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Freitag, 19. April 2024
Gericht: Beim Ausparken müssen immer beide Richtungen abgesichert werden

Urteil: Ausparker in Einbahnstraße muss mit Falschfahrer rechnen

Wer rückwärts fährt, hat eine besondere Sorgfaltspflicht – und entsprechend oft die Schuld bei dabei sich ereignenden Unfällen. Dies gilt im Einzelfall auch dann, wenn sich ein anderes Auto in einer Einbahnstraße aus der falschen Richtung nähert, entschied jetzt ein Gericht.
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Wer rückwärts aus einer Parkbucht auf einem Autobahnparkplatz ausparken will, muss sich zuvor vergewissern, dass die Straße frei ist - und zwar in beiden Richtungen, auch wenn es sich um eine Einbahnstraße handelt. Das geht aus einem Gerichtsentscheid hervor, der einen entsprechenden Fall bei Melle (Niedersachsen) zur Grundlage hatte.

Dort kollidierte ein Pkw-Fahrer bei einem solchen Ausparkmanöver mit einem Transporter der Straßenbaubehörde. Beide gaben sich anschließend gegenseitig die Schuld und forderten jeweils Schadensersatz voneinander. Juristen nennen das "Klage und Widerklage".

In diesem Fall siegte die Behörde auf ganzer Linie. Das Landgericht Oldenburg entschied, der behördliche Fahrer habe die Einbahnstraße in entgegengesetzter Richtung befahren dürfen, weil es sich um eine Fahrt zur Kontrolle des Parkplatzes auf mögliche Schäden gehandelt habe und ein Befahren entgegen der Einbahnstraße laut des gerichtlichen Sachverständigen dafür erforderlich gewesen sei. Das Behördenfahrzeug sei auch ordnungsgemäß durch weiß-rote-weiße Warneinrichtungen gekennzeichnet gewesen und extrem langsam gefahren.

Das wollte der Pkw-Fahrer nicht akzeptieren und rief das Oberlandesgericht an. Er argumentierte, er habe mit dem seiner Ansicht nach verbotswidrigen Verhalten des Behördenmitarbeiters nicht rechnen müssen. Dieser hätte den Bereich auch unschwer zu Fuß kontrollieren können.

Das sah der Senat jedoch anders. Der Mann hätte beim Ausparken beide Fahrtrichtungen absichern müssen, so das Gericht. Er habe damit rechnen müssen, dass ein Fahrzeug mit Sonderrechten oder ein Fußgänger die Einbahnstraße in der entgegengesetzten Richtung nutze. Der Behördenmitarbeiter habe sich auch ordnungsgemäß verhalten, indem er das ihm gesetzlich eingeräumte Sonderrecht wahrgenommen habe. Für ihn sei der Unfall auch im konkreten Fall nicht mehr vermeidbar gewesen. Ein Autofahrer müsse sich beim Rückwärtsausparken laufend darüber vergewissern, dass niemand zu Schaden komme; der übrige Verkehr dürfe darauf vertrauen, dass der Ausparkende auch bei einem bereits begonnenen Ausparkmanöver andere Verkehrsteilnehmer wahrnehme und darauf reagiere.

Der Mann nahm seine Berufung nach einem entsprechenden Hinweis des OLG (Beschluss vom 23.04.2018, - 4 U 11/18 -) aus Kostengründen zurück.
text  Hanno S. Ritter
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