Zurück zu klassischen Design-Tugenden / Marktstart erst 2025
VW ID2.all: Ausblick auf Elektro-Polo
Volkswagen zeigt die Zukunft der elektrischen Modelle unterhalb des bisherigen Portfolios. Der künftige Stromer im Polo-Format
setzt auf ein neues Antriebskonzept, vor allem aber auf die Rückkehr zu früheren Werten in Sachen Design und Sympathie. Doch
so fertig das Auto aussieht, so lange dauert seine Einführung noch.
Volkswagen
Ausblick auf Elektro-Polo:
Der ID.2all besinnt sich auf frühere Markentugenden
Volkswagen hat am Mittwoch Abend in Wolfsburg einen Ausblick auf den ID.2 gegeben. Moment, werden Sie denken, den gab es doch schon
im Herbst 2021, mit dem ID.Life? Ja, das stimmt, aber die Studie war so daneben, dass es - anschließend! - sogar den Verantwortlichen
in Wolfsburg aufgefallen ist, die in den letzten Jahren so viel schlechtes Design und mangelnde Detailliebe durchgewunken haben wie in
Jahrzehnten zuvor nicht.
Der ID2.Life wird demnach nicht die Blaupause für den neuen Stromer sein, vielmehr markierte er den Beginn vom Ende des Chefdesigners
Jozef Kaban, der, das muss man hinzufügen, zuvor viele gelungene Autos für den Konzern gezeichnet hat. Seit Februar liegt das Design
wie berichtet in den Händen von Andreas Mindt, der unter anderem für Tiguan I, Golf VII sowie Audi A1,
Q3 und Q8 (mit-)verantwortlich war. Er hat seitdem (und mutmaßlich schon zuvor) einen neuen ID.2-Entwurf erstellt. VW nennt die Studie
ID2.all - und, so viel darf man vorwegnehmen, sie ist um Welten besser als der ID2.Life.
"Geräumig wie ein Golf und preiswert wie ein Polo", sei der ID2.all, kündigt der Autobauer an. Und so klein wie ein Polo, darf man
hinzufügen. Die Studie ist mit 4,05 Metern praktisch so lang wie ein aktueller Polo, baut dafür aber etwas breiter (1,81 Meter) und wegen
der Akkus höher (1,53 Meter). Der Radstand liegt bei 2,60 (Golf: 2,62) statt 2,55 Metern. Als Basis dient der sog. "MEB Entry", eine neue
Elektro-Plattform, die mit dem bisherigen MEB vor allem den Namen gemein hat: MEB Entry nämlich bedeutet, dass Motor und Antrieb vorne sitzen.
Viel Platz und viel Stauraum
Das neue Konzept bietet Package-Vorteile: Der ID2.all weist einen richtig großen Kofferraum aus. 490 Liter passen hinein, über 100 mehr als
in einen aktuellen Golf. Ein Teil davon geht zurück auf eine große Staubox unter dem eigentlichen Kofferraumboden - groß bedeutet, dass
hier mehrere Getränkekisten und ein kleiner Trolley hineinpassen.
Maximal beträgt das Ladevolumen 1.330 Liter, optional lässt sich die Beifahrersitzlehne nach vorne umklappen, so dass eine 2,20 Meter lange
Ladefläche entsteht, die laut Foto schön eben ist. Und das ist noch nicht alles: Unter der Rücksitzbank hat VW ein weiteres großes Fach vorgesehen,
das gedacht ist für die Ladekabel und Verbandskasten, und das außerdem Laptops oder Tablets aufnimmt, die dort auch geladen werden können.
Das Fach bietet 50 Liter Volumen (die in den 1.330 wohl eingerechnet sind) und ist abschließbar. Im Gegenzug allerdings entfällt wohl das Handschuhfach.
Ordentliche Motorisierung und optimierte Ladezeiten
Die Elektro-Maschine soll umgerechnet 226 PS leisten und damit stärker sein als die ID.3-Varianten. So richtig gut mag das im Hinblick
auf die Traktion zum Frontantrieb nicht passen, aber es folgt dem Trend zu hohen Leistungen.
Das Drehmoment ist noch nicht bekannt, die
Spurtzeit auf Tempo 10 gibt VW mit "unter sieben Sekunden" an. Bei der Höchstgeschwindigkeit bleibt der ID.2all dafür mit 160 km/h auf
ID.3-Niveau.
Zur Größe des Akkus gibt es noch keine Angaben, wohl aber zur Reichweite: 450 Kilometer sind geplant, was noch nicht ganzn überzeugend
wirkt. Der ID.3 kommt aktuell je nach Akku auf 426 bzw. 546 Kilometer. Im Vorteil ist der kleine Stromer dagegen wieder beim Aufladen.
20 Minuten (statt 30-35 beim ID.3) lautet die Vorgabe für zehn bis achtzig Prozent am Schnellader, und das ist schon recht praxistauglich.
Zu Hause wird mit 11 KW geladen.
Zurück zu klassischen Design-Tugenden
Die wichtigste Botschaft des ID2.all geht indes von seinem Auftritt aus. "Volkswagen rückt das Design wieder stärker in den Fokus",
heißt es dazu aus Wolfsburg, und das ist für PR-Texte schon ein ziemlich deutliches Eingeständnis der bisherigen Versäumnisse. Der ID.2
soll auch einen allgemeinen Ausblick auf die künftige Designsprache von VW geben und so das von VW-Marken-CEO Thomas Schäfer ausgegebene
Ziel unterstützen, die Marke wieder zu einer "echten Love Brand" zu machen.
