Autokiste
Marktstart Anfang Juni:
Škoda Citigo
Nach dem medialen Senkrechtstart des VW Up folgt nun das Schwestermodell aus Tschechien, der Škoda Citigo.
Sechs Wochen vor dem Marktstart begleitete uns der Kleinstwagen in zwei verschiedenen Versionen einen Tag
lang in und um Hamburg, überwiegend erfreulich.
Hamburg am Vormittag, Landungsbrücken, Škoda Citigo: Warum zum Kuckuck läuft der Scheibenwischer nicht? Draußen ist
schließlich typisches Shi(e)twetter. Ach so, wir müssen umdenken, heute gibt es automobile Basiskost, und zu deren Beilagen
gehört nun mal kein Regensensor, auch nicht gegen Extra-Knete. Egal, es geht auch ohne, tatsächlich.
Die Frage, wieviel Auto man eigentlich braucht, stellt sich bei der Ausfahrt mit dem Citigo nicht nur einmal. Natürlich
ist der Testwagen weitestgehend voll ausgestattet, voll im Sinne der Möglichkeiten. Man kann also Sitz und Lenkrad in der
Höhe verstellen, hat Parksensoren hinten (dass es am schmalen Auto nur eine Drei-Kanal-Anlage ist, tut ihrer Wirksamkeit
keinen Abbruch), kann sich den Hintern (zweistufig) beheizen lassen, die Spiegel elektrisch justieren und die Fenster
ebenso bedienen. Jedenfalls vorne - hinten setzt der fünftürige Citigo auf Ausstellfenster, was einerseits dem Hersteller
Geld spart und dem Kunden-Auge ein geteiltes Fenster, andererseits aber enttäuschend umgesetzt ist: Beim Schließen der
Türe geht auch das Fenster halb zu.
Das ist eine der wenigen Peinlichkeiten, die sich Škoda leistet. Die nur singuläre Kennzeichenbeleuchtung ist eine
weitere, die fehlende Kontrollleuchte für abgeschaltetes ESP eine dritte, verbunden mit der Frage, warum nur an einem
solchen Auto eigentlich jemand das Bedürfnis haben sollte, die sinnvolle Technik zu deaktivieren. Ebenfalls als unausgegoren
stellt sich die Easy-Entry-Funktion des Dreitürers heraus, die als Komfortmerkmal beworben wird, tatsächlich aber die
Rückenlehne nicht mehr in die Ausgangsposition zurückbringt. Die fehlende Verkleidung der Kofferraum-Seiten ist an einem
Testwagen oder im Autohaus nicht von Belang, in der Praxis dürfte das nackte Blech hier aber bald unschön verkratzen.
An vielen weiteren Stellen wird der Zwang zum Rotstift spürbar, aber meist nicht so, als dass es wirklich stören würde. So umfasst
die Zentralverriegelung nicht die Tankklappe, die Kofferraumabdeckung fährt nicht automatisch nach oben, sondern muss
manuell aufgestellt werden (und ist damit immer noch wesentlich praktischer als das merkwürdige Gebilde in einem drei
Mal so teuren Audi Q3), auf der Mittelkonsole gibt es keine verstellbaren Luftausströmer, und die seitlichen Pendants
lassen sich nur teilweise so regulieren, wie man das gewöhnt ist. Während der Handyhalter ebenso pfiffig ist wie der
Parkschein-Clip und die Notizzettel-/Foto-Halterung am Mitteltunnel, fehlt eine rutschfeste Ablage in der Mittelkonsole
für den täglichen Kleinkram. Die Netze an den Innenseiten der Vordersitzlehnen und die Flaschenhalter neben der Rückbank
können dies nur im Ansatz wettmachen.
Dass es links keine Taste für das rechte Fenster gibt - der Kritikpunkt in vielen Medien - halten wir indes für nahezu
belanglos, schon weil man die Funktion so gut wie nie braucht und im Falle des Falles angesichts der schmalen Bauform
gut nach "drüben" greifen kann.
