Modellpflege beseitigt bestehende Ärgernisse nicht – und fügt neue hinzu
VW Golf Facelift: Die nächste Enttäuschung
Der Golf ist noch immer das am häufigsten verkaufte Auto, obwohl die aktuelle achte Generation in so vielen Details
enttäuschend war und ist. Nun endlich kommt das Facelift: Wir klären, ob Golf-Fans aufatmen dürfen. (Spoiler: Nein.)
Volkswagen
Facelift für den Noch-Bestseller:
Der VW Golf VIII wird aufgefrischt
37 Millionen Mal hat VW den Golf verkauft, in diesem Jahr feiert der kompakte Wolfsburger seinen 50. Geburtstag - Grund zum Feiern also.
Denkste, denn der Kundenzuspruch lässt nach, weil es den Golf nicht mehr elektrisch gibt, weil die Leute immer noch so arg auf SUVs stehen
- und weil der aktuelle Golf so enttäuschend war und ist. Das sagt schon viel aus, und wir wollen dem geneigten Leser an dieser Stelle
einen weiteren Rückblick auf den Bestseller ersparen. Viele aus der "Generation Golf" sind mit dem Auto alt geworden, der Autor dieser
Zeilen eingeschlossen.
Nicht immer war der Golf so perfekt wie in der zweiten, vierten, sechsten und siebten Auflage, aber immer hat VW wieder zurückgefunden
zu alten Tugenden. Darauf hatte man auch beim Golf VIII gehofft, nachdem er im Herbst 2019 mit so vielen Ärgerlichkeiten vorgestellt
worden war. Lange also hatten Golf-Fans gehofft auf die Überarbeitung, die der Autobauer an diesem Mittwoch nun endlich vorgestellt hat.
Neue beleuchtete Frontpartie
Das Facelift besteht zuvorderst aus einer modifizierten Frontpartie. Die Designer haben die inneren Bereiche der Scheinwerfer kleiner und
gerader gezeichnet, ein edler wirkendes Tagfahrlicht integriert und dazu eine bulliger und auch stimmiger wirkende Frontschürze modelliert.
Auffälligste Neuerung ist das inzwischen offenbar unverzichtbare Lichtband zwischen den Scheinwerfern, das allerdings nicht übergangslos
aus den Leuchten heraus beginnt. Als i-Tüpfelchen trägt der Golf nun sogar ein beleuchtetes Logo - an der Front, wo es der Touareg nicht hat,
aber nicht am Heck, wo es der Touareg besitzt.
Lichtleiste und Leucht-Logo sind ab der zweiten Scheinwerfer-Ausbaustufe namens "Performance-Scheinwerfer" an Bord, darüber rangiert dann
noch das Matrixlicht alias "IQ.Light". Dazu gehören dann auch sog. 3D-Rückleuchten mit individualisierbaren Welcome- und Goodbye-Animationen
und animiertem Blinker, wobei gerade die gleich sechs Lichtpunkte des Blinkers den ersten Bildern nach zu urteilen sehr chic integriert sind.
Auch die normalen Rückleuchten bekommen ein Update, das VW aber noch nicht im Bild zeigen mag. Sie sind schöner als die bisherigen, aber
weit entfernt von der gestalterischen Güte der "3D"-Einheiten. Im Übrigen bleibt am Heck abgesehen vom unteren Dekoreinsatz in der Schürze,
der jetzt auf Fake-Endrohre verzichtet, alles unverändert.
Dies gilt gleichfalls und Facelift-typisch auch für die Seitenansicht, sieht man von vier neuen Außenfarben und fünf neuen Räderdesigns
ab. Die Badges im Kotflügel entfallen, an ihre Stelle tritt bei GTE und GTI ein dicker Schriftzug unterhalb der Außenspiegel, der mehr
aufdringlich als zeitlos wirkt, zumal der Volkswagen-Schriftzug in der B-Säule und jeweils ein "IQ Light"-Text in den Scheinwerfern und
Rückleuchten geblieben sind. Auch die R-Line-Modelle erhalten hier das R - womit VW bei der Aufschrift peinlicherweise weiterhin nicht
mehr zwischen R-Line und R unterscheidet.
Größere Bildschirme im Interieur und zwei neue Optionen
Im Interieur haben die Wolfsburger überraschungsfrei den Zentralmonitor vergrößert. Statt 8,25 und optional zehn Zoll ist der Bildschirm
jetzt 10,4 bzw. 12,9 Zoll groß. Seine angewinkelte Position wirkt noch immer arg aufgesetzt. Die MIB4-Software steht für eine zum Teil
deutlich bessere Darstellung und Bedienbarkeit, ebenso verbessert wurde der Sprachassistent mit dem merkwürdigen Namen Ida. Zusätzlich
verfügt der Golf nun auch an eine von VW auf der CES groß in Szene gesetzte Integration von ChatGPT, was man aber mehr als Marketing-Gag
denn als sinnvoll praktisch nutzbare Funktion werten kann.
Die Slider für Temperatur und Lautstärke sind nun auf dem Stand vom Golf II - will heißen: beleuchtet. Schlechter intiutiv bedienbar als jede
frühere Heizungs- oder Lautstärkesteuerung bleiben sie dennoch. Ein echter Fortschritt ist indes das Lenkrad, das nun endlich wieder über
echte Tasten anstelle von Touchflächen verfügt - die aber in vielen Varianten in Hochglanz ausgeführt sind und also immer schmutzig wirken.
