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Die Lkw-Maut
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© Toll Collect GmbH
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Der frühere Bundesverkehrsminister Kurt Bodewig (SPD) wehrt sich gegen Vorwürfe, er trage die Hauptverantwortung für die
Pannen bei der Einführung der Lkw-Maut. "Es ist sehr viel Unsinn erzählt worden", sagte Bodewig am Montag im
ZDF-Morgenmagazin. Der von ihm ausgehandelte Vertrag mit dem Betreiberkonsortium Toll Collect sehe klare Vertragsstrafen
und eindeutige Schadenersatzregelungen vor.
Bodewig befürwortete, die Verträge zu veröffentlichen. Damit könne man nachweisen, dass das Bundesverkehrsministerium
seinerzeit "sehr sorgfältig" gearbeitet hätte. Der ehemalige Minister zeigte sich überzeugt, dass Toll Collect
für die Startverzögerungen haften müsse.
Unterdessen wird ein Maut-Start zum 2. November immer unwahrscheinlicher. "Die Welt" berichtet unter Berufung auf
BAG-nahe Kreise, wegen der anhaltenden technischen Probleme sei mit einer Verzögerung von einem halben Jahr zu rechnen.
Das BAG (Bundesamt für Güterverkehr) ist als dem Bundesverkehrsministerium (BMVBW) unterstellte Behörde für die
Betriebsgenehmigung des satellitengestützten Abrechnungssystems verantwortlich; sie hatte bereits den ursprünglichen
Starttermin am 31. August verhindert. Laut "Welt" treffen sich heute und am morgigen Dienstag Vertreter von
Toll Collect, BAG und BMVBW zu einem "Workshop", um die Situation zu besprechen. Toll Collect ist eine Tochtergesellschaft
von DaimlerChrysler und Telekom. In der vergangenen Woche hatte das Unternehmen rund 20.000 der Mauterfassungsgeräte
in den Fahrzeugen - sogenannte On Board Units (OBUs) - zurückgerufen (Autokiste berichtete).
Der Bund verliert durch die Verzögerungen nach eigenen Angaben 156 Millionen Euro jeden Monat. Sollte das Projekt also
tatsächlich erst in einem halben Jahr starten können, geht es hier inklusive der weiteren Kosten für Verhandlungen,
Gutachten und Personal sowie der Einnahmeausfälle bei der Lkw-Vignette schnell um 1 Milliarde Euro und mehr, die im
Bundeshaushalt bereits eingeplant waren.
Die Süddeutsche Zeitung (SZ) berichtet heute von den technischen Problemen in der Praxis. Das System, so schreibt die
Zeitung, kenne "Hamburg Hafen" nicht als Ziel, genauso wenig wie die Stadt Karlsruhe. Außerdem würden häufig völlig
falsche Routen berechnet und zu kurze Fahrtzeiten festgelegt, die Staus und gesetzlich vorgeschriebene Ruhezeiten
nicht berücksichtigten. Ferner seien dem System bereits registrierte Lkw bisweilen unbekannt. "So einen Mist muss ich
doch nicht entwickeln", zitiert die SZ den Disponenten einer großen Spedition.
Weiter hieß es, inzwischen liege eine erste Klage einer Spedition gegen Toll Collect vor, zahlreiche weitere seien
in unmittelbarer Vorbereitung. Die Speditionen verlangen vom Maut-Betreiber Schadenersatz für die Ausfallzeiten der
Lkws bei Montage und Austausch der OBUs.