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2-Liter-Auto: VW Up! Lite |
Volkswagen |
Ein nicht sehr serienreifes Ein-Liter-Auto hat Volkswagen vor wenigen Wochen auf der IAA vorgestellt, ein Drei-Liter-Auto
bringen die Wolfsburger in wenigen Wochen mit dem Polo BlueMotion in Serie. Die goldene Mitte lässt sich auf der Los
Angeles Autoshow bewundern: Mit dem "Up! Lite" zeigt VW bereits die fünfte Up!-Variante, die als Vollhybrid ausgelegt ist
und als Auto der Generation iPhone verstanden sein will.
Die wichtigste Zahl vorweg: Der Normverbrauch der Studie beträgt 2,44 Liter - nicht so eindrucksvoll wie der
im September präsentierte VW L1 mit der 1 vor dem Komma, dafür aber näher an der Serie, und zweifellos noch
immer höchst eindrucksvoll für ein Auto mit Platz für vier Personen, die in klassischer Sitzanordnung untergebracht
werden.
Wie bei bereits eingeführten Sparmodellen geht der hervorragende Verbrauchswert nicht auf die eine tolle
Technik zurück, sondern auf eine Vielzahl von Maßnahmen. Da ist zuvorderst der Motor. TDI, natürlich, schließlich
steht das Kürzel seit Jahren als Synonym für Sparsamkeit. Der Up Lite setzt dabei sozusagen auf eine Light-Variante,
die aus zwei Zylindern und exakt 800 Kubikzentimetern 51 PS und 120 Nm Drehmoment kitzelt.
Es handelt sich dabei um ein Derivat des auch im L1 eingesetzten Motors - und, jedenfalls grundsätzlich,
schlicht um einen halbierten 1,6 TDI, wie man ihn aus Polo, Golf & Co. kennt. Wenn es einmal mehr schnell als sparsam
gehen muss, erreicht der Dreitürer Tempo 100 nach 12,5 Sekunden und maximal 160 km/h.
Darüber hinaus sorgt der als auf der Kurbelwelle integriertes Impulsstartmodul (Anlasser, Lichtmaschine und E-Antrieb)
ausgelegte Elektromotor mit einer Leistung von 10 kW für eine Entlastung des Verbrennungsmotors und für zusätzlichen Schub
beim Beschleunigen (Boosten) sowie die Rückgewinnung kinetischer Energie (Rekuperation). Die Gesamtleistung beträgt maximal
65 PS. Das System ist dabei als Vollhybrid ausgelegt, will heißen: Auf kurzen Distanzen, etwa beim morgendlichen Start im
Wohngebiet oder bei Parkmanövern, kann auch rein elektrisch gefahren werden. Die nötige Energie liefert ein Lithium-Ionen-Akku,
dessen Kapazität eine Reichweite von zwei Kilometer erlaubt.
Das bei einem solchen Auto natürlich unverzichtbare Start-Stopp-System ergänzt VW hier um eine erweiterte Schubabschaltung:
Sobald das Gaspedal losgelassen wird, verstummt der TDI komplett; der E-Motor verlängert die Phase des "Segelns". In
punkto Kraftübertragung kommt das allseits bekannte 7-Gang-DSG zum Einsatz. Um tatsächlich auf 2,44 Liter Normverbrauch
zu kommen, muss allerdings eine Eco-Taste betätigt werden, die die TDI-Leistung auf 36 PS zurücknimmt.
Hohe Anforderungen an Leichtbau und Aerodynamik
Unverzichtbar für das Erreichen der hohen Effizienz sind neben der reinen Antriebstechnik Optimierungen im Hinblick auf
Gewicht und Fahrwiderstände. Ersteres haben die Wolfsburger Ingenieure durch konsequentes Weglassen sowie konsequenten
Leichtbau geschafft. Dazu gehören ein hoher Anteil von Aluminium und Details wie ein tatsächlich 3,3 Kilogramm leichtes
Dach aus Kohlefaserverbundwerkstoff und ein 20 Liter kleiner Tank. Insgesamt bringt der Lite 695 Kilo auf die
Waage - rund 40 Prozent weniger als ein Polo TDI.
Den Luftwiderstandswert beziffert VW auf gerade einmal 0,237, wichtiger noch ist das Produkt aus cw-Wert und
Stirnfläche, das mit 0,43 ebenfalls sehr gering ausfällt. Möglich wird dies durch die vergleichsweise geringe
Fahrzeugbreite von nur 1,60 Metern. Auch die recht große Länge von 3,84 Metern und die wiederum geringe Höhe
von 1,40 Metern geht teilweise auf aerodynamische Anforderungen zurück. Alle Scheiben sind absolut bündig eingesetzt,
Kanten und Absätze sucht man vergebens. Der Kühllufteinlass in der Frontschürze wird nur bei Bedarf geöffnet - aber
nicht unsichtbar wie bei BMW, sondern ganz "offiziell". Anstelle von Außenspiegeln gibt es Kameras. Dem Erfordernis
eines geringen Rollwiderstands sind 155 Millimeter schmale Reifen geschuldet.
