Hyundai
Schön, aber auch gut:
Hyundai i10
Mit dem neuen i10 will Hyundai in der Kleinstwagen-Klasse ein gehöriges Wörtchen mitreden. Nach längerer Beschäftigung mit dem Wagen
wird klar, dass er die Voraussetzungen mitbringt: Schön anzusehen, ganz überwiegend mit Detailliebe umgesetzt und in erstaunlich vielen
Punkten besser als VW Up und Schwestermodelle macht der i10 Freude. Nur ein einziger dicker Mangel trübt die Bekanntschaft.
"Wie groß wird eigentlich der Kofferraum des neuen i10?" Die Frage des Konzernchefs beantwortete der Projektleiter wie aus der Pistole geschossen:
"252 Liter." - "Das ist ja mehr als beim VW Up?!" - "Natürlich", grinste der wissend. "So planen wir doch das ganze Auto". - "Und das Design?" -
"Macht Schreyer." - "Wow, cool, dann bauen wir wirklich nicht nur den besseren Up, sondern auch den schöneren?" Der Projektleiter grinste wieder,
seine Beförderung schien sicher. So ähnlich darf man sich das vorstellen, als Hyundai den i10 entwickelte. Wo das bisherige Modell in vielerlei
Hinsicht nicht schlecht, aber doch auch nicht richtig ernst zu nehmen war, hat Hyundai - so viel sei vorweggenommen - mit dem neuen i10 mehr
als nur ein Statement abgeliefert.
Gelungenes Design
Der erste Eindruck sei oft der wichtigste, sagt man. Und der ist zweifellos gut. Die taxiartige, etwas an frühe Minis erinnernde Farbe des abseits geparkten Testwagens mag
nicht jedermanns Sache sein, ist aber letztlich gar nicht schlecht, und das nicht nur, weil sie individuell und ausgesprochen dreckunempfindlich ist. Vor allem aber: Ja,
so soll ein kleines Auto aussehen - klein, aber nicht schmächtig, selbstbewusst, aber nicht überzeichnet, zeitlos, aber nicht langweilig. Aus welcher Perspektive man sich
dem i10 auch nähert - das Design darf man getrost als sehr gelungen beschreiben. Peter Schreyer, Vater des ersten Audi TT und des Golf IV, ist zweifellos ein Meister seines
Fachs, und dass man ihn nicht hätte gehen lassen sollen, weiß inzwischen auch VW.
Aber natürlich sind die äußeren Werte nicht alles, doch der i10 enttäuscht auch im weiteren Verlauf nicht. Dass sein Kofferraum exakt einen Liter mehr fasst als der des Up,
ist natürlich nicht mehr als ein zwinkernder Marketing-Gag, doch wer sich länger mit dem i10 beschäftigt, findet noch viele Stellen, die einen das Auto ernst nehmen lassen,
wie es gerade bei Kleinstwagen mit Basispreisen unterhalb von 10.000 Euro nicht gängig ist. Beispiele hierfür finden sich zahlreich, auch am Kofferraum: Wo man beim Up die
Abdeckung per Hand hoch- und vor allem anschließend wieder herunterklappen muss, hat sich Hyundai beim i10 für die automatische Kordel-Lösung entschieden, und man fragt sich,
wie wenige Cent das wohl ausmacht. Der Kofferraum ist auch beleuchtet - nein, das ist noch immer kein Standard in dieser Klasse, und auch der Wolfsburger Marktführer verzichtet
darauf ganz nonchalant.
Die Türen schließen, sieht man von der Nachdruck verlangenden Heckklappe ab, satt. Das Bessere ist des Ausreichenden Feind: Anstelle von Ausstellfenstern hinten hat sich Hyundai
für "echte" entschieden, und auch gleich für eine elektrische Bedienung. Wo also ein Up in der Fahrertür genau einen Fensterheber-Schalter hat, weil man selbst für die Steuerung
der Beifahrerseite zu geizig war, findet der Hyundai-Fahrer derer vier.
