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Samstag, 12. Oktober 2024
Kölner Kindl merklich gereift / Fahrbericht

Unterwegs im Ford Fiesta: Endlich erwachsen

Wir sind kürzlich fort gefahren, um Ford zu fahren: Auf einer ersten Ausfahrt sollte der neue Fiesta zeigen, was er kann. Schnell war klar: Der neue Kleinwagen ist in jeder Beziehung merklich und sympathisch gereift und dem ausgelaufenen Modell überlegen. Wenn nur die Preise nicht auch so anders wären.
Autokiste
Unterwegs im neuen Ford Fiesta:
Die Farbe muss man mögen, das Auto selbst ist so gut wie nie zuvor
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Von wegen Polo: In Europa ist der Ford Fiesta das meistverkaufte Auto der Kleinwagen-Klasse. Seit dem Start des ersten Modells, das mehr Fiasko als Fiesta war, haben die Kölner über 17 Millionen Stück weltweit verkauft. Das muss man wissen, wenn man sich mit dem Auto beschäftigt, denn der Fiesta hat für den Autobauer große Bedeutung, weit mehr als alle drei MAX-Baureihen und der Mondeo zusammen.

Man darf also erwarten, dass sich die Verantwortlichen Mühe gegeben haben, viel Mühe. Und wie eingangs schon vorweggenommen: das haben sie. Nun ist es ja nicht so, dass der bisherige Fiesta ein schlechtes Auto gewesen wäre, und doch war er an zu vielen Stellen zu Ford-typisch: ein bisschen mehr verspielt als nötig, ein bisschen zu lieblos im Detail, letztlich nichts, was einem spontan das Portemonnaie öffnete. Die Marschrichtung bei der neuen, inzwischen achten Generation war klar: Upscaling nennt sich das im Marketing-Sprech, Höherpositionierung.

Das Ansinnen erscheint sinnvoll, weil einerseits viele Konkurrenten nicht Anderes tun, andererseits aber auch, weil Ford für Kunden, die geringere Ansprüche haben, den neuen Ka+ vorhält, der ordentlich Platz mit viel Rationalität und überschaubaren Preisen verbindet. Während der in Brasilien entwickelte und in Indien gebaute Ka+ stets viertürig ist, bleibt Ford beim Fiesta dem Dreitürer treu: Die Marktforschung will im Gegensatz zu deren Kollegen von VW oder Seat oder Hyundai ermittelt haben, dass nicht jeder die zusätzlichen Türen haben mag.

Vor allem aber: Der Fiesta wird in Köln gebaut - ausschließlich in Köln. Damit ist er - wenn Opel bald die Corsa-Fertigung aus Eisenach abzieht - das einzige Auto dieser Klasse, das noch "vor Ort" montiert wird. Man muss kein schlimmer Patriot sein, um das sympathisch zu finden.

Dass der Fiesta sich künftig höher streckt, wird schon an der Testflotte klar, die Ford bereithält. Nicht ein einziges Auto mit kleinem Motor und/oder kleiner Ausstattung haben die Ford-Mannen mitgebracht, vielmehr tummeln sich Dutzende reichhaltig bis voll ausgestatte, metalliclackierte "Titanium"-Modelle auf dem Hof.

Schon auf den ersten Blick manifestiert sich die Umsetzung: Die Designer haben die über lange Zeit stilgebenden vertikalen Rückleuchten zugunsten einer horizontalen Lösung aufgegeben. Das gibt dem Auto mehr Breitenwirkung und, weil die Leuchten sogar geteilt und teilweise LED-bestückt sind, einen Hauch von Premium. Dieser findet sich auch an vielen anderen Stellen. Beispielhaft erwähnt sei das Tagfahrlicht, das seine traurigen Kollegen bei Focus oder Kuga um Welten überstrahlt, die nun auch beim Fiesta erhältlichen, automatisch ausfahrenden Türkantenschützer oder der stabil umgesetzte, einhändig bedienbare doppelte Ladeboden im Kofferraum.

Auch abseits des Lichtdesigns tritt der Fiesta schöner als bisher auf, weil er auf die ein oder andere Sicke verzichtet, die Scheibenwaschdüsen versteckt, die Heckklappe ohne Fuge auskommt und die Radhäuser wesentlich passender ins Blech gepresst sind. Dazu kommen ein Heckwischer mit endlich in der Scheibe befindlicher Achse, schönere Außenspiegel und ein nicht mehr ganz so kitschiger Modellschriftzug. Lediglich der Bereich zwischen dem vorderen Dreiecksfenster und der A-Säulen-Wurzel vermag noch immer Stirnrunzeln auszulösen.

Das Platzangebot darf als ausreichend in einem positiven Sinne gelten, speziell im Fond und im Kofferraum fällt der Fiesta aber gegenüber der ebenfalls neuen Konkurrenz von VW und Seat leicht zurück.

