Wer sich motorisiert fortbewegt, muss mit einigem rechnen. Insbesondere mit dem Fehlverhalten der anderen
Verkehrsteilnehmer. Alles kann allerdings auch der routinierteste Fahrer nicht vorhersehen. Das zeigt ein vom
Anwalt-Suchservice berichteter Fall:
Eine Motorradfahrerin war auf einer Straße unterwegs, deren Spuren durch einen Mittelstreifen und eine Leitplanke getrennt
waren. An einem Durchbruch des Mittelstreifens tauchte vor ihr plötzlich die Motorhaube eines Autos auf. Der Fahrer des
Wagens schien sich verfahren zu haben und wollte den Durchbruch nutzen, um dort verbotswidrig zu wenden. Obwohl sich die
Kradfahrerin an die zulässige Höchstgeschwindigkeit hielt, konnte sie nicht mehr rechtzeitig reagieren. Nahezu ungebremst
streifte sie die Front des Autos und stürzte. Bei dem Unfall zog sich die Frau schmerzhafte Verletzungen an Unterleib und
Beinen zu. Die Heilung zog sich über Monate hin. Ein geplanter Familienurlaub fiel ins Wasser.
Nach ihrer Genesung verklagte die Bikerin den Autofahrer auf Schmerzensgeld. Der Mann weigerte sich zu zahlen und vertrat
die Ansicht, die Frau sei an dem Unfall mit schuld. Sie sei, so meinte er, zu schnell gefahren. Die Bikerin hätte ihre
Geschwindigkeit vor dem Mittelstreifendurchbruch drosseln müssen und nicht ungebremst weiterfahren dürfen.
Das Kammergericht Berlin entschied jedoch anders: Die Motorradfahrerin, so die Richter, habe nicht damit rechnen müssen,
dass ein aus der Gegenrichtung kommender Verkehrsteilnehmer den Mittelstreifendurchbruch regelwidrig zum Wenden nutzen
würde. Sie sei daher auch nicht dazu verpflichtet gewesen, ihre Geschwindigkeit zu drosseln. Der Autofahrer habe den Unfall
allein verursacht und müsse ihr ein angemessenes Schmerzensgeld zahlen. In Anbetracht der Schwere der Verletzungen, der
Heilungszeit und des ausgefallenen Familienurlaubs seien 2.000 Euro als Wiedergutmachung angebracht, so die Richter
(Kammergericht Berlin, Urteil vom 01.10.2001,
- 12 U 2139/00).