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Donnerstag, 28. März 2024
18 Monate nach Rückruf-Start keine Plakette mehr

Abgasskandal: Rückruf-Verweigerern droht doch TÜV-Entzug

Über die Frage, wie die TÜVs respektive die anderen Prüforganisationen mit Autos aus dem VW-Konzern verfahren, die nicht am Diesel-Rückruf teilgenommen haben, gab es zuletzt Verwirrung. Nun hat sich der Bund offenbar für eine drastische Maßnahme entschieden. Betroffene können sich aber noch Zeit verschaffen.
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Besitzern von VW-Dieselfahrzeugen, die ihre vom Abgasskandal betroffenen Autos nicht umrüsten lassen, droht ab August die Verweigerung der Prüfplakette bei der Hauptuntersuchung. Dies berichtet heute Abend das ARD-Politikmagazin "Kontraste" unter Berufung auf eine Entscheidung des Bund-Länder-Fachausschusses "Technisches Kraftfahrwesen" von Mitte März.

Das Fehlen des von Volkswagen bereitgestellten Software-Updates soll künftig als ein "erheblicher Mangel" gewertet werden, wie der Verband der TÜV (VdTÜV) "Kontraste" bestätigte. Den Haltern bleibt dann ein Monat Zeit, die Umrüstung nachzuholen, ansonsten wird keine neue Prüfplakette erteilt - eine ungewöhnlich harte Maßnahme, die bei anderen Rückrufen nicht angewandt wird, selbst dann nicht, wenn es anders als bei VW um sicherheitsrelevante Mängel geht.

Laut Beschluss des Fachausschusses muss VW künftig die Identifikationsnummern der betroffenen Fahrzeuge direkt an die Zentrale Stelle der technischen Überwachungsvereine (FSD Fahrzeugsystemdaten GmbH) übermitteln. Bei der Hauptuntersuchung wird dann mithilfe eines Datenabgleichs ermittelt, ob das vom Kraftfahrtbundesamt genehmigte Update ordnungsgemäß aufgespielt wurde oder nicht.

Die Kontrollen sollen nach der für jedes Modell gewährten 18-monatigen Umrüstungsfrist starten. Als erstes Modell ist ab August der VW Amarok 2,0-Liter betroffen, dessen behördlich genehmigte Rückruf-Aktion am 27. Juli endet. Die Audi-Modelle A4, A5, A6, und Q5 mit 2,0 Liter-Motor sowie der VW Golf 2,0 TDI mit Schaltgetriebe folgen beispielhaft im Dezember 2017. Modelle des Passat erhalten voraussichtlich ab Januar 2018 keine Prüfplakette mehr, wenn sie nicht nachgerüstet werden; dies gilt allerdings nicht für alle Motor-/Getriebeversionen - zum Teil startete der Rückruf erst in diesem Frühjahr.

Wann genau die Freigabe jeweils erfolgte, ist für Betroffene sowieso kaum herauszufinden, sie können nur auf die Rückruf-Aufforderung durch den Hersteller als Anhaltspunkt zurückgreifen.

Gründe, das Update zu verweigern, gibt es im Wesentlichen zwei: Einerseits die Angst vor Verschlechterungen in Sachen Verbrauch, Haltbarkeit und/oder Laufkultur, andererseits eine juristische Schlechterstellung bei Prozessen gegen VW und/oder Händler.

Für Rechtsanwalt Ralf Sauer, der Tausende Mandanten bei Streitigkeiten gegen VW vertritt, werden durch die Behörden nun Opfer und Täter verdreht. Seine Mandanten klagen über erhebliche Mängel, die ihre Fahrzeuge nach der Umrüstung aufweisen. Hierfür übernimmt VW keine verbindliche Garantie. Auch Entschädigung verweigert der Autokonzern kategorisch. "VW glaubt selbst nicht an dieses Software-Update, ansonsten würden sie eine Garantie erteilen", so Sauer. Haltern jetzt die TÜV-Plakette zu entziehen, bezeichnet der Anwalt als Skandal.

Halter von betroffenen Autos sollten trotz der Kosten erwägen, den Termin für die Hauptuntersuchung vorzuziehen, um sich so Zeit zu verschaffen - bis zum nächsten HU-Termin oder bis der Bund beschließt, Rückruf-Verweigerern durch Entzug der Betriebserlaubnis für ihr Auto Druck zu machen. Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) sagte dem Magazin, wer der Rückruf-Aufforderung nicht folge, dem drohten Konsequenzen: "Die letzte Möglichkeit ist natürlich dann auch, dass Fahrzeuge nicht mehr fahren dürfen." Die Betriebserlaubnis freilich dürften die Betrugs-Autos eigentlich sowieso nicht besitzen.
text  Hanno S. Ritter
IM KONTEXT: DER BLICK INS WEB
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