Das digitale Kombiinstrument hört jetzt auf den Zusatznamen "Pro", ist mit seinen 10,2 Zoll Größe aber weiterhin sehr basic gegenüber dem
Golf-VII-Standard.
In Sachen Ausstattung beschränkt sich das Facelift auf zwei Neuerungen: So hält das schon vor sechs Jahren im Passat eingeführte
360-Grad-Kamerasystem Einzug in den Golf, dazu kommt der "Park Assist Pro", der ein fernbedientes Ein- und Ausparken via Handy
ermöglicht - wohl zum ersten Mal in der Kompaktklasse.
Keine Rückkehr zu Detailliebe
"Und sonst so?", werden Sie denken. Nun, sonst eher nichts Positives mehr. Eine elektrische Heckklappe, wie sie etwa Skoda schon im Scala
anbietet, kann VW weiterhin nicht liefern. Golf-VI-Standards wie ein abgedecktes Schloss am Türgriff, Kleiderhaken an der B-Säule,
Knieairbag, Haubenlift (Standard bei Dacia!), per Rändelrad schließende Luftduschen, weiche Türverkleidungen im Fond oder einen vernünftig
blind zu bedienenden, nicht englisch beschrifteten Lichtschalter glänzen weiter mit Abwesenheit.
Die Heckscheibenheizung wird noch immer im "Lichtzentrum" aktiviert, obwohl doch das Klima-Menü in der Mittelkonsole seinen Taster hat,
die Beifahrer-Heizung startet auf "ECO", die Plug-in-Ladeklappe ist auf der falschen Fahrzeugseite positioniert, die inneren Türgriffe
sind zu horizontal angeordnet, der Wählhebel-Stummel hat keine Schaltfunktion mehr, das Handschuhfach kein Schloss, Schubladen unter den
Sitzen sind abgeschafft ebenso wie der rahmenlose Innenspiegel. Praktische Details wie bei Skoda sucht man natürlich vergebens, moderne
Nettigkeiten wie einen Fahrzeugschlüssel im Handy auch - und spätestens wenn man erkennt, dass die Assistenzsensorik nun nicht mehr
versteckt im VW-Logo sitzt, sondern sichtbar in der Schürze, dann dürfte für viele frühere Golf-Fans auch dieses Mal das Portemonnaie
geschlossen bleiben.
GTE deutlich besser, keine volle Hybridisierung, GTD entfällt
Antriebsseitig ist die wichtigste Neuerung und echter Fortschritt beim GTE, den VW jetzt schon als "ikonisch" beschreibt, zu finden,
dessen mit 20 kWh doppelt so große Batterie sich nun schneller laden lässt und Reichweiten bis zu 100 Kilometern ermöglicht. Auch wurde
hier der feine, aber veraltete 1,4 TSI durch das 1,5-Liter-Aggregat ersetzt. Der GTI ist etwas stärker geworden, aber nichts Genaues
weiß man nicht, denn VW findet es cool, geladenen Journalisten mehr Infos zu geben als nicht geladenen, die keinerlei technische Daten
erhalten.
Zwei eTSI mit Mildhybrid-Technik und vier TSI seien verfügbar, schreibt VW, tatsächlich sind es aber nur zwei Motoren mit 115 (1,0-Dreizylinder,
bisher 110 PS) und 150 PS (1,5-Liter-Vierzylinder), die es entweder mit Mildhybridisierung und DSG oder ohne mit manuellem Getriebe gibt. Warum
man nicht einfach Mildhybrid zum Standard macht und auch den Dieseln (2,0 TDI mit 115 und 150 PS) gönnt, bleibt ebenso offen wie die Koppelung
mit der Zylinderabschaltung. VWs Behauptung, die Modellpflege führe auch zu mehr Effizienz, halten wir jedenfalls aktuell für nicht mehr als heiße
PR-Luft.
Apropos Diesel: Während die image-, aber auch CO2-starken GTI-, GTI-Clubsport- und R-Modelle beibehalten und nochmals stärker werden, hat VW den
GTD wortlos beerdigt, obschon er viel Fahrspaß mit wenig Verbrauch verband, viel "ikonischer" ist als ein GTE, und die aktuellen VW-Diesel doch
angeblich so sauber sind wie nie zuvor. Und obwohl das Triebwerk im Passat nach wie vor angeboten wird. Der R wird wiederum auch als Variant
verkauft, GTE und GTI nicht.
Enttäuschene Überarbeitung
Am Ende bleibt Frust. Auch unter einem seit der ursprünglichen Golf-VIII-Premiere neuen Konzernchef, einem neuen Markenchef und weiterer Jahre
der Erfahrung, dass zumindest einige Kunden die noch nie so krass betriebene Entfeinerung durchaus bemerken, steckt im Golf-Facelift alles - nur
kein Herzblut, keine Detailliebe, keine Besinnung auf frühere Tugenden. Man hört, dass der achte Golf nun doch nicht wie zwischendurch lanciert
der letzte sein soll - die Hoffnung stirbt zuletzt. "Mehr Golf geht nicht", frohlockt derweil VW-Markenchef Thomas Schäfer zum Facelift. Mehr
Enttäuschung bei uns auch nicht.