Ja, Sie merken es schon, wir reden vom höchsten Ausstattungsniveau "Style", das als Testwagen zu vergeben man dem Hersteller nicht verdenken kann, und deswegen bezieht sich
der Vergleich auch stets auf einen entsprechenden Up. Wo der teilweise unlackiertes Blech in den Türen zeigt, fällt das Auge beim i10 auf vollflächige Verkleidungen, deren
Bi-Color-Optik in schwarz/orange oder schwarz/blau schöner wirken als es sich anhören mag. Wo der Up seiner Besatzung ausschließlich eine manuelle Klimaanlage mit mechanischer
Umluftschaltung anbietet, freuen sich Hyundai-Käufer optional über eine Klimaautomatik mit Umluft auf Tastendruck - und Halbgradschritten.
Erwachsener Innenraum
Das Platzangebot ist für ein Stadtauto absolut ausreichend, Engegefühle bleiben aus. Hinten können selbst Erwachsene auf kürzeren Strecken mitfahren, ein Kindersitz
ließ sich problemlos iso-fixieren und hatte - gefühlt, nicht gemessen - fast genauso viel Platz nach vorne wie im Golf VI, in dem er sonst seine Runden dreht.
Die Sitzposition und die des Schalthebels ist etwas höher als gewohnt, was viele mögen dürften, die Sitze selbst mit ihrem Teillederbezug (nicht: Lederoptik alias
Kunstleder) bequem, auch weil der Autobauer dem Trend zu integrierten Kopfstützen nicht folgt. Keinen Grund zur Klage bietet die Verarbeitung, selbst an verborgenen
Stellen ist der Hyundai besser gemacht als so manch anderes Auto europäischer Herkunft. Mängel am Testwagen und Klappergeräusche: Fehlanzeige.
Der i10 hat, und auch das ist eine Seltenheit in dieser Klasse, ein echtes Armaturenbrett wie in größeren Autos, keine Plastiklandschaft mit aufgesetzten Instrumenten
und Bedienhebeln billigster Machart. Der Bordcomputer ist so gemacht, dass man etwas damit anfangen kann, die Türtaschen nehmen es selbst hinten mit Getränkeflaschen auf,
die Tasten sind bis auf wenige Ausnahmen sauber beleuchtet, und in der Mitte des Armaturenbretts gibt es das, was ein Up ebenfalls nicht bietet: Zwei regelbare Luftduschen.
Und weil Hyundai sozusagen gerade dabei war, hat man auch gleich noch - serienmäßig! - eine Lenkradheizung eingebaut, die man dekadent finden kann, aber schon in der
zweiten kalten März-Woche genauso zu schätzen gelernt hat wie die heute übliche Sitzheizung, die im i10 schnell und kräftig zur Sache kommt. Und bevor es langweilig wird
mit all den guten Dingen, sei noch schnell erwähnt, dass sich Hyundai auch nicht zu schade war, ein richtiges Kühlwasserthermometer einzubauen, ein gut bedienbares
Multifunktionslenkrad und einen Tempomaten, der auch eine Geschwindigkeitsbegrenzer-Funktion hat.
Wenn man sich dann noch länger mit dem i10 beschäftigt, findet man weitere Dinge heraus, die man vielleicht bei VW erwarten würde, dort aber in dieser Preisklasse nicht bekommt:
Das Licht ist für Halogen-Verhältnisse prima. Und: Nicht nur, dass es zusätzlich ein Abbiegelicht gibt, nein, dieses ist auch dort untergebracht, wo es ingenieurtechnisch gesehen
hingehört und immer öfter aus Kostengründen nicht mehr zu finden ist - also unauffällig und wirkungsvoll im Hauptscheinwerfer. Das i10-Tagfahrlicht besteht aus LEDs statt aus
einer Halogenfunzel - und die leider links sitzende Tankklappe wird von innen geöffnet und nicht mit nervigem Schlüsselgefummel wie andernorts.