Manchmal ist die Einfachheit aber auch etwas Schönes. Wer den Citigo besteigt, kann nicht erst 100 Systeme in 37 Varianten
auf seine persönliche Vorlieben programmieren - und er muss es gefühlt auch nicht. Der Motor startet per Zündschlüssel,
was wir immer noch für vorteilhaft gegenüber einem Startknopf halten. Dann erwacht der 1,0 Liter kleine Dreizylinder zum
Leben, eine Maschine, die VW neu entwickelt hat und insoweit nicht direkt mit den 1,2-Liter-Pendants aus Fabia und Polo
vergleichbar ist.
Dreizylinder mit konzepttypischen Schwächen
Erster Eindruck: Dreizylinder sind heutzutage viel besser als noch vor ein paar Jahren. Wer schon einmal einen Opel Corsa B 1,0
12V gefahren ist, weiß, was gemeint ist. Zweiter Eindruck: Drei Zylinder
sind immer noch eine arge Basismotorisierung. Es ist nicht so sehr die geringe Leistung, die im Alltag stört, mehr
ist es die Laufkultur. Das Motörchen macht aus seiner Bauart zumindest im Stand und bei niedrigem Tempo keinerlei Hehl -
es vibriert wie ein Dreizylinder, und es klingt auch so. Speziell beim Losfahren an der Ampel bleibt das Gefühl nicht
aus, dass man einen besseren Rasenmäher-Motor bemüht. Der ebenfalls
neue Dreizylinder von Ford beherrscht die Umgangsformen (jedenfalls im Focus) bedeutend wohltuender.
Außerorts tritt dieser etwas ernüchternde Eindruck in den Hintergrund, der Motor mit seinen 60 PS ist recht munter und
unaufdringlich bei der Sache. Offiziell vergehen 14,4 Sekunden aus dem Stand auf Tempo 100, was nach mehr klingt als es sich
anfühlt, maximal sind 160 km/h Reisetempo möglich, was wir aufgrund großräumiger Tempolimits und Regenwetter nicht
ausprobieren konnten. Trotz der als okay empfundenen Fahrleistungen schweifen die Gedanken in Richtung Vierzylinder-TSI,
der dem Citigo selbst in der kleinsten Variante mit derzeit 86 PS bestens bekommen würde. Überraschung: Die ebenfalls
gefahrene stärkere Dreizylinder-Variante mit 75 PS (13,2 Sekunden, 171 km/h) ist subjektiv kaum bis nicht schneller. Das liegt
auch an der ungewöhnlichen Gleichheit des Drehmoments (jeweils 95 Nm). Erst bei hohen, eher praxisfremden Drehzahlen wird das
Plus an Leistung spürbar, aber auch nur im Ansatz. So würden wir hier ausnahmsweise die schwächere Variante empfehlen, zumal
sie noch etwas sparsamer ist.
Verbrauchswerte unspektakulär
4,5 Liter nennt das Datenblatt als kombinierten Normverbrauch, 5,7 zeigte der Bordcomputer nach unserer Tour in und um
Hamburg. Das ist sicher keine Sensation, geht gerade noch in Ordnung, wenn man den sich aufdrängenden Vergleich mit Dieselfahrzeugen
unterlässt. Wer den rechten Fuß deutlich auf Effizienz trimmt, kann sich dem Normverbrauch durchaus nähern, bei flotterer Gangart könnte
es Richtung sieben Liter gehen. Die stärkere Variante kam in der Praxis auf 6,0 Liter.
Ob es sich lohnt, das (im Testwagen nicht vorhandene) sog. "Green tec"-Paket zu bestellen, das den Normverbrauch um 0,4 Liter
drückt, ist Ansichtssache. Einerseits ist jede Verbrauchssenkung schon aus grundsätzlicher Sicht sinnvoll und das im Paket
enthaltene tiefergelegte Sportfahrwerk auch optisch erstrebenswert, andererseits der Aufpreis von 400 Euro prozentual gesehen
recht happig und würde sich in der Praxis erst nach rund 100.000 Kilometern armortisieren. Der erwähnte TSI käme im Citigo mit
"Green tec" ungefähr auf den Wert des Dreizylinders ohne - auch insoweit eine wünschenswerte Kombination.
