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Völlig neu: Jaguar XJ |
Jaguar |
Gentlemen, please hold: Mit einem Paradigmenwechsel geht auch der dritte und letzte Modellwechsel bei
Jaguar einher: Aus der klassischen englischen Luxuslimousine XJ wird ein moderner Oberklasse-Vertreter,
der außer dem Namen kaum mehr etwas mit dem Vorgänger zu tun hat.
Mut haben sie bei Jaguar, keine Frage: Wer aus einer betont klassisch gezeichneten Limousine
mit britischem Flair nach 41 Jahren in der achten Generation ein Auto macht, das optisch so gar
nichts mit dem Vorgänger zu tun hat, muss um Aufmerksamkeit nicht buhlen.
Eine Kehrtwende hatte der inzwischen in indischer Hand befindliche Hersteller bereits beim XK und
insbesondere beim XF als Nachfolger des S-Type vollzogen. Nicht jedem hat das geschmeckt, aber alles in
allem darf der Schwenk als gelungen gelten - und so ist es nur logisch, wenn er nun mit dem neuen XJ
ganz ähnlich vollzogen wird. Ein nochmaliger Neuaufguss der zweifelsfrei schönen alten XJ-Form hätte
kaum erfolgreich werden können - weder optisch, noch bei den Verkaufszahlen. Britisches Understatement
alleine reicht nicht mehr, um wirtschaftlich halbwegs profitable Stückzahlen zu erreichen - ein
ernstzunehmender Konkurrent von S-Klasse, 7er, A8 und in gewisser Weise auch den erfolgreichen
Bentley-Modellen zu sein, ist oberste Pflicht für Jaguar.
Am Donnerstag Abend (9.7.) war es nun also soweit, Jaguar ließ die Katze aus dem Sack: In der Galerie der
Werbeikone und des erklärten Auto-Fans Charles Saatchi im Londoner Stadtteil Chelsea durfte US-Showhost Jay
Leno vor über 500 geladenen Gästen das Tuch von der neuen Limousine lupfen.
An der ist also nichts mehr wie am alten Modell. Drei-Box-Design? Gibt es nicht mehr, Schrägheck
statt Stufenheck lautet die Devise. Kleine Doppel-Rundscheinwerfer? Ersetzt durch zusammengekniffene
Augen mit LED-Unterlid. Länglicher Grill und aufgesetzt wirkende Stoßstange? Stattdessen ein höherer
Grill integriert in einer wuchtigen Frontschürze. Vertikale Luftauslässe am vorderen Kotflügel?
Ein horizontales Bauteil findet sich jetzt dort. Spaltmaße wie an einem alten Golf? Geschichte, auch
die Details sehen jetzt nach "Premium" aus.
Auch am Heck hat Jaguar-Chefdesigner Ian Callum Revolution statt Evolution betrieben: Die Leuchten
stehen jetzt vertikal und sind komplett in LED-Technik ausgeführt, das Kennzeichen wandert in die
Heckschürze, die Chromleiste mit dem großen Jaguar-Schriftzug wird durch den "Leaper" - die zum
Sprung ansetzende Wildkatze - ersetzt. Man fragt sich, warum Jaguar auf dieses Gestaltungsmerkmal
erst jetzt kommt - und warum die Katze nicht auch den Kühlergrill schmückt.
Seine optische Präsenz bezieht das große Auto natürlich durch das für die Klasse (bisher) ungewöhnliche
Schrägheck, wie es in grundsätzlich ähnlicher Form auch bei Porsche Panamera oder am künftigen Audi A7
zu finden ist. Jaguar betont die Bauart sogar noch durch das nun separate dritte Seitenfenster, den langen
Karosserie-Überhang und eine teilweise mit schwarzem Glas bedeckte D-Säule. Überhaupt: Glas und Helligkeit
sind zentrale Elemente der Neuauflage. Das Panorama-Glasdach, von außen dunkel bis schwarz wirkend, ist
serienmäßig.
