem, der in eine vergleichbare Situation kommt,
nur empfehlen, am Unfallort zu bleiben, bis die Polizei eintrifft.
Und das ist auch der Tipp, der nie verkehrt ist - auch bei Bagatellschäden: Grundsätzlich muss ein Unfallbeteiligter am
Ort des Geschehens verbleiben und eine "angemessene Zeit" auf den Geschädigten warten. Was angemessen ist, muss von Fall
zu Fall und in Abhängigkeit der besonderen Umstände entschieden werden. Zu den Umständen gehört etwa die geschätzte
Schadenshöhe, die Tageszeit und der Ort. Im Zweifel kann man einen Zeitraum von - mindestens - 15 Minuten zugrundelegen,
so ADAC-Jurist Dr. Markus Schäpe.
Hat der Unfallverursacher während der viertelstündigen Wartezeit nicht die Gelegenheit, dem Geschädigten seine Personalien
zu geben, muss er unverzüglich die Polizei informieren. "Es reicht keinesfalls aus, einfach eine Visitenkarte hinter den
Scheibenwischer zu klemmen", so Schäpe. Auch ist es nicht erlaubt, nach Hause zu fahren, und erst nach
reiflicher Überlegung die Polizei von dem Schaden in Kenntnis zu setzen. Dann macht man sich ebenfalls der Unfallflucht
strafbar und riskiert neben einer Geldstrafe auch den Führerschein. Zudem kann die Versicherung Regress für den Schaden am
Fremdfahrzeug nehmen. Kommt der Geschädigte also nicht und ist in der näheren Umgebung auch nicht ausfindig zu machen,
sollte unbedingt die Polizei noch von Ort und Stelle aus informiert werden. Streng genommen macht sich auch jener
strafbar, der etwa unterwegs zur Telefonzelle erwischt wird, wenn der Geschädigte in der Zwischenzeit die Polizei
informiert hat. Glaubt man dem Schädiger nachher nicht, genau diesen Anruf getätigt haben zu wollen, ist ebenfalls Ärger
vorprogrammiert.
Die seit April 1998 ermöglichte "tätige Reue" ist übrigens, wie vielfach angenommen, keine echte Alternative: Sie
verspricht lediglich eine Strafvergünstigung, wenn der Unfallverursacher sich innerhalb von 24 Stunden nach dem
Parkrempler doch noch bei der Polizei meldet, aber (in der Regel) keine Straffreiheit. Und, natürlich, gilt diese
Regelung nur für Bagatellschäden.
Apropos: Als Unfall gilt nach der Rechtsprechung jeder Schaden, bei dem die geschätzten Reparaturkosten mehr als 20 Euro
betragen. Während also ein verbeultes Nummernschild noch als Lappalie durchgeht, sind Kratzer oder Dellen in Lack oder
Stoßstange keineswegs belanglose Schäden.
text Hanno S. Ritter
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