Die Alkoholgrenze(n) für Fahrradfahrer abzusenken, klingt vernünftig. Doch die Unfallforschung der Versicherer
widerspricht dem nun jedenfalls in Teilen.
Auf ihrer Verkehrsministerkonferenz im thüringischen Suhl haben kürzlich einige Länderverkehrsminister gefordert, den Wert für die
absolute Fahruntüchtigkeit von Radfahrern auf 1,1 Promille abzusenken. Dagegen hat sich jetzt die Unfallforschung der Versicherer
(UDV) ausgesprochen. Identische Promillegrenzen für Kraftfahrer und Radfahrer seien nicht zu rechtfertigen, da von Autos und Lkw
aufgrund der höheren Masse und Geschwindigkeit eine erheblich höhere Gefahr ausgehe, so Siegfried Brockmann, prominenter UDV-Chef.
Stelle man Auto- und Radfahrer bei der Promillegrenze auf eine Stufe, sei zu befürchten, dass immer mehr Radfahrer auf das Auto
umstiegen; der Verkehrssicherheit sei damit nicht gedient.
Der Vorstoß ist aber auch deshalb nicht zielführend, da die absolute Fahruntüchtigkeit im Strafgesetzbuch nicht als Wert beschrieben
ist. Die 1,1-Promille-Grenze für Kraftfahrer und das 1,6er-Pendant für Radfahrer haben sich durch langjährige Rechtsprechung auf
Basis wissenschaftlicher Erkenntnissen herausgebildet, manche Gerichten nehmen
auch 1,5 oder 1,7 Promille an. "Dieser Wert lässt sich also politisch gar nicht ändern, sondern allenfalls
durch neue wissenschaftliche Erkenntnisse", so Brockmann. Eine Möglichkeit, Alkoholfahrten von Radfahrern zu verringern, bestünde
allenfalls darin, einen Tatbestand analog der 0,5-Promille-Regelungen bei Kraftfahrern einzurichten. Auch diese Grenze sollte
seiner Ansicht nach bei
Radfahrern höher liegen.
Noch im Herbst 2012 hatten sich etwa 150 Experten im Rahmen der gemeinsam vom Deutschen Verkehrssicherheitsrat (DVR) und der
UDV in Berlin durchgeführten Konferenz "Sicherer Radverkehr" für eine Veränderung bei den Werten ausgesprochen
(
Autokiste berichtete). Damals hieß es, wissenschaftliche Untersuchungen sollten die neuen Grenzwerte klären.
Die aktuelle Rechtslage im Überblick:
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Führt die Alkoholisierung ursächlich zu einem Unfall, kann es sich schon ab 0,3 Promille um einen Verstoß gegen die Paragraphen
315 c und 316 des Strafgesetzbuches (StGB) handeln. Diese "relative Fahruntüchtigkeit" gilt auch für Radfahrer.
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Unabhängig vom konkreten Verhalten, also auch ohne Ausfallerscheinungen oder Unfall, handelt es sich bei einem Blutalkoholgehalt
(BAK) von 1,1 Promille bei Kraftfahrern und 1,6 Promille bei Radfahrern nach ständiger Rechtsprechung um einen Verstoß gegen § 316 StGB
und möglicherweise auch gegen § 315 c StGB. Dieses Delikt führt in der Regel zu einem Entzug der Fahrerlaubnis, die erst nach
der Sperrfrist und bestandener Medizinisch-Psychologischer Untersuchung (MPU) neu erlangt werden kann.
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Ebenfalls unabhängig vom konkreten Verhalten begehen Autofahrer mit einer BAK zwischen 0,5 und 1,1 Promille eine Ordnungswidrigkeit
nach § 24 a Straßenverkehrsgesetz (StVG), Bußgeld und Führerscheinsperre sind die Folge. Da hier bisher nur von Kraftfahrzeugen
die Rede ist, bleiben Radfahrer davon unberührt.