Vor allem aber wird der Paradigmenwechsel von verspielt-lieblos zu hochwertig-zeitlos deutlich, wenn man im Fiesta Platz nimmt. Dass dort endlich der Krieg der Knöpfe auf der - mit Verlaub - hässlichen Mittelkonsole mit ihrem Höhlen-Display beendet wurde, ist der eine, erwartbare Fortschritt.

Der andere ist ein zentraler, halb freistehender Monitor à la Mercedes oder Hyundai, der im besten Falle acht Zoll groß ist, mit hervorragender Farbbrillanz und Schärfe erfreut, sich keine Schwächen bei Fingerabdruck-Empfindlichkeit oder Blickwinkel-Vorgabe leistet und so knackig agiert wie an einem Smartphone der teureren Sorte. Die Bedienlogik leistet sich kleinere Schwächen, die aber höchstens Mietwagen-Fahrer kurz irritieren dürften, insgesamt gefällt das "SYNC3" genannte System mit integrierter Notruffunktion (via Handy) und auch sein Rückfahrkamera-Bild sehr gut.

Doch des Testers Auge ist noch mehr überrascht angesichts der Details, die sich Ford sonst im Interieur leistet: So gute Cupholder, so zahlreiche Ablagen, so eine angenehme Mittelarmlehne kannte man von Ford bisher eher nicht. Die verbliebenen Schalter sind überwiegend mit feinen Chromrähmchen versehen und sogar mit Kontrollleuchten, die Einstellmöglichkeiten sind (bis auf den Komfortblinker) umfangreich, und der feine Klick der Luftduschen-Rädchen hat Audi-Niveau.

An der Klimabedieneinheit gibt es nichts zu mäkeln, das Gebläse ist siebenstufig, die Ambientebeleuchtung großzügig, die Fensterheber haben allesamt eine Komfortfunktion, und sogar eine Parklicht-Funktion (einseitiges Standlicht) bringt der Fiesta mit. Auch die Instrumentierung, die erst nach dem Aktivieren der Zündung zum Leben erwacht, verdient Erwähnung: Vergessen Sie Tuben mit Eselohren, dicke Zeiger, merkwürdige Schriften und Mini-Anzeigen, freuen Sie sich auf das neue, großzügige, Layout. So liebevoll, zeitlos und scharf umgesetzte Anzeigen gab es in einem Ford noch nie. Auch der Bordcomputer ist besser gemacht als bei den allermeisten Wettbewerbern, seine gleichzeitige Anzeige von vier Werten etwa ist sogar dem sonst lobenswerten VW-System überlegen. Hut ab für so viel ungeahnte Lust am Detail in dieser Klasse.

Ganz offensichtlich haben die Produktplaner hier das interne Duell mit dem Controlling gewonnen. Lediglich vereinzelte Kleinigkeiten wie die komplett fehlenden Dachhaltegriffe, das billige Plastik an den Türöffnern, die nur vier Radschrauben oder die Griffnase am Tankdeckel verraten, dass zu einem Kompromiss immer zwei Gewinner gehören.

Für den Antrieb hat Ford aktuell fünf Varianten im Angebot. Es geht los mit dem 1,1-Liter-Dreizylinder mit 70 und 85 PS, der aber leider respektive glücklicherweise für Testfahrten nicht zur Verfügung stand und zum Upscaling-Gedanken passt wie Altbier zu Köln. Standard-Motor aus Werkssicht ist denn auch das aufgeladene "Ecoboost"-Triebwerk, das für einen Dreizylinder nach wie vor mit guter Laufkultur erfreut. Die 1,0-Liter-Maschine gibt es zunächst mit 100 und 125 PS, beide wirken in Sachen Leistung näher beieinander als es die Papierwerte vermuten lassen, und beide wirken, wenn es mal etwas schneller gehen soll, so gleichmäßig in der Leistungsentfaltung wie auch zäh. Auch einen satten Sound darf man nicht erwarten.

Die 140-PS-Variante, die später nachgereicht wird, dürfte hieran wenig ändern. Wer es wirklich sportlich will, muss auf den Fiesta ST warten, der 2018 nachgereicht wird. Mit 200 PS aus 1,5 Litern Hubraum verspricht er mehr Spaß, obschon auch hier nur noch drei Zylinder werkeln.

Trotz der geringen Nachfrage und der aktuellen Diskussionen offeriert Ford weiterhin auch einen Diesel. Der ist vierzylindrig, 1,5 Liter groß und leistet 85 oder 120 PS. Letztere Variante überrascht mit hohen Geräuschkomfort und einer ebenfalls überschaubaren Leistungsabgabe. Manch gleichstarkes Modell der Kompaktklasse ist quirliger als der Fiesta. Der Diesel ist aber nicht nur teurer und sparsamer - Realverbrauch unter sechs Liter - als der Benziner, sondern auch weniger zukunftsfähig: Eine moderne Abgasreinigung mit SCR-Katalysator und Adblue-Additivierung hält Ford trotz der aktuellen Diskussionen für obsolet, der Selbstzünder ist demnach nicht sicher vor künftigen Fahrverboten und hohem Wertverlust.

