In Länge und Höhe gewachsene Siebensitzer-Variante des Active Tourer
BMW 2er Gran Tourer: Raumgewinn
Die Nischenpolitik geht weiter: BMW streckt erwartungsgemäß den 2er Active Tourer in Länge und Höhe. Mit dem neuen
Gran Tourer zielen die Münchner auf wohlhabende Familien mit erhöhtem, aber nicht hohem Platzbedarf. Anders als beim
sternenbehafteten Mitbewerber gibt es bis zu sieben Sitze, wobei dieses Konzept auch bei BMW nicht überzeugt.
BMW
Schön nicht, aber praktisch(er): Mit dem neuen, um 21 Zentimeter
gestreckten und höher bauenden 2er Gran Tourer kommt BMW endgültig im Van-Segment an
Frontantrieb, Van und Dreizylinder - der 2er Active Tourer ist harter Tobak für BMW-Fans. Die Münchner schert das wenig, im Gegenteil,
sie machen aus dem kleinen van nun auch noch einen großen. Auch wenn das Auto anders als erwartet nicht Family Tourer, sondern Gran Tourer
heißt, bilden zahlungskräftige Familien mit Kindern die Zielgruppe.
Um aus dem Active einen Gran zu machen, hat BMW das Auto um 21,5 Zentimeter auf nun 4,56 Meter gestreckt, parallel wächst der Radstand um
elf Zentimeter auf 2,78 Meter. Nur im direkten Vergleich sichtbar: Die Dachlinie wurde um gut fünf Zentimeter angehoben. Optisch bestehen
im Übrigen keine Unterschiede zwischen den Varianten. Bei identischer Breite ist der Gran Tourer damit satte 16 Zentimeter länger als ein
VW Touran in der aktuellen, vor dem Generationswechsel stehenden Ausführung.
Im Innenraum bekommen Gran-Kunden eine um 13 Zentimeter in Längsrichtung verschiebbare Rücksitzbank mit verstellbarer Lehnenneigung.
Sie bietet Platz für drei Kindersitze nebeneinander, lässt sich auf Knopfdruck im Verhältnis 40:20:40 umklappen und ist auch bei BMW so
konstruiert, dass dann nur eine fast ebene Fläche entsteht.
Im Laderaum befindet sich gegen Mehrpreis eine ein- und ausklappbare Zweier-Sitzbank. Auch wenn der Hersteller "großzügige Platzverhältnisse"
verspricht, ist klar, dass auch BMW nicht zaubern kann: Das Gestühl eignet sich wie bei ähnlichen Konzepten anderer Hersteller nur für
kleine Kinder und auf kürzeren Strecken, schon weil der Einstieg durch die normalen Fondtüren entlang der umgelegten Rücksitzbanklehne
beschwerlich (und nur ohne dortigen Kindersitz möglich) ist. Zum Thema Sicherheit beim Heckaufprall verliert BMW kein Wort.
Das maximale Laderaumvolumen beträgt 645 bis 1.905 Liter beim Fünfsitzer bzw. 560 bis 1.820 Liter in den siebensitzigen Modellen.
Im Übrigen hat BMW das Augenmerk auf Praxistauglichkeit gelegt. So gibt es mehr Ablageflächen als sonst üblich, selbst die dritte Sitzbank
verfügt über eine Mittelkonsole mit Cupholdern und 12V-Steckdose. Sogenannte Monorails - Schienen - an den Rückseiten der Vordersitze
ermöglichen die Befestigung eines höhenverstellbaren Klapptischs und weiteren Zubehörs.
Antriebsseitig besteht weitgehend Gleichstand zwischen dem kurzen und langen Tourer. Weitgehend, weil der 231-PS-Benziner und der lahme 95-PS-Diesel
im Gran Tourer jedenfalls zunächst nicht vorgesehen sind und der 220d ohne Allradantrieb erst im Sommer eingeführt wird. Dann kommt gleichzeitig
auch ein Basis-Benziner als 216i. Die Fahrleistungen und Normverbrauchswerte des Gran Tourer sind aus Gewichtsgründen jeweils minimal schlechter
als beim Active Tourer; praxisrelevant ist das nicht.
Mit der Integration einer Tablet-App namens "myKIDIO", die von Burda und Telekom stammt, versucht sich BMW erstmals an einem speziellen
Unterhaltungsprogramm für Kinder. In der Vorstellung der Marketing-Spezialisten aus den Teppichetagen im Münchner BMW-Vierzylinder
geht das so: Die Kleinen sollen im Fond ihr iPad mit einer nicht ganz billigen, drehbaren Halterung an den Monorails befestigen und dann
"kinder- und familiengerechte Inhalte wie Serien, Filme, Hörbücher oder Hörspiele" konsumieren, idealerweise per Kopfhörer.
Besonderheit: Sie sind dabei stets unter elterlicher Kontrolle, denn die Steuerung und Freigabe lässt sich von vorne über das iDrive-System
kontrollieren. Umgekehrt können die Kinder mittels des "BMW Kids Cockpit" fahrtrelevante Informationen (wie Ankunftszeit, Geschwindigkeit oder
Außentemperatur) "einfach und spielend jederzeit ablesen", dabei "Sterne" für zurückgelegte Kilometer sammeln und diese später "gegen neue
Fahrzeuge im BMW Kids Cockpit" eintauschen, wie der Autobauer erklärt. Angesichts solcher Ideen - die Inhalte können auch unterwegs
über den LTE-Hotspot ins Auto gestreamt werden - dürfte sich aber mancher das bewährte "Wann sind wir endlich daaha?!?!" zurückwünschen.
Und dann gibt es noch eine bemerkenswerte Stelle in der Pressemappe zum neuen Auto, die vermuten lässt, dass die Entwickler mit einen
bisschen mehr Radstand und Karosserielänge nicht recht ausgelastet waren. Neu im Angebot sind sogenannte LED-Türprojektoren. Beim Öffnen der
Türen projizieren die LEDs nicht einfach Licht auf den Boden neben dem Fahrzeug, sondern eine Grafik, die von einem austauschbaren Dia
erzeugt wird. Als Motive stehen die Logos von BMW, M und xDrive sowie die BMW-Wortmarke zur Auswahl.
Das "weltweit erste Fahrzeug in der Premium-Kompaktklasse mit bis zu sieben Sitzplätzen", wie die Münchner ihr neuestes Modell auch in Anspielung
auf die - bisher - maximal fünfsitzige, höchst erfolgreiche
Mercedes B-Klasse ernsthaft formulieren, wird seine Käufer
trotz des markenuntypischen Konzepts sicher finden. Man darf gespannt sein, ob das eigentlich gerade lahmende Van-Segment durch BMW wieder mehr Schwung
erhält und ob sich auch Audi insoweit engagieren wird.
Bei BMW ist die Nischenpolitik mit dem Gran Tourer aller Voraussicht nach noch immer nicht beendet. Erlkönige zeigen ein weitere Spielart, die
den 2er Tourer mit dem X1 und einem Kombi mixt. Das intern FAST genannte Auto könnte im kommenden Jahr erscheinen, als X1 Touring, als 2er
Sports Tourer oder unter welchem Namen auch immer. Andererseits: Bei Mini hat BMW inzwischen eingesehen, dass zu viele Varianten weder wirtschaftlich
sinnhaftig noch imagefördernd sein können; Abrüstung ist beschlossene Sache. Ein Konzept, das auch bei der Muttermarke Schule machen sollte,
meinen wir.