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Donnerstag, 18. April 2024
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Redaktionsauto nervt mit unzähligen Defekten und mehreren Ausfällen

100.000 Kilometer im VW Passat Variant: Ärger ohne Ende

100.000
Zu viel Ärger: Autokiste
2006er VW Passat Variant Highline 2,0 TDI
Seit viereinhalb Jahren "arbeitet" ein VW Passat Variant in der Autokiste-Redaktion. Es ist wahrhaft ein sehr gutes Auto – wenn es denn nicht in der Werkstatt steht. Und dort steht es oft, viel zu oft. Hanno S. Ritter hat dort zu häufig "Girlfriendsex" erlebt und meint, VW sollte sich schämen. Nein, dies ist kein Dauertest jener Art, wie man ihn aus den beiden großen deutschen Automagazinen kennt, aber etwas Ähnliches, nämlich ebenso eine Bestandsaufnahme eines bestimmten Autos über einen längeren Zeitraum, bezogen auf die Alltagsqualität, bei der Betriebsbereitschaft mehr zählt als zweifellos wünschenswerter Softlack am Türgriff.

Der Passat Variant Highline 2,0 TDI, um den es hier geht, stammt vom April 2006, also gerade nicht mehr aus dem ersten Produktionsjahr des intern 3C genannten Modells (Passat B6) und noch aus der unseligen Pischetsrieder-/Bernhard-Ära im Volkswagen-Management. Er ist seit August 2007 mit damals rund 50.000 Kilometern "Mitglied" dieser Redaktion, und er hat seither knapp 100.000 Kilometer, mithin die klassische Dauertest-Distanz, zurückgelegt.

Vorweg: Grundsätzlich ist der Passat Variant ein prima Auto, das viel Platz und Komfort bietet. Abgesehen vom Mercedes T-Modell bietet kein Kombi mehr Laderaum, auch wenn das die meisten Menschen nicht glauben mögen. Der Komfort ist prima, der Innenraum durchaus als gelungen zu bezeichnen, und viele Details und die an diesem Exemplar reichhaltige Ausstattung gefallen gut. Der 170-PS-Motor läuft trotz der veralteten Pumpe-Düse-Technik besser als sein Ruf und überraschte über die Jahre trotz der vieldiskutierten Verkokungs-Problematik an den Piezo-Einspritzdüsen mit immer besserer Leistungsentfaltung. Verbrauchswerte um fünfeinhalb Liter sind ebenso möglich wie das Doppelte, und beides geht in Relation zur Nutzung völlig okay.

Nach fünfeinhalb Jahren steht das Auto in Sachen Interieur, Lack und Details mindestens gut da, die Bremsen haben sehr lange gehalten, das manuelle Getriebe schaltet nach wie vor bestens, und der Auspuff ist auch noch der erste. Die beiden erwarteten Schwachstellen, Turbolader und Rußfilter, erfreuen sich bester Gesundheit. Das Auto war auf allen Strecken ein beliebter Begleiter, und wir wüssten kaum ein Konkurrenzmodell, das für vergleichbares Geld ähnlich viel bietet wie ein Passat Variant; dass er bei vielen Menschen imagemäßig höchstens mittel abschneidet, hat er gewiss nicht verdient.

Damit alleine allerdings hätte es unser schwarzes Exemplar nicht zur Hauptfigur eines Artikels gebracht. Denn hier geht es heute um die "weichen" Kriterien, namentlich um Zuverlässigkeit, Langzeitqualität, Liegenbleiber-Quote respektive Reparaturanfälligkeit, um die wohl häufigsten Suchworte zusammenzufassen. Im Gegensatz zu unserem Golf IV waren die beim Passat allesamt, mit Verlaub, beschissen.
Es beginnt mit einer defekten Hupe, Klimabedieneinheit und Freisprechanlage
Als im Dezember 2007 die Hupe ausfiel, haben wir das nicht weiter übel genommen. Auf Kosten der Garantie wurde eine neue eingebaut, was allerdings nicht mal eben schnell geht, sondern einen Werkstatttermin und damit ein Ersatzauto erfordert. Ohne GFS, "Geführte FehlerSuche" am Diagnosecomputer oder von einem Werkstatt-Meister einmal augenzwinkernd als "Girl-Friend-Sex" bezeichnet, geht heute kaum noch etwas.

Die nächsten Jahre, so viel kann man vorausschicken, waren reich an "Freuden" dieser Art. Schon im nächsten Monat bockte die Bedieneinheit der Klimaautomatik, gleichzeitig mussten die Gasdruckdämpfer der Heckklappe ersetzt werden, weil sie schon bei null Grad die Klappe nicht mehr ordentlich öffneten. Wieder einen Monat später war es die Freisprechanlage, deren Nichtfunktion einen Werkstatttag einforderte.

Den Plattfuß im August 2008 kann man dem Auto nicht zurechnen, den Drucksensor (Februar 2009) schon. Kurz darauf verabschiedete sich der Xenonscheinwerfer mitten auf einer Urlaubsfahrt, erst kurzzeitig, dann dauerhaft. Am gleichen Tag fiel auch noch das Standlicht aus, und schon einen Monat später war die nächste Xenon-Reparatur fällig, dieses Mal am Steuergerät.