Die Kraftübertragung obliegt bei den besseren Motoren einem manuellen Sechsgang-Getriebe, das keine Kritikpunkte vermittelt. Eine Automatik-Version gibt es auch, aber sie können wir nicht empfehlen: Ausschließlich verfügbar mit dem 100-PS-Motor, handelt sich um ein Wandlergetriebe mit sechs Fahrstufen, das mit seinen teils ruppigen Schaltvorgängen mehr bemüht als begeistert wirkt und einen Wählhebel mitbringt, der in seiner billigen Anmutung aus dem Vorgänger stammen könnte. Immerhin gehören zum Automatik-Paket Schaltwippen am Lenkrad.

Das Fahrverhalten dagegen verbucht der kleine Kölner wieder auf der Haben-Seite. Dass Ford Fahrwerke abstimmen kann, ist nicht neu, dass der Fiesta so satt auf der Straße liegt wie ein Kompakter, dagegen schon. Abgesehen von einer leichten Neigung zum Hoppeln auf bestimmten Autobahnbelägen leistet sich der Fiesta keine Schwächen, vermittelt einen sicheren, ruhigen, windgeräuscharmen Eindruck - auch bei 200 km/h. Bequeme Sitze im "Titanium" und angenehme Kopfstützen unterstreichen die Reise-Qualitäten ebenso wie die zahlreich offerierten Extras, vor allem das große Panorama-Glasdach, die Frontscheibenheizung und das Spundsystem, das Ford hochwertiger einkauft als etwa die VW-Mannen, bei keinem Geringeren als bei B&O nämlich.

Schließlich noch ein Blick auf die Assistenzsysteme. Nicht weniger als zwei Kamera-, drei Radar- und zwölf Ultraschall-Module verdeutlichen auch hier, wie der Fiesta nach oben strebt. Gemeinsam können sie einen 360-Grad-Bereich rund um das Fahrzeug überwachen und bei Geradeausfahrt die nächsten 130 Meter der Straße scannen. Die Informationen versorgen den Pre-Collision-Assist mit Fußgänger-Erkennung, den Parkassistenten mit Bremseingriff, den Querverkehrswarner, die Verkehrszeichenerkennung, den Tote-Winkel-Assistenten, den Distanzwarner, den Fernlicht-Assistenten, den Abstandstempomaten und den Spurhalteassistenten.

Nicht selbstverständlich ist dabei, dass sich viele dieser Systeme nach Wunsch konfigurieren lassen, etwa was den gewünschten Abstand, die Toleranz bei der Geschwindigkeitswarnung oder die Arbeitsweise der Spurführung (Warnung per Lenkradvibration, Lenkeingriff oder beides) betrifft. Ebenfalls angenehm: ACC, also die Adaptivfunktion des Tempomaten, lässt sich abstellen. Während auf der Ausfahrt die ACC gut und die Verkehrszeichenerkennung sehr gut funktionierten, war die aktive Spurführung nicht immer in der Lage, Gegenpendelbewegungen abzufangen. Die Auffahrwarnung agiert ebenfalls gut, das schnell rot blinkende Display weckt besser als anderswo.

Insgesamt: Ford hat beim neuen Fiesta vieles richtig gemacht. Das Auto wirkt gegenüber dem Vorgänger wesentlich erwachsener, ist sicherer, komfortabler, detailverliebter und vernetzter geworden, dazu schöner (außen) respektive wesentlich schöner (innen). Am Ende bleibt dennoch ein Fragezeichen, denn die Höherpositionierung findet nicht nur am Auto statt, sondern auch in der Preisliste. Die beginnt jetzt bei knapp 13.000 Euro, 2.000 mehr als bisher. Das geht angesichts des Mehrwerts zunächst in Ordnung, doch wer den Fiesta einmal konfiguriert, wird aus dem Staunen nicht mehr herauskommen.

"Trend" und "Cool&Connect", die beiden kleinsten Ausstattungsniveaus, kommen recht karg daher - wenn auch auf größeren und breiteren Rädern als der neue VW Polo. Wer ein bisschen Lust am Auto hat, muss aber mindestens zum "Titanium" greifen, der fünftürig mit dem kleinsten Ecoboost ab 18.950 Euro verkauft wird, ohne wirklich reichhaltig ausstaffiert zu sein: Klimaautomatik und 8-Zoll-Monitor etwa gehen genauso extra wie Parksensoren oder Sitzheizung. Anders formuliert: Die von uns gefahrenen vier Varianten trugen alle ein Preisschild jenseits der 25.000-Euro-Marke, der Diesel lag bei fast 28.000 Euro, und selbst er war dabei noch nicht einmal voll ausgestattet.

Für einen Kleinwagen will diese Positionierung erst einmal verdaut sein, und wir hegen Zweifel, ob die typische Fiesta-Kundin das mitmachen wird, weil sie nun weiß, dass sie bis auf die viel Platzverhältnisse mehr Gegenwert bekommt als bisher und auch als bei einem Focus, oder ob sie dann doch lieber den Ka+ kauft, der auch fährt.
text  Hanno S. Ritter
IM KONTEXT: DER BLICK INS WEB
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