Kommentar
Kfz-Steuerbefreiung: Ein Lehrbuch-Stück über verfehlte Politik
Nach dem von der Bundesregierung beschlossenen Konjunkturprogramm sind ab sofort alle neu zugelassenen Autos für
maximal zwei Jahre von der Kfz-Steuer befreit. Ein Stück aus dem Lehrbuch über verfehlte Politik, meint Hanno S. Ritter.
Politiker sind langsam und unfähig, so die weitverbreitete Meinung im Volk. Bei der Finanzkrise mag mancher überrascht
gewesen sein, wie schnell die Regierung imstande war, Maßnahmen zu beschließen, deren finanzieller Wert mit Hunderten
von Milliarden sich jeder vernünftigen Vorstellung entzieht.
Weil offenbar nicht nur der Finanzsektor von den Turbulenzen betroffen ist, sondern unter anderem auch die Autoindustrie,
gibt es nun auch hier schnelle Geschenke vom Staat. Über Kaufanreize sollen die Hersteller gestützt werden; Auto-Werkstätten,
Waschstraßen-Betreiber (oder Motorjournalisten) gehen unterdessen leer aus. Konkret: Wer einen Neuwagen kauft, muss
keine Kfz-Steuer bezahlen. Das klingt ebenso einfach wie es blödsinnig ist: Weil es keinen wirklichen Anreiz schafft,
den Kaufvertrag zu unterschreiben, und weil es null Lenkungswirkung in Bezug auf Umwelt oder Sicherheit hat.
Die Umweltverbände hatten unisono nach Bekanntwerden der Pläne aufgeschrieen und den fehlenden Umweltfaktor bemängelt.
Das ist ihr Job oder ihre Berufung, mag man denken, aber die Modellrechnungen sind nicht von der Hand zu weisen. Wer
sich jetzt einen Audi Q7 V12 TDI (EU5) kauft, spart in den beiden Jahren zusammen 1.852 Euro an Kfz-Steuer. Wer sich mit
einem Smart (EU4) begnügen will oder muss, erhält vom Staat ganze 67 Euro geschenkt. Das riecht nach Ungerechtigkeit
- auch dann, wenn man prozentual vom Kaufpreis rechnet: 1,41 Prozent sind es beim dicken SUV, 0,68 beim kargen Kleinstwagen.
Ein extremes Beispiel, gewiss, aber auch wer einen Q5 TDI mit einem A3 vergleicht, kommt auf das Missverhältnis. Damit
unterstützt der Staat die Reicheren mehr als die weniger Reichen, genau wie es das Stammtisch-Urteil besagt. Außerdem
werden Pkw mit großen Motoren wegen der nach wie vor bestehenden Ausrichtung der Steuer am Hubraum stärker unterstützt
als sparsame Modellvarianten, auch innerhalb einer Baureihe. Was für die Hersteller gut klingt, ist umweltpolitisch
nachgerade idiotisch, und das ausdrücklich auch, wenn man den CO2-Hype und die SUV-Verteufelung nicht unterstützt.
Firmen, die in Deutschland aktuell für rund 60 Prozent aller Neuzulassungen stehen, sind noch weniger an der geringen
Ersparnis interessiert. Sie kaufen Autos in der Regel dann, wenn Bedarf besteht oder der Leasingvertrag ausläuft.
Eine Steuerersparnis in der jetzt beschlossenen Höhe ist da nicht der Rede wert. Aber auch für Privatpersonen hält
sich der Anreiz, vorsichtig formuliert, in Grenzen: Wer würde schon etwa einen Fernseher für 800 Euro kaufen, nur
weil ihm der Staat ganze 5 oder 10 Euro dazugibt?
Ein klassisches Konjunkturprogramm werde es nicht geben, hatte Angela Merkel noch kürzlich geäußert - und nun genau
das Gegenteil umgesetzt, jedenfalls bei den Autos. Die Kanzlerin und ihr Kabinett unterstützen also jetzt Käufer von
Pkw, die die Abgasnorm EU4 erfüllen. Das ist nicht mehr als gesetzlicher Standard - kurz: eine Lachnummer - und im
übrigen sogar ohne Rußfilter möglich, wie Citroën C1, Dacia Logan, Smart CDI (offenes DPF-System) und andere beweisen.
Die EU5-Norm, die ab September 2009 verbindlich wird und jetzt schon zigtausendfach in den Verkehr kommt, setzt die
Politik schlicht mit der anspruchsvolleren EU6 (startet 2014) gleich, die bisher bzw. demnächst gerade einmal zwei
Fahrzeugmodelle erfüllen.
Der Verband der Autoindustrie (VDA) konnte es zwar nicht lassen, die Subvention zu begrüßen, war damit aber weitgehend
allein auf weiter Flur: Nicht nur die Umweltverbände, sondern auch diverse Finanz- und Autoexperten, ja selbst ACE und
ADAC haben die Pläne teils scharf kritisiert. Die Argumente sind aber an der Regierung abgeprallt wie Wassertropfen an
einer Glasscheibe mit Nanobeschichtung. Nun ist es also beschlossen und gilt - man hält es kaum für möglich - auch noch
ab sofort. Das alles kostet den Staat Millionen an Einnahmeausfällen, pervertiert das höchst vernünftige Ziel eines
ausgeglichen Haushalts - bringt dem einzelnen Bürger aber nur ein paar Hunderter, und das
unabhängig davon,
ob ein Kleinwagen oder ein großes SUV angeschafft wird.
Die von wochenlangen Werkssschließungen betroffenen Arbeitnehmer bei Opel, BMW oder Mercedes haben zwar bisher
keine finanziellen Einbußen gehabt, müssen solche aber befürchten. Gerade in ihren Ohren muss derart unsinniger
und mutmaßlich unwirksamer Aktionismus der Politik wie Hohn klingen.
Die Alternative wäre eine komplette Abschaffung der Kfz-Steuer, evtl. mit Kompensation über die Mineralölsteuer, oder
doch jedenfalls eine sinnvolle Lenkung der Kaufkraft: Die Steuer sollte sich nur noch am Verbrauch und den Emissionen
orientieren, und zwar (auch hier) nicht nach dem Gießkannen-Prinzip, sondern bezogen auf die einzelnen Fahrzeugklassen.
Man kann und sollte einen Geländewagen nicht mit einem Kleinwagen vergleichen. Dazu wünschenswert wäre ein Bonus für
besonders sichere Autos, etwa zunächst für solche mit mindestens sechs Airbags und ESP.
Jedenfalls das mit der Schadstoffbezogenheit weiß man auch in Berlin, wo die Regierung tatsächlich CO2 statt
C02 schreibt, schiebt die Angelegenheit aber vor sich her, jahraus, jahrein. Fazit: Politiker sind (nicht immer)
langsam und unfähig. Schade – und ärgerlich. (ak/hsr)
text Hanno S. Ritter
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