Fahrverhalten ohne Tadel
Dass die Tour mit dem Citigo dennoch Spaß macht, liegt nicht nur an der schönen Umgebung, sondern auch daran, dass
das Auto jenseits des Motors ein ernsthafter Begleiter ist. Die Sitze erweisen sich als bequem, wenn auch die integrierten
Kopfstützen bei steil eingestellter Lehne ständig ungewohnt den Hinterkopf berühren. Das Fahrverhalten ist höchst ausgeglichen,
die Geräuschkulisse jenseits der Richtgeschwindigkeit völlig okay, die Bremsanlage (ohne es in Meter und cm gemessen zu haben)
exzellent, die Straßenlage auch in fixer angegangenen Kurven tadellos, und Federung und Dämpfung arbeiten erstaunlich erfolgreich
angesichts der geringen Dimensionen von Radstand und Spurweite. Wer es zu flott treibt, erlebt einen typisch untersteuernden
Fronttriebler, dem das ESP sachte und erfolgreich assistiert.
Apropos: Assistenzsysteme gibt es im Škoda Citigo und seinen Brüdern nur das wichtigste, nämlich einen aktiven Notbremsassistenten
namens "City Safe Drive". Das in dieser Klasse noch einzigartige System, das einzeln nur 150 Euro Aufpreis kostet und derzeit nur bis
30 km/h funktioniert, konnten wir allerdings mangels Verfügbarkeit nicht testen.
Portables Navi: Gute Idee mit kleinen Schwächen
Verfügbar war dafür das Navigationssystem "maps+more" (VW-Bezeichnung), äh, "Move&Fun" (Škoda). Sein Konzept des abnehmbaren
Touchscreens mit vollständiger Anbindung an die Fahrzeugelektronik gefällt abseits des Diebstahlrisikos bestens, sein Preis
von 330 Euro geht auch im Vergleich zu Nachrüstlösungen völlig in Ordnung. Das System weist nicht nur den Weg, sondern erlaubt
auch die Bedienung des Radios, signalisiert die optische Einparkhilfe und zeigt diverse Funktionen des Bordcomputers, einen
Drehzahlmesser oder die Außentemperatur. Sowohl die Navigation als auch sämtliche Zusatzfunktionen funktionieren tadellos,
allein die Bedienung mit zu teilweise zu kleinen "Tasten" und die schlechte Empfindlichkeit des Berühr-Monitors stören das Bild.
Wer ein modernes Smartphone gewöhnt ist, wird über den Touchscreen mehr als einmal fluchen. Zudem ist ein Aux-in-Anschluss am
Radio nicht halb so praktisch und zeitgemäß wie es eine USB-Buchse oder ein SD-Kartenslot wäre.
Die Verarbeitung des Testwagens zeigte sich ohne jeden Beanstandungsgrund, die gefühlte Qualität und Haptik liegt auf einem
Niveau, das manch größeres Auto nicht erreicht, und Bedienung und Instrumente sind vorbildlich. Einzige Ausnahme ist die
digitale (Kombiinstrument) bzw. analoge (Mittel-Monitor) Temperaturanzeige, die dem Fahrer tasächlich aufs Zehntelgrad
genau vorgaukelt, dass die Maschine respektive ihr Kühlwasser 90,0 Grad warm sei - ob auf der Autobahn, im Stau oder innerorts.
Nachholbedarf beim Thema Temperatur i.w.S. vermuten wir auch für die Klimaanlage, die schon bei den ersten Sonnenstrahlen
im "Alten Land" arg beschäftigt schien.
