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Donnerstag, 28. März 2024
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Reifen und Felge verschmelzen zum luftlosen X Tweel

Michelin: Start der Serienfertigung für das Rad 2.0

Michelin
Neues Radkonzept:
Michelin Tweel
Das Rad neu erfinden wollen viele, Michelin tut es – jedenfalls ein bisschen: Mit der Eröffnung der Produktionsstätte für ein neues luftloses Rad-Konzept bezeugt der französische Konzern seinen Willen zu innovativen Entwicklungen über den klassischen Luftreifen hinaus. Dem Tweel geht niemals die Puste aus, doch er ist vorerst nur für spezielle Fahrzeugtypen verfügbar. Als John Boyd Dunlop anno 1888 den Luftreifen erfand, war ihm vermutlich nicht bewusst, wie lange sein Konzept ein unverzichtbarer Bestandteil der Mobilitätswelt bleiben würde. Auch aktuellste Entwicklungen vom High-Tech-Fahrrad bis zum Schwerlastfahrzeug kommen nicht ohne das gängigste aller Verbindungselemente zwischen Fahrzeug und Untergrund aus: der konventionellen Kombination von tragender steifer Felge und umlaufendem Gummireifen mit Druckluftfüllung.

Abhängig von Bauform und Höhe des Luftdrucks trägt das System mit wichtigen Federungs- und Dämpfungseigenschaften zu Fahrverhalten und Komfort des Fahrzeugs bei. Dennoch: Auch stetige Weiterentwicklungen bis hin zu Notlauf- oder selbstabdichtenden Mobilitätsreifen konnten dem Luftreifen den entscheidenden Nachteil eines plötzlich oder schleichend auftretenden Druckverlusts verbunden mit Gefahren eines Unfalls oder Totalausfalls nie hinreichend abgewöhnen.

Kaum verwunderlich also, dass sowohl Militär als auch zivile Wirtschaft großes Interesse an alternativen Lösungen haben, welche die Ausfallhäufigkeit von wichtigen Fahrzeugen unter schwierigen Bedingungen deutlich reduzieren können. Aus diesem Grunde tüfteln namhafte Reifenhersteller seit geraumer Zeit an innovativen und vor allem luftlosen Ideen für den Nachfolger des klassischen Rades, ohne bei den gewohnten Eigenschaften Abstriche machen zu müssen. Bislang vorgestellte Konzepte basieren dabei durchweg auf flexiblen Waben- oder Speichendesigns, sind aber wie etwa der Bridgestone Air Free oder Hankook i-Flex noch nicht über das Prototypen-Stadium hinaus gekommen.

Der französische Weltkonzern Michelin geht nun einen Schritt weiter und nimmt im nordamerikanischen South Carolina eine neue Fabrik für die Ausweitung der Serienfertigung des X Tweel in Betrieb, eines neuartigen Rad-Konzepts, bei dem Felge und Reifen zu einem gemeinsamen Bauteil kombiniert werden - nicht von ungefähr ist der Verkaufsname Tweel ein Kunstwort aus Tire und Wheel.

Die technische Realisierung wirkt simpel, ist tatsächlich jedoch ein komplexes Zusammenspiel von schubsteifer Lauffläche, starrer Nabe und fragil wirkender, elastischer Speichen aus Polyurethan. Die intelligente Auslegung letzterer sorgt für ein Federungs- und Dämpfungsverhalten in Anlehnung an einen Luftreifen, während die Konstruktion der Lauffläche eine niedrige und gleichmäßige Verteilung der Flächenpressung gewährleistet. Konstruktionsbedingt ist der Tweel wartungsfrei und ausfallsicher - ideal also für schweres und üblicherweise reifenmordendes Terrain.

Zugegeben, für die große Mehrzahl der Fahrzeuge - insbesondere Pkw und Nutzfahrzeuge - bleibt das luftlose Rad noch Zukunftsmusik, denn der X Tweel wird aktuell nur in zwei Versionen für Fahrzeuge im niedrigen Geschwindigkeitsbereich angeboten: als X Tweel SSL für kompakte Radlader und als X Tweel TURF für große Aufsitzmäher. Dennoch gibt die Bereitschaft Michelins zu solchen Investitionen einen guten Ausblick auf den Stand der Technik und öffnet vielleicht die Tür zu einer ganz neuen Art, unsere Fahrzeuge der Zukunft mit der Straße zu verbinden.
text  Wolfgang Schultz
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