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Freitag, 19. April 2024
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600-PS-Showcar mit Allradlenkung und Touch-MMI zeigt A8- und A9-Zukunft

Audi prologue: Aufbruch in die Design-Zukunft

Audi
Zukunfts-Ausblick:
Audi-Showcar "prologue"
Ein Prolog namens Prologue: Audi stellt in Los Angeles ein Showcar vor, das den Aufbruch in eine neue Design-Ära zeigt, "Vorsprung durch Technik" aber nur bedingt mitbringt. Es handelt sich gleichzeitig um einen A8- und A9-Ausblick. Audi bezeichnet sich selbst als die "führende Marke im Design", was wir anmaßend-unsympathisch finden, in der Sache selbst aber durchaus zutreffend, stellt man sich beispielsweise einen A3, eine A-Klasse und einen 1er nebeneinander vor. Nach Meinung einiger Kunden und vieler Medien aber ist die Marke mit den vier Ringen, die inzwischen "Vier Ringe" wie ein Eigenname schreibt, in eine gestalterische Sackgasse geraten. Deswegen hat Audis neuer alter Entwickklungsvorstand Professor Ulrich Hackenberg den bisherigen Chefdesigner Wolfgang Egger im Februar zu Giugiaro weggelobt und VW-Mann Marc Lichte ge- und berufen, den Aufbruch in eine neue Designära zu starten.

Das Ergebnis zeigt Audi seit Dienstag Abend deutscher Zeit auf der Los Angeles Auto Show, es heißt "prologue" und ist das, was man in der Branche als signature car bezeichnet - der Prolog eben auf den Look vieler künftiger Serienmodelle. Lichte selbst beschreibt den Charakter des Showcars so: "Audi steht für Sportlichkeit, für Leichtbau und für den permanenten Allradantrieb quattro. Beim Audi prologue bringen wir dieses Know how in eine neue Form - wir haben das sportlichste Auto im Luxussegment auf die Räder gestellt. Sowohl beim Außendesign als auch im Interieur ist unser Team neue Wege gegangen."

Dass die Ingolstädter über die modifizierte Designsprache viele Worte machen, versteht sich von selbst. Wir beschränken uns auf die Feststellung, dass das Coupé mit 5,10 Meter Länge, 2,94 Meter Radstand, 1,95 Meter Breite und 1,39 Meter Höhe etwas kürzer und flacher baut als ein Serien-A8 von heute. Als Hingucker setzt Audi wie bisher auf zwei alte Bekannte - den Singleframe-Kühlergrill und die Lichttechnik. Ersterer ist viel stärker in die Breite gezogen und tiefer platziert als bei den aktuellen Serienmodellen - ganz so, pardon, wie es Opel beim Corsa gemacht hat. Im Übrigen erscheint das als interessante Entwicklung, wo es doch zuletzt immer hieß, schon aus Gründen des Fußgängerschutzes müssten Autos vorne höher und steiler werden.

Die Scheinwerfer - als breite, flache Keile geformt - liegen mit ihren Spitzen über dem Singleframe. Sie präsentieren die hochauflösende Matrix-Laser-Technologie. Die restliche Front ist auffällig gezeichnet, nach unserem Dafürhalten aber nicht so neu und anders wie Audi glauben machen will - allzu viel Innovation ist hier im 130. Jahr des Automobils und angesichts strenger gesetzlicher Vorgaben wohl auch nicht möglich.

An der Seite konkurrieren gleich mehrere Linien um Aufmerksamkeit - von der zeitlosen Eleganz eines A5 ist der prologue eine Ecke entfernt. Showcar-typisch hat Audi mächtige und auffällige 22-Zoll-Räder montiert, so dass erst auf den zweiten Blick auffällt, dass an der Flanke etwas fehlt: Türgriffe nämlich. Ihre Funktion übernehmen Sensorflächen an der Fensterschachtleiste - abgesehen von Sicherheitsfragen sicher eine Innovation, die es in die Serie schaffen könnte. Auch setzt Audi endlich auf einen Tankdeckel mit integriertem Verschluss, neu ist seine Anordnung: Statt im Blech findet sich die besonders kleine Öffnung in der Aluminium-C-Säule, geöffnet und geschlossen wird sie elektrisch.

Das Heck neigt sich in Fahrtrichtung, nach Audi-Doktrin soll es an die "Seiten- und Heckansicht einer luxuriösen Yacht" erinnern. Zwischen den C-Säulen wölbt sich die Heckscheibe konkav nach innen. Die Schlussleuchten sind flach und breit ausgeführt und setzen auf diverse 2D- und 3D-Effekte, vor allem aber auf ein durchgehendes Leuchtband à la Porsche 911 Allrad - auch das mutmaßlich ein künftiges Audi-Erkennungszeichen.

