Reservierungsphase für Sondermodell ab 40.000 Euro gestartet
VW ID.3: Viel Bohei um ein unfertiges Auto
Den heute verkündeten Beginn der Reservierungs-Phase für das erste Modell der elektrischen ID-Familie will Volkswagen als
Start in die dritte Ära verstanden wissen. Doch die ganze Aktion in Berlin war nicht viel mehr als Show: Das Auto mit dem
einfallslosen Namen "3" zeigt sich nur ansatzweise, die Auslieferungen sind noch weit entfernt – und die Preise hoch.
Volkswagen
Den VW ID.3 kann man jetzt reservieren,
aber nur in dieser verfremdeten Variante anschauen
Das erste Elektroauto von Volkswagen innerhalb der ID-Submarke wird ID.3 heißen. Richtig, 3 - ganz so wie Audi A3/Q3,
BMW 3/X3/i3, Citroen 3, DS3 oder Mazda 3/CX-3/CX-30 ... ganz zu schweigen vom Tesla Model 3 ... und nicht zu verwechseln
mit Hyundai i30 oder Infiniti Q30.
Die Ziffer Drei stehe dafür einerseits für das Kompaktsegment, das - oberhalb von Kleinst- und Kleinwagen angesiedelt - sonst
oft mit dem dritten Buchstaben des Alphabets, C, bezeichnet wird, erklärt VW, wo man sich auch den markentypischeren Namen
"Neo" hatte schützen lassen.
Andererseits soll die "3" nach VW-Doktrin für das dritte große Kapitel in der Geschichte von
Volkswagen stehen. So wie mit
dem Käfer die Massenmotorisierung begann und mit dem Golf I einst das noch heute übliche Konzept mit Frontantrieb und Kurzheck
eingeläutet wurde, steht der ID.3 für das elektrisch und jedenfalls lokal emissionsfrei - und später womöglich teilautonom -
fahrende Auto. ID ist indes kein Akronym; der Name stehe für "intelligentes Design, Identität und visionäre Technologien",
fabuliert das VW-Marketing.
Nach den aktuellen Zielen wollen die Niedersachen bis 2025 die globale Nummer eins mit mehr als 20 rein elektrisch angetriebenen
Modellen und jährlich mehr als einer Million verkauften E-Fahrzeugen werden. Zunächst werden auf den ID.3 größere Modelle mit höheren Ziffern folgen,
später auch kleinere, kündigte Jürgen Stackmann heute auf einem Event in Berlin an.
Der ehemalige Ford-Manager ist inzwischen Volkswagens Markenvorstand für Vertrieb und Marketing. Als solcher verantwortet er wohl
nicht nur den Fahrzeugnamen, sondern auch das heute gestartete Pre-Booking für den ID.3, das er wortreich als Beginn der dritten
Phase skizzierte. Dass der Tag wirklich in die Geschichte eingeht, ist dabei allerdings unwahrscheinlich, weil VW weder das finale
Auto gezeigt noch verbindliche Bestellungen angenommen hat.
Bisher zeigt sich der ID.3 nur in einer noch leicht getarnten Ausführung, damit die "Weltpremiere" auf der IAA stattfinden
kann, auf der der in Verzug geratene Golf VIII nicht stehen darf - so schnell wird aus dem Mittelpunkt der Marke ein
zweitrangiges Modell. Zu sehen war heute in Berlin im Prinzip das gleiche Auto, dass das
VW-Marketing schon seit mehr als zweieinhalb Jahren zeigt. Wichtigste Merkmale sind die nach vorne versetzte Passagierkabine,
die ein überdimensionales Fenster vor der A-Säule bedingt, und die nahezu durchgehende Lichtleiste zwischen den Frontscheinwerfern.
Im Übrigen zeigt der ID.3 ein weitgehend konventionelles Design. Weder die hinten angeschlagenen Fondtüren noch die versenkten
Türgriffe hat der Wagen von der 2016 vorgestellten Konzeptstudie übernommen, selbst Scheibenwischer und Spiegel sind nach bekanntem
Muster ausgeführt. Auch die Rückleuchten in einem Design-Mix aus VW Tiguan und Skoda Karoq sind mehr
konventionelle Kost denn ein Zukunfts-Zeichen. Insgesamt wirkt der ID.3 jedenfalls auf den ersten Bildern nicht ganz so zeitlos und detailverliebt gezeichnet
wie man das bisher meist von VW kannte. Ein Beispiel hierfür ist die Frontschürze mit primitiv eingesetzten Parksensoren.
Sie beherbergt auch eine Klappe, deren Funktion noch nicht bekannt ist. Mutmaßlich ist hier die Sensorik für die Assistenten und
möglicherweise ein Einfüllstutzen für das Waschwasser verbaut. Die Steckdose zum Laden dürfte sich unter der an bekannter Stelle
verbauten Klappe hinten rechts befinden.
Hinten sitzt auch der Elektromotor, womit sich der Kreis zum Käfer sozusagen schließt. Ob später auch Allradvarianten angeboten
werden, steht in den Sternen. VW hat heute nicht einmal die Leistungsdaten des Motors genannt. Lediglich die drei verfügbaren
Akku-Größen von 45, 58 und 77 kWh stehen nun offiziell fest. Die Norm-Reichweiten betragen 330, 420 und 550 Kilometer.
Das Basismodell werde unter 30.000 Euro kosten, kündigte VW an. Doch wann es bestellbar sein wird, ist offen. Die nun gestartete
Reservierungsphase betrifft ein Sondermodell namens ID.3 1st, das den Angaben zufolge in der Basis "unter 40.000 Euro" kosten
wird. Bestückt ist es mit dem mittleren Akku. Zur Ausstattung gehören laut VW "große Räder" (wohl 20 Zoll) und Navigationssystem
- was also in der Basis noch immer nicht inkludiert ist. Zur Wahl stehen auch eine Variante mit dem erneut einfallslosen Zusatznamen
"Plus" mit zusätzlich IQ Light und Bi-Color-Design, und der "Max" mit Panorama-Glasdach und einem Head-Up-Display mit Augmented Reality.
Der dürfte dann oberhalb von 45.000 Euro liegen, womit man dem Serienmodell mit dem großen Akku für eine Diesel-ähnliche Reichweite eine
Fünf als erste Preisziffer voraussagen kann.
All der schönen Worte von VW zum Trotz ist der ID.3 einfach nicht fertig - weder das Auto in seinen Feinheiten noch der Umbau im Werk in
Zwickau, das es produzieren soll. Entsprechend werden Bestellungen auch erst nach der IAA im Herbst angenommen. "Verbindlich" würden
diese im April 2020, heißt es. Die Auslieferungen können demnach erst danach beginnen - wohlgemerkt die der Start-Edition. Sie ist auf
30.000 Exemplare limitiert. Wer jetzt reserviert, muss 1.000 Euro anzahlen, kann aber jederzeit wieder stornieren.
Bis zum richtigen Rollout des ID.3 dürfte also noch viel Wasser den Mittellandkanal hinabfließen - dort, wo VW die Besucherschiffe
bereits seit einiger Zeit mit Strom fahren lässt. Bis dahin empfiehlt sich der edlere, aber auch schwächere e-Golf ab 36.000 Euro.