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"Billigflieger" |
ADAC/ak |
oder nicht? Dacia Logan |
Vor genau einem Monat veröffentlichte der ADAC Fotos eines sich bei Fahrversuchen überschlagenden Dacia Logan.
Doch die Zweifel an diesem Test werden zunehmend größer.
Gleich mehrere Leser haben uns seit
Veröffentlichung des Artikels über den Dacia-Überschlag
der "Lüge" bezichtigt, stets mit Hinweis auf eine Meldung der Kollegen von "AutoBild", die darüber berichteten, dass das
Dacia-Mutterhaus Renault die Vorwürfe zurückgewiesen habe.
Dies ist zweifellos wahr, aber ebenso zweifellos natürlich kein Beweis für den harten Vorwurf einer Lüge, und so müssen
wir wohl ausnahmsweise selbstlobend darauf hinweisen, dass Autokiste bereits
seinerzeit
differenziert über die ADAC-Geschichte berichtet hatte, während selbst große, als seriös geltende Medien und die
Deutsche Presseagentur verbreiteten, der Logan sei im Elchtest gekippt.
Wie genau die Testversuche des ADAC aussahen, wollte uns der Club damals trotz mehrfacher Nachfrage nicht verraten.
Man äußerte, diese seien ungefähr mit dem berühmt-berüchtigten Elchtest vergleichbar. Das Auto sei bei Fotoaufnahmen
im Rahmen der Fahrdynamik-Versuche auf der Teststrecke in Grevenbroich gekippt, was in der Presseinformation nicht
erwähnt wurde. Das bittere Ergebnis des Tests ist als Fakt zweifellos richtig - der Club präsentierte die Flugbahn
des Autos öffentlichkeitswirksam in diversen Bildern.
Zweifel an der Geschichte blieben und bleiben dennoch: Auf exakt der gleichen Anlage zwischen Köln und
Mönchengladbach testet etwa auch die "Auto-Zeitung". Die Kölner Kollegen hatten den Logan bereits rund fünf Wochen
vor dem ADAC hier unter die Lupe genommen - ein extrem billig vermarktetes Auto ohne ESP und mit schlechtem Abschneiden
im EuroNCAP-Crashtest fordert solche Tests geradezu heraus. Dabei fiel die kleine rumänische Limousine mit allem, nur
nicht mit problemlosem Fahrverhalten auf. Doch: "Überschlagen hat sich das Auto nicht", erläuterte uns schon vor drei
Wochen Dipl.-Ing. Dirk Vincken, technischer Leiter bei der Auto-Zeitung, im Detail.
Vielleicht ist das auch kein Wunder, denn das Blatt testet nach dem standardisierten VDA-Ausweichtest, der Ende der
1990er-Jahre aus dem schwedischen "Elchtest" entwickelt wurde. "Diesen Test muss in Deutschland jedes Auto bestehen,
um überhaupt eine Zulassung zu bekommen", erklärt Renault-Sprecher Thomas May-Englert im Gespräch mit Autokiste. Im
Klartext: Würde der Logan den VDA-Test tatsächlich nicht schaffen, dürfte er hierzulande gar nicht erst verkauft werden.
Die Erklärung für die völlig unterschiedlichen Ergebnisse liegt offenbar nicht zuletzt im Testaufbau des Münchner
Clubs, der inzwischen wiederum der "Auto-Zeitung" vorliegt. "Der Club hält sich gleich in mehrfacher Hinsicht nicht
an die international anerkannte VDA-Vorgabe", so "Auto Zeitung"-Mann Vincken. Die Überraschung ist zunächst, dass der
ADAC sogar harmloser testet. Und tatsächlich, bei diesem ersten Test des ADAC, laut Renault mit 100 km/h durchgeführt,
nach ADAC-Angaben gegenüber Autokiste mit 95 km/h gefahren, fiel der Logan auch nicht aufs Dach.
Erst bei den anschließenden weiteren Fahrten, bei denen die Fotos gemacht wurden, kippte der Dacia. Hier hat der Club
die Messstrecke offenbar massiv verkürzt. "Die Fototest-Variante ist nur 36 Meter lang", so Vincken. Hierbei kam
es dann trotz geringerer Geschwindigkeit von rund 65 km/h zu dem verhängnisvollen Überschlag, von dem man zu Gunsten
des ADAC wohl annehmen muss, dass selbst die Tester davon nicht ausgegangen waren: Der Fahrer hatte noch nicht einmal
einen Helm auf.
Um ganz sicher zugehen, haben Vincken und sein Team unterdessen den Test mit dem Logan und anderen ESP-losen Autos
wiederholt, sowohl mit Stahl- als auch mit Alufelgen und zusätzlich sowohl nur mit dem Fahrer besetzt als auch mit
voller Zuladung. Auch hier bereitete der Logan wieder keine Freude und schnitt als schlechtestes Modell ab. Nur -
vom Überschlag fehlte erneut jede Spur.
Der ADAC erklärte das schlechte Abschneiden des als "Billigflieger" titulierten Dacia seinerzeit neben dem fehlenden
ESP und einem schlecht abgestimmten Fahrwerk damit, dass sich die Felge "im Asphalt verhakt" habe, was auch immer
genau man sich darunter vorstellen mag, wenn man zugrundelegt, dass das Testgelände natürlich topfeben ist. Doch
möglicherweise ist an der Sache mit der Felge doch etwas dran: "Wir haben das verunfallte Auto mit drei stark
abgefahrenen Reifen auf Alufelgen und einer montierten Stahlfelge vom Reserverad vorne links zurückbekommen", so
Renault-Sprecher May-Englert. Inzwischen wird der zerknautschte Logan bei Renault in Frankreich und beim
Reifen-Ausrüster Continental untersucht.
Ob es daran lag, wird man mutmaßlich nicht mehr mit Sicherheit klären können. Der ADAC hat diesen Umstand wie viele
andere Fakten auch zunächst verschwiegen, und erst zwei Wochen später in einer nicht wie sonst kommunizierten Meldung
nur zwei abgefahrene Reifen aufgrund vorangegangener Tests eingestanden. Zum Testaufbau gibt es nach wie vor keine
Einlassung.
Das alles wirft kein gutes Licht auf den Club, der fast 15 Millionen Mitglieder und demzufolge eine große
Meinungsmacht hat. Die Münchner sind aber inzwischen offenbar selbst nicht mehr so glücklich über die Geschichte:
Heute wurde eine Mitteilung über diesen Test abermals an die Redaktionen verschickt - der Logan erreicht hier die
Benotung 3,9.
Besser als "ausreichend" ist verdammt gut für ein Auto, das sich überschlägt. Doch davon wiederum ist plötzlich nicht
mehr die Rede. Und in der dazugehörigen Tabelle fehlt der Logan schlicht. - Ein Schelm, der Böses dabei denkt.