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Sonntag, 5. Mai 2024
Von Hanno S. Ritter

Kommentar: Fernlichtassistent - Sicherheitsfeature mit fadem Beigeschmack

Wenn Politiker fordern, dass die Gesprächsgebühren im Mobilfunk fallen sollen, so ist dies populistisch, weil die Preise natürlich nicht von der Politik gemacht werden, aber letztlich eine Forderung, die jeder gerne hört. Wird das Begehren jedoch damit begründet, dass sich dann Kinder nicht so schnell verschulden würden, ist das an Dämlichkeit nicht mehr zu überbieten.

Der Vergleich hinkt, aber auch beim Thema Auto fällt immer mehr auf, wie moderne Technik, deren Entwicklung jeder Käufer mitbezahlt, die Dummheit der Leute ausgleichen soll - netter formuliert: Selbstverantwortung und simples Mitdenken immer mehr zurückdrängt.

Heutzutage muss man den Anlasser nicht mehr so kurz oder lang betätigen, bis der Motor läuft - das erledigt die Anlassautomatik. Das Licht schaltet der Lichtsensor alias "Fahrlichtassistent" ein - in der Praxis ärgerlicherweise oft viel zu spät. Weil die Leute auch eine halbe Stunde nach Regenende mit Scheibenwischern fahren und/oder die Intervallschaltung nicht kennen, musste der Regensensor her - und für den Heckwischer eine Kontrollleuchte, weil man das regelmäßige In-den-Rückspiegel-schauen offenbar nicht voraussetzen kann.

Das Automatikgetriebe muss "adaptiv" arbeiten, die Zentralverriegelung von selbst zuschließen, der Hill-Holder das Anfahren am Berg erleichtern, die Innenbeleuchtung beim Auto-Lüften von selbst abschalten, und so weiter und so fort. Nun also kommt der "Fernlichtassistent", notabene nicht in der neuen S-Klasse, auch nach Europa, und vor dem Hintergrund des geringen Preises wird man annehmen dürfen, dass diese Technik schon bald allüberall zum Standard gehören wird.

Wenn der FLA wirklich für mehr Sicherheit auf den Straßen sorgt, wie BMW dies behauptet, dann wird man ernsthaft nichts dagegen sagen können. Dennoch bleibt ein fader Beigeschmack: Wenn Autofahrer schon mit solchen 08/15-Aufgaben wie dem An- und Ausschalten von Fernlicht überfordert sind, während sie bequem im Auto sitzen und sonst nichts zu tun haben, sind sie womöglich sowieso fehl am Platze hinter dem Steuer.

Dass Errungenschaften wie ABS oder ESP in der Praxis durch Überkompensation im Risikoverhalten zunichte gemacht werden, scheint unglaubwürdig. Wohl aber sind es gerade Techniken wie der Fernlichtassistent, die dem Fahrer vorgaukeln, dass Konzentration, Aufmerksamkeit und Mitdenken im Auto mehr und mehr obsolet werden - ein Trugschluss, ärgerlich und gefährlich.

Davon abgesehen - der FLA kostet Geld, auch wenn er in Serie kommt, bringt wieder mehr Gewicht ins Auto und geht potentiell kaputt. Nichts gegen gut ausgestattete Autos - aber den FLA möchte ich persönlich nicht geschenkt haben. Sorry, BMW, aber "Freude am Fahren" ist etwas Anderes.

text  Hanno S. Ritter
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