Im loungeartigen Interieur hat das Lichte-Team vieles verändert, auf den ersten Bildern wirkt das Ambiente sehr clean und futuristisch, aber auch ungewohnt und ungemütlich. Ausgemustert ist der Controller, der mit seiner optischen und haptischen Machart immer gefiel, letztlich aber für die Bedienung unpraktisch ist. Audi vollzieht hier mit dem Übergang zu Touchtechnik einen kleinen Paradigmenwechsel, folgt der Muttermarke VW und vor allem dem, was nahezu allen Kunden von ihren Handy und Tablets und inzwischen Notebooks gewöhnt sind. Das Gegen-Argument der Fingerabdrücke zählt nicht mehr.

Gefallen vermögen die nicht am Boden, sondern am Mitteltunnel und am Schweller montierten Sitze. Die Kopfstützen der beiden Einzelsitze im Fond liegen im Ruhezustand versenkt; sie fahren automatisch aus, wenn der Passagier über die elektrische Easy-Entry-Funktion zusteigt. Automatisches Ausfahren betrifft zudem die Lochblende vor der flach-länglichen Luftausströmerleiste, den "Soundspoiler" in der Hutablage, für die selbst das Audi-Marketing noch kein modernes Wort ersonnen hat, und das OLED-Mitteldisplay vor dem Wählhebel, das Klimatisierung, Schrifteingabe und weitere Fahrzeugeinstellungen steuert.

Der Fahrer blickt auf das "Audi virtual cockpit future", eine Weiterentwicklung des im TT und neuen Passat verbauten Systems, das auf eine dreidimensionale und von der Fahrweise abhängige Darstellung setzt. Die Front der Instrumententafel ist in voller Breite als Anzeigefläche gestaltet und integriert gleich drei Touch-Displays. Mit dem Display links vom Lenkrad lassen sich die Funktionen für Licht und Assistenzsysteme steuern. Die rechte fahrerorientierte Bedieneinheit beinhaltet die Mediensteuerung. Der Beifahrer hat ein vollflächig in die Instrumententafel integriertes Widescreen-Display vor sich. Warum? Audi erläutert, hier könne dieser "seine Entertainmentumfänge individuell und komfortabel steuern" - und beispielsweise Routen an das fahrerseitige System übermitteln. Die Passagiere werden nicht anhand des Fahrzeugschlüssels, sondern über ihre Smartphones erkannt, die "Butler"-Software stellt dann Sitze, Klimatisierung und diverse weitere Dinge nach den persönlichen Vorlieben ein.

Unter der Haube sucht man den Vorsprung durch Technik vergebens: Montiert ist ein klassischer Achtzylinder-Motor, wobei der u.a. aus dem S8 bekannte 4,0 TFSI hier nicht weniger als 605 PS leistet und 700 Newtonmeter Drehmoment entwickelt, das sich kurzzeitig im Overboost auf 750 steigern lässt - was so praxisunrelevant und langweilig ist, dass man sich wundert. Die Sprintzeit des leer knapp zwei Tonnen schweren Wagens liegt bei 3,7 Sekunden, der Normverbrauch bei 8,6 Litern, was Audi als "hohe Effizienz" beschreibt. Neu und kurz vor der Serienreife ist das Teil-Bordnetz auf 48-Volt-Basis, zu dem ein Riemenstartgenerator mit hoher Rekuperationsleistung gehört und der Audi den Antriebsstrang mit dem Etikett "Mild-Hybrid" versehen lässt.

Interessanter ist, dass die Ingolstädter hier erstmals auf eine Allradlenkung setzen, die die Hinterräder um bis zu fünf Grad mitlenken kann, was in der Stadt die Wendigkeit und auf der Autobahn die Fahrstabilität befördert, aber vielleicht auch nur viel schwerer Technik-Aufwand für wenig echten Fortschritt darstellt.

Der prologue als "Urmeter der künftigen Designsprache", wie Audi sich ausdrückt, stellt für das Unternehmen eine Zäsur dar - vielleicht keine so große, wie man aktuell glauben machen will, aber doch den Aufbruch in die nächsten Jahre. Dass der Wagen den kommenden A8 bis zur B-Säule und das A9 Coupé schon recht klar vorwegnimmt, ist dabei ein offenes Geheimnis. Ob die "führende Marke im Design", die gerade unter Wolfgang Egger und seinem Vorgänger Walter Maria de Silva viele schöne Autos auf die Straßen gebracht hat, diesen Aufbruch überhaupt braucht, wird man erst im Rückblick bewerten können. Die nächste wichtige Audi-Neuheit, der 2015er A4, wird noch überwiegend dem alten, sagen wir: bekannten und bewährten, Muster folgen.
text  Hanno S. Ritter
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