Neues Innenraum-Ensemble mit virtuellen Analog-Instrumenten
Auch das Interieur hat Jaguar mehr als nur aufgefrischt. So ersetzt der im XK und XF eingeführte,
automatisch aus der Mittelkonsole herausfahrende "JaguarDrive Selector" nun auch im XJ den
konventionellen Automatik-Wählhebel. Die Sechsgang-Automatik vom deutschen Spezialisten ZF kann
auch über Lenkradpaddles bedient werden.
Anstelle konventioneller Instrumente gibt es ein 12,3-Zoll-Panel, auf der die jeweiligen Informationen
- im bekannten Analogstil - variabel aufgespielt werden, ähnlich dem System im 7er-BMW. Bereits aus der S-Klasse
bekannt ist der 8-Zoll-Monitor der Mittelkonsole, der Fahrer und Beifahrer unterschiedliche Inhalte anzeigen
kann, etwa einerseits Fahrzeuginformationen und Navi-Hinweise, andererseits einen Spielfilm. Er ist als
Touchscreen ausgelegt und dient auch der Steuerung von Klimaanlage, Radio und Festplatten-Navi.
Im übrigen können sich potentielle Kunden auf einen erhöhten Lederanteil freuen, der jetzt auch die Instrumententafel
umfasst, auf eine zentrale Analog-Uhr mit Ziffernblatt aus gedrehtem Metall und mehr Individualisierungsmöglichkeiten
bei Lederfarben und Holzsorten. An die modern-kalte blaue Ambiente-Beleuchtung dürften sich manche Kunden dagegen erst
gewöhnen müssen.
Drei Motoren zwischen 275 und 510 PS
Noch ein Blick auf die Motoren: In Deutschland markiert der Fünfliter-V8 mit 510 PS die Spitze, dessen
Kompressor die Techniker das bekannte "Heulen" abgewöhnt haben wollen. Die gleiche Maschine ohne zusätzliche
Aufladung kommt auf 385 PS. Die 3,0-, 3,5- und 4,2-Liter Varianten entfallen. Wer es "politisch korrekt" will,
kann den neuen Dreiliter-Diesel mit 275 PS und 600 Newtonmeter Drehmoment ordern, der das Jaguar-Flaggschiff
in 6,4 Sekunden auf Tempo 100 beschleunigt und sich mit nur 7,0 Litern Normverbrauch (fast) an die Spitze der
Oberklasse setzt.
Erwähnenswert ist im übrigen das serienmäßig adaptiv gedämpfte Fahrwerk mit Luftfederung und
Niveauregulierung an der Hinterachse. Je nach Variante kommen 18-, 19- oder 20-Zoll-Räder zum Einsatz.
Im übrigen übernimmt der XJ viele Technikbausteine und auch die aktive Motorhaube für verbesserten
Fußgängerschutz von XK und XF. Die Karosserie besteht aus einem weiterentwickelten Alu-Monocoque, das
mittels Nieten und Klebstoff zusammengehalten wird und bereits aus 50 Prozent Recyclingmaterial besteht.
Neu auf der Optionsliste sind u.a. ein radargestütztes System zur Überwachung des "Toten Winkels", eine
Massagefunktion und variable Seitenpolster für die Vordersitze, belüftete Fondsitze, Rückfahrkamera,
Fernlichtassistent sowie - tatsächlich aufpreispflichtig - Kurven- und Abbiegelicht.
Die Markteinführung des automobilen Kunstwerks (Jaguar über den XJ) erfolgt Anfang 2010 - zunächst mit
dem Turbodiesel und der Sauger-Version des V8. Die Kompressor-Variante folgt einige Monate später.
Bestellungen für alle Modelle neben die Händler bereits ab sofort entgegen; der Diesel kostet ab 76.900 Euro.
Auch wenn das 7.000 Euro mehr sind als bisher, dürfte Jaguar jedenfalls vorerst keine Probleme haben, das
Flaggschiff zu verkaufen. Wir schließen mit einem letzten Novum: Sogar die um 12,5 Zentimeter verlängerten
Modelle mit langem Radstand sind bereits bestellbar.