Progressives Design, Interieur mit Monitortechnik
Das Design zeigt sich ebenso progressiv wie das ganze Auto, wobei wir die schnelle Einschätzung von Europas größter
Autozeitschrift, es habe Kultpotenzial, eher nicht teilen. Bestimmende Merkmale sind neben den ungewöhnlichen Proportionen
und der steilen Abrisskante am Heck im Stile des früheren Polo die 18-Zoll-Räder, die große Glasfläche der Heckklappe,
die die in die Stoßfänger integrierten, C-förmigen Nebelleuchten (vorne mit Blinker) im typische Stile des Up!-Designs.
Die Motorhaube lässt sich normalerweise nicht komplett öffnen, sondern nur in eine sog. Serviceposition bringen. Dabei
fährt sie einige Zentimeter nach vorne und gibt so unterhalb der Frontscheibe den Zugang zu den Einfüllstutzen von
Wasch- und Kühlwasser sowie Motoröl frei.
Das Interieur gibt sich modern. Abgesehen von wenigen Tasten für Licht und Motorstart werden alle anderen Informationen
und Fahrzeugfunktionen über Displays signalisiert bzw. bedient. Diese Art ist, wie VW richtig erkannt hat, im privaten
und beruflichen Alltag selbstverständlich geworden. Im Up! Lite kommen drei dieser Displays zum Einsatz. Als Zentralinstrument
versorgt ein sieben Zoll großer Monitor den Fahrer mit den Grundinformationen (Tempo, Uhrzeit, Temperatur, Warnmeldungen,
Getriebestufe, Kilometerstand, Bordcomputer).
In der Mittelkonsole werden Klimatisierung, Telefon und der Bereich Infotainment (MP3, Video, Internet) über einen
5,7-Zoll-Touchscreen bedient. "Dank einer Bewegungssensorik lässt sich die Bedienung dabei ähnlich intuitiv
steuern, wie beim erfolgreichsten Multimedia-Internet-Handy der Neuzeit", fügt VW hinzu, wo man sich schon mehrfach
als Apple- respektive iPhone-Fan zu erkennen gegeben hat.
Statt des klassischen Innenspiegels und der zwei Außenspiegel verfügt der Up! Lite über eine Heck- und zwei Seitenkameras.
Deren Bilder werden auf das dritte Display des Autos im Bereich des früheren Innenspiegels übertragen - in der Stadt und
bei niedrigen Tempi alle drei Bilder, außerorts (sofern nicht geblinkt wird) nur das der Heckkamera, aber in einem sehr
breiten Verhältnis von 8:3.
So sehr VW auch bei überflüssigen Pfunden gespart hat, so komplett ist die wesentliche Ausstattung: ESP, Airbags und
Rußfilter sind selbstverständlich an Bord, Navi, Fensterheber und Cupholder ebenso. Dazu kommen pfiffige Details wie
eine passive Standlüftung. Das System macht sich die Tatsache zunutze, dass warme Luft nach oben steigt. Anders als
bei praktisch allen anderen Autos wird die Luft deshalb nicht im Bereich der C-Säulen oder Radkästen abgeleitet,
sondern mit einem Kamineffekt über eine Öffnung zwischen Dachende und Dachkantenspoiler.
Serienchancen: Von der Generation Golf zum iPhone-Car
Und was passiert mit dem Up! Lite nach der LA Show? Klare Ansagen dazu gibt es naturgemäß nicht, und doch spricht
einiges dafür, dass VW ernsthaftere Ziele als nur Show verfolgt. So erklärt der Autobauer etwa, das Design zeige
Ausblicke auf die Serie, und selbst das dortige Radformat beziffert VW bereits (auf 16 Zoll). Dass eine nochmals
etwas "normalere" Variante des Lite zwei Jahre nach der regulären Up!-Premiere Ende 2011 als Serienmodell kommt,
erscheint mehr wahrscheinlich als abwegig.
Technisch wie optisch avanciere der Up! Lite zum Spiegelbild der Zukunft, fabuliert VW. Und noch einmal der
Apple-Verweis: "Form und Funktion gehen hier eine ähnlich außergewöhnliche Koexistenz ein, wie es beim Phone mit dem
'i' der Fall ist". Dass die Idee eines hochtechnischen, aber simpel zu bedienenden Sparautos bei VW viel Gegenliebe
findet, hört man zweifellos heraus. Aus der vielzitierten Generation Golf wird die Generation iPhone - und das
passende Auto, so die Botschaft, folgt. Wir ergänzen: Gerne, aber bitte ergänzt um ein Solardach und verpackt in
der Karosserie des viertürigen Mini-Bullis "Space Up! Blue" von 2007 (siehe Fotostrecke). Das könnte dann
wirklich ein Kultauto werden.