Das serienmäßige CD-Radio im ungefähren Doppel-DIN-Format funktioniert inklusive der Handy-Anbindung und des Audiostreamings via Bluetooth gut, seine nicht recht menügeführte Bedienung
ist aber nur durchschnittlich. Stellvertretend für die Detailliebe, die den i10 auszeichnet, sei dafür die Datumsanzeige erwähnt - das gibt es bei VW nicht einmal (mehr) im Passat. Allerdings:
Ein Navi wie im Up kann Hyundai nicht liefern, weswegen sich im Testwagen ein separates Gerät von Becker findet, das im Vergleich selbst zu einem günstigen Smartphone geradezu steinzeitlich
wirkt und anschaulich erklärt, warum diese Geräte aktuell so schnell aussterben wie sie vor wenigen Jahren boomten.
Der schlüssellose Zugang funktioniert bestens, wenngleich solche Systeme immer fragwürdig erscheinen: Wo man sich im Winter freut, den Schlüsselbund in der Jackentasche lassen zu können,
wird man sich im Sommer ärgern, ihn in der Hosentasche oder klappernd im Ablagefach aufbewahren zu müssen. Während der Motorstart per Knopfdruck und Anlassautomatik trotz des
oft unnützten Gasstoßes praktisch erscheint, ist Abschließen per Tastendruck am Türgriff definitiv umständlicher und langsamer als via Fernbedienung, die der i10 aber auch besitzt -
und natürlich nervt das arg laute Gepiepse, wenn man es wagt, bei laufendem Motor auszusteigen.
Fehlkonstruierter Schlüssel und weitere Kritikpunkte
Gar keine Kritikpunkte also? Doch, und der Schlüssel ist der erste davon. Gleich zweimal in zwei Wochen haben wir ihn verloren (und glücklicherweise, aber mit viel Aufwand und Ärger
immer wieder gefunden), weil der Teil, den man am Schüsselbund befestigt, viel zu leicht aus dem eigentlichen FB-Schlüssel zu entnehmen ist, so dass dies häufig versehentlich
und unbemerkt passiert - ein Workaround, eine Abhilfe, ist uns nicht eingefallen.
Zu den weiteren kleinen Nachlässigkeiten gehören zu schwache Kontrollleuchten, eine geradezu unmöglich fehlerhafte und ganz überwiegend merkwürdige Bedienungsanleitung - und eine
Sprachsteuerung, die überwiegend gut funktioniert, Telefonnummern jedoch ohne Rückfrage wählt: Wer also die Nummer von Herrn Maier ins System spricht, wird unter Umständen sofort
mit Herrn Müller verbunden, und wer die beiden Namen durch Freund/Feind, Frau/Geliebte oder Ähnliches ersetzt, weiß, dass dies gar nicht geht. Und schließlich vermisst man eine
Mittelarmlehne, eine lautere Hupe und ein separates Bremslicht - und kann kaum glauben, dass Hyundai bei einem solchen Auto inklusive all der beschriebenen Detailliebe
dem Heckwischer keine Intervallschaltung spendiert hat. Wünschenswert wäre zudem eine Innenbeleuchtung hinten. Assistenzsysteme wie etwa die automatische City-Notbremse des Up
gibt es nicht.
Klimaanlage mit Killer-Kältemittel
Der größte Kritikpunkt ist jedoch einer, den man hoffentlich nie bemerkt: Hyundai befüllt die Klimaanlage mit dem neuen Kältemittel 1234yf, das nach allem, was man weiß, im Brandfall
hochgiftige Dämpfe entwickelt und nicht nur von Medien und Umweltverbänden, sondern auch vom Feuerwehrverband und diversen Experten kritisiert wird. Wer es in punkto Sicherheit also
genau nimmt, kann den i10 nicht kaufen, muss ihn gedanklich wegen eines besonders schweren Mangels sozusagen von fünf auf null Sterne abwerten. Hyundai und andere, genauso agierende
Hersteller sind dringend aufgerufen, hier zeitnah Abhilfe zu schaffen.