In der Tat könnte das gelingen, denn der ID.2all sieht zunächst einmal weitgehend sympathisch aus. Die ganzen Merkwürdigkeiten bisheriger
ID-Modelle sind passé, das Auto steht satt, unaufgeregt und mit einem recht zeitlosen Antlitz auf seinen großen 20-Zoll-Rädern. Vorne gibt
es ein unaufgeregtes "Gesicht", das zwar nicht an die Präsenz eines Golf IV oder VI heranreicht, aber so oder ähnlich durchaus den Geschmack
der Mehrheit treffen kann. Die Seitenlinie wird bestimmt durch eine für die Marke lange Jahre stilprägende vollständig geradlinige Fensterbrüstung,
wobei dem ID2.all tatsächlich zwei Fenster reichen: Weder vorne noch hinten gibt es Dreiecksfenster.
Die Flächen sind gerade modelliert, folgen in der Höhenverteilung dem Prinzip des Goldenen Schnitts und zitieren die starke C-Säule, wie das
VW-Kunden seit Jahrzehnten kennen. Dieses Mal soll die C-Säule stärker in die Flanke hineinlaufen, weswegen die sogenannte "Feature Line", die
Lichtkante unterhalb der Fensterlinie, im hinteren Bereich hochgezogen wird. Dafür musste der hintere Türgriff nach oben ins Fenstereck verlegt
werden. Auf eine ausgestellte Schulter verzichtet die Formensprache.
Auch das Heck verzichtet auf Sperenzchen, sieht man von dem rot beleuchteten Logo ab, das beginnend mit dem bevorstehenden Touareg-Facelift alle
neuen VWs "zieren" wird. Heckschürze, Dachkantenspoiler mit Bremsleuchte und Heckwischer sind im besten Sinne klassisch ausgeführt. Dies gilt auch für
Details wie Radläufe, Schweller und sogar die vorderen Türgriffe, die den unsinnigen und vor allem unpraktischen Klapp-Trend von ID.4/ID.5 nicht
fortführen. Lediglich die kleinen Außenspiegel mit ihrem feststehenden Glas à la Polestar II sind störend, dürften aber eine bewusste
Studien-Verfremdung sein.
Optimierungen auch im Interieur
Das Interieur folgt dem allseits zu beobachtenden Trend der einfacheren optischen Gestaltung, der doppelstöckigen und offenen Mittelkonsole und
natürlich der großen Bildschirme. 12,3 Zoll misst der zentrale Touchscreen, das ist Gleichstand zum Facelift-ID.3 und sicher ausreichend.
Wichtiger ist, dass das Display hinter dem Lenkrad nicht mehr 5,3 Zoll winzig, sondern 10,9 Zoll groß ist. Noch immer aber hält VW an der
nicht zusammenhängenden Platzierung fest, was das Erscheinungsbild nicht eben beflügelt.
Die Studie lässt darüberhinaus Luftduschen, ein Handschuhfach und, soweit erkennbar, auch Türtaschen vermissen. Immerhin gibt es anders als
im ID.3 vier Fensterheber-Schalter und echte Tasten für Sitzheizung und Temperaturwahl. VW beeilt sich angesichts der
massiven Kritik am aktuellen System auch zu betonen, dass diese Schalter beleuchtet seien. Ganz so wie schon im Golf II, wollen wir hinzufügen.
Für die Fahrmodus-Wahl und die Designauswahl der Instrumentierung hat die Studie einen wertig ausgeführten Drehschalter auf der Konsole, für die
Lautstärke-Regelung eine schön anzusehende, aber nur mäßig praktische Drehwalze.
Auch das Lenkrad ist beidseits mit Drehwalzen und jeweils nur zwei Tasten bestückt; wie alle Funktionen damit bedient werden sollen, ist unklar.
Zu einer Rückkehr zu dem nicht verbesserungsfähigen Drehschalter fürs Licht konnten sich die Planer indes nicht durchringen. Einige Tasten sind nun
im Dachhimmel angeordnet. Die Studie verfügt über zahlreiche USB-C-Buchsen, eine 230-Volt-Steckdose, elektrisch verstellbare Massagesitze vorne,
Head-up-Display, vorne und hinten über je zwei kabellose Handylader mit Magnetarretierung und auch über ein Panoramadach, das aber wiederum nur
fest ausgeführt ist.
Insgesamt ist die Bedienung einerseits besser umgesetzt als im ID.3 oder im Golf VIII, kann andererseits aber mit den früheren Standards etwa im Golf VII
nach wie vor nicht mithalten.
Weitgehend überzeugende Studie mit noch langem Vorlauf
Fazit: Volkswagen hat es doch nicht verlernt. Der ID2.all wirkt sympathisch und praxistauglich - und für eine Studie überraschend seriennah. Offene Wünsche
sind nur die erwähnten Kleinigkeiten (wie Handschuhfach, Luftduschen, Display-Anordnung, Außenspiegel) und nicht zuletzt ein vernünftiger Modellname - Polo
zum Beispiel. Schade, dass die Wolfsburger das fertige Auto erst 2025 einführen wollen, oder wie es heißt: "bereits 2025". Der Basispreis soll dann unter
25.000 Euro liegen, und wenn das klappt, dürfte die Elektromobilität tatsächlich richtig Fahrt aufnehmen. Das wissen auch die Konzernstrategen, die das
Elektro-Ziel für Europa 2026 gerade von 70 auf 80 Prozent angehoben haben.