Fünf Türen sollten es sein
Der Citigo ist vom Start weg als Drei- und Fünftürer lieferbar, letzteres sollte die Version der Wahl sein. Sie sieht
erwachsener aus und ist nicht nur dann praktischer, wenn hinten Passagiere sitzen (mehr als Kinder sollten es angesichts
des Sitzkomforts und des geringen Knieraums nicht sein), sondern auch dann, wenn man kleine Taschen oder anderes dort ablegen
will. Sogar einen Kleiderhaken an der B-Säule hat Škoda nicht vergessen - im drei Klassen höher positionierten Opel Insignia haben
wir den neulich verwundert, weil erfolglos gesucht. Die beim Fünftürer kürzere vordere Tür erleichtert zudem das Ein- und Aussteigen
in engen Parklücken und den Griff nach dem Gurt, der im Dreitürer rückenunfreundliche Verrenkungen erfordert.
Ausstattung: Die Mitte ist golden
Ein Blick auf die Ausstattung: Servo, ESP, vier Airbags und Gurtwarner-/signalisation für alle Plätze sind stets serienmäßig.
Im mittleren Niveau "Ambition" kommen u.a. in Wagenfarbe lackierte Außenspiegel und Türgriffe, eine geteilt umklappbare
Rücksitzbanklehne, Zentralverriegelung mit Fernbedienung und ein größeres Angebot an Extras hinzu. Das Topmodell "Elegance"
bietet zusätzlich im Wesentlichen Aluräder und Klimaanlage. Wer sich mit der Preisliste näher befasst, wird meist bei der
Mitte landen, die sich preislich auch mit zusätzlicher Klimaanlage als golden erweist. Empfehlenswert sind dann noch das
"Urban"-Paket mit City Safe Drive, Tempomat, Bordcomputer und Parksensoren sowie das Infotainmentsystem, während das
Panorama-Glasdach zwar gut gemacht, mit 695 Euro aber zu teuer ist.
Unter dem Strich stehen dann mit dem wie ausgeführt empfehlenswerten schwächeren Motor und natürlich als Fünftürer rund
12.500 Euro. Das mag mehr sein, als zunächst für so einen Winzling kalkuliert, ist aber fraglos grundsätzlich und auch
im Wettbewerbsvergleich - etwa zum teureren Smart Fortwo - ein gutes Angebot. Der Citigo, kein Zweifel, wird viele Freunde
finden und trotz des absehbaren Kannibalisierungseffekts zu Lasten des Fabia die Wachstumsstrategie von Škoda befördern. Das
liegt nicht nur an einem ganz überwiegend überzeugenden Produkt, sondern auch daran, dass das Kleinstwagen-Segment nach
Meinung vieler Experten eine rosige Zukunft hat. Škoda-Deutschland-Chef Hermann Schmitt sprach bei der Vorstellung in Hamburg von
bis zu 100 Prozent in diesem Jahrzehnt.
Citigo oder Up?
Zuletzt noch ein Blick auf den internen Konzernvergleich: Ob Škoda Citigo oder VW Up ist letztlich recht egal. Der Preisunterschied
liegt versionsabhängig zwischen 400 und 775 Euro zugunsten des Citigo, womit für viele eine Vorentscheidung gefallen sein dürfte.
Der Up wirft dafür ein tendenziell noch etwas schickeres Design in die Waagschale, eine etwas bessere Ausstattung, ein dichteres
Werkstättennetz und einen mutmaßlich leicht besseren Wiederverkaufswert. Am Ende des Tages kann die persönliche Vorliebe zu Marke,
Design oder Händler entscheiden. Wer nur auf den Preis guckt, wird beide nicht wählen und stattdessen den dritten im Bunde, Seat Mii,
kaufen, der rund 500 Euro günstiger, aber auch schlechter ausgestattet und imageschwächer ist.
Hamburg am Abend, Landungsbrücken, Škoda Citigo: Wer vor allem kürzere Strecken zurücklegt, keinen Hund und nicht mehr als einen erwachsenen
Mitfahrer hat, kann getrost zum Citigo greifen. Der ist definitiv klein, aber zweifellos fein - auch ohne Regensensor.