Schwacher Motor trotz vier Zylindern
Und wie fährt der i10? Gut, aber nicht perfekt. Im Testwagen arbeitet der 1,2-Liter-Benziner, also ein Vierzylinder, wie er andernorts gar nicht mehr zu bekommen ist. Das Aggregat läuft gut,
hat einen angenehmen Tonfall und auch sonst gute Manieren, ist aber kein Temperamentbündel. 87 PS sind im Datenblatt vermerkt, subjektiv sind es eher derer 67. Das Gefühl, latent untermotorisiert
zu sein, will nicht recht passen zu einem ansonsten so angenehm gemachten Auto. Man wünschte sich den 1,4-Liter-Antrieb des i20, eigentlich aber eher den 1,2 TSI aus dem Hause VW, der nicht
bzw. kaum stärker ist, aber auch wegen der Turboaufladung angenehmer zu fahren.
Ein Blick auf den Verbrauch: Der Normwert des i10 liegt bei 4,9 Litern und damit unwesentlich über dem des nur dreizylindrigen, schwächeren und leichteren Up. In der Praxis waren es im
städtischen Betrieb faktisch 6,6 Liter, insgesamt inklusive rund 170 Kilometer maximal flotter Autobahnfahrt 7,8 - beides Werte, die für sich genommen viel zu hoch, aber völlig im Bereich des
Üblichen liegen. Ein Start-Stopp-System bietet Hyundai mit diesem Motor nicht an, einen Diesel wie die meisten Mitbewerber ebenfalls nicht, dafür aber ein Automatikgetriebe.
Das manuelle 5-Gang-Getriebe im Testfahrzeug gibt sich unauffällig, die Kupplung lässt einen klaren Druckpunkt vermissen und wurde womöglich zuvor schlecht behandelt, weil latent
rupfend. Überzeugend präsentieren sich demgegenüber das gut regelnde ESP, die leichtgängige Servolenkung und die zupackende Bremsanlage: Auch an der Hinterachse montiert Hyundai
Scheibenbremsen, und das darf getrost als weiterer Wink an den oft zu Recht, aber manchmal fälschlich als ingenieurgetrieben bezeichneten VW-Konzern verstanden werden, wo man
Trommelbremsen im Up für ausreichend hält.
Entsprechendes gilt für die Spiegelblinker des Hyundai, den kleineren Wendekreis, die Gurte, die höhenverstellbar sind und nicht zuletzt für serienmäßige Annehmlichkeiten wie Alarmanlage,
Beleuchtung des Handschuhfachs und Follow-me-home-Licht. Der i10 hat im Gegensatz zum Up fünf statt vier Sitzplätze und Kopfstützen, drei statt zwei Sitzheizungs-Stufen, vier statt zwei
Lautsprecher, zwei statt einer Kennzeichenleuchte(n), vier statt drei Parksensoren, fünf statt einem Gurtwarner, zwei Stromanschlüsse statt einem, 40 statt 35 Liter im Tank
und - kein Witz und durchaus praxisrelevant - acht statt vier Gebläsestufen.
Gutes Preis-/Leistungsverhältnis und umfassende Garantie
Im Vergleich wird deutlich, wie hoch der Nachholbedarf bei VW ist, zumal der Up obendrein teurer angeboten wird: Trotz wesentlich schlechterer Ausstattung kostet der fünftürige
"high up!" mit 13.080 Euro einen Hunderter mehr als der i10. Potentielle Kunden, die dabei noch berücksichtigen, dass der i10 anders als der Up zwar eine jährliche Wartung
verlangt, dafür aber satte fünf Jahre Herstellergarantie mitbringt, werden nicht lange überlegen müssen.
Ob der Projektleiter wirklich befördert wurde? Kaum auszudenken, dass nicht, denn der i10 ist abgesehen vom Kältemittel-Lapsus ohne Übertreibung ein klasse Koreaner, ein
verdienter Sieger im (hier leider nur virtuellen) Duell mit dem VW Up, kurzum: fraglos empfehlenswert. Subjektiv und objektiv: Der Hyundai i10 steht aktuell klar an der
Spitze seiner Klasse. Es sollte Herrn Winterkorn im Ohr scheppern.