Zwischen Herbst 2009 und Frühjahr 2010 mussten ein Achslager und der nasse linke Nebelscheinwerfer getauscht werden. Im Rahmen des anstehenden Zahnriemen-Wechsels wurde auch gleich der Austausch der bereits tropfenden Wasserpumpe vorgenommen. Außerdem: Ein defekter Parksensor, eine kaputte Fahrzeugbatterie und wiederum die Hupe.
Standheizung, Achslenker und Xenon-Licht als Kostentreiber
Etwas später gab die Standheizung ihren Geist auf, was laut Aussage der Werkstatt nach drei Jahren mehr die Regel als die Ausnahme ist. Zusammen mit einem weiteren Achslenker-Tausch kamen allein hierfür rund 900 Euro zusammen, aber das Jahr war ja noch nicht rum: Der Sensenmann für den zweiten Xenon-Scheinwerfer erscheint im Herbst 2010, das Birnchen fakturiert VW mit der Kleinigkeit von gut 200 Euro plus Einbau. Schade, dass die Scheinwerferreinigungsanlage erst zwei Monate später kaputt war, sonst hätte man sich die wiederholte Demontage der Frontschürze sparen können. Das Jahr endet mit einem weiteren defekten Parksensor.

2011 verabschiedet sich an unserem Passat erst die Kraftstoffpumpe und kurz darauf das Steuergerät für die Lenksäule. Im Juni des Jahres endet eine Urlaubsfahrt auf der linken Autobahn-Spur mit dem typischen Gong aus dem Armaturenbrett, dem Hinweis "Motorstörung, Werkstatt!" und einem nicht mehr laufenden Motor. Es folgen lange Stunden in einem VW-Autohaus in Plauen, das Service offenbar groß schreibt und das Auto der Reisenden auch am Samstag-Nachmittag umfassend repariert, eine schöne Sitzgruppe hat und guten Kaffee serviert - Danke nochmals. Zwei Pumpe-Düse-Elemente und ein Kabelstrang mussten komplett getauscht werden.
Muss eine Motoraufhängung an einem VW brechen?
Das nächste Mal legt ein defekter Stellmotor der elektrischen Handbremse den Passat lahm, eine Undichtigkeit der Scheinwerferwaschanlage und die notwendige Rücksetzung des Kombiinstruments wegen plötzlich verschwundener Menüpunkte im Bordcomputer erfordern weitere Werkstatttage - und natürlich eine defekte Hupe. Kurz vor Weihnachten dann der nächste große Schaden: Nach dem Bruch der Motoraufhängung hängt der arme TDI vorne schräg drin, der Zahnriemen hat bereits am Metall geschliffen, der Motorschaden ist gerade so eben vermieden worden. Wieder einmal hängt der Passat warnblinkend am Haken des "Servicemobils".

Nun ist das neue Jahr gerade sechs Tage alt, und schon wieder spinnt unsere "Autokiste". Die Handbremse löst nicht mehr und lässt die geplante Fahrt ausfallen, und natürlich ist es mit Auto-Defekten so wie mit Kinder-Krankheiten: Sie kommen bevorzugt am Wochenende oder am Feiertag, in diesem Fall sozusagen an beidem. Mutmaßlich ist jetzt der andere Stellmotor hinüber, was denn zumindest einen Anscheinsbeweis dafür liefert, dass der erste Ausfall vor sechs Monaten kein dummer Ausreißer war, sondern das Bauteil eben nicht länger hält - wohlgemerkt, ohne die Handbremse mehr als einmal pro Woche benutzt zu haben. Nun ja, den Preis kennen wir ja schon: Das sind die nächsten etwa 370 Euro, die weg sind - und während wir auf das erwähnte Servicemobil warten, ist Zeit für diesen impulsiven Artikel und seine Botschaft:

Liebe Leute bei Volkswagen, der Passat Variant als solcher ist prima, aber unser Passat Variant ist eine reine Katastrophe, für die Ihr Euch in Grund und Boden schämen solltet, und zwar so, dass wir ausnahmsweise ein Ausrufezeichen anfügen wollen. Schämen!
Mit dieser Kostenbilanz hätte man einen V10-Sportwagen betreiben können
Inklusive Kundendienst, Anschlussgarantie und Reifen sind in viereinhalb Jahren etwa 11.500 Euro Kosten angefallen, entsprechend über 180 Euro jeden Monat oder rund zwölf Cent pro Kilometer. Dafür, so meinte neulich mein Kfz-Meister, mit dem ich trotz allem noch immer nicht per Du bin, hätte man auch einen Audi R8 fahren können. Wohl wahr. Die finanzielle Bilanz wäre noch schlechter ausgefallen, wenn nicht unsere Werkstatt etwas Rabatt geben würde sowie zum Teil Kulanz gewährt worden und die Anschlussgarantie eingesprungen wäre. Doch ist es auch und gerade die Anschlussgarantie, die den Ärger befördert: Etliche Dinge wie etwa die Xenon-Scheinwerfer sind von vorneherein ausgeschlossen, schon ab 100.000 Kilometer Laufleistung fallen viele weitere Dinge aus dem Leistungskatalog.

Ja, unser Passat Variant wurde einerseits viel benutzt, musste Vollgas- und Tiefschnee-Etappen, viele Kurzstrecken und garagenfreies Übernachten ertragen. Andererseits wurde er stets gut behandelt, im Winter dank Standheizung meistens warm gestartet, überwiegend vom gleichen Fahrer bewegt und stets scheckheftgepflegt. Die Reparaturbilanz ist erschreckend, und dabei haben wir oben all die Kleinigkeiten weggelassen: Es gab als i-Tüpfelchen zudem eine abgefallene Unterbodenverkleidung, einen Beleuchtungsausfall sowohl am Aschenbecher als auch an einer Sonnenblende, eine lose Motorabdeckung, ein dauerhaft nervendes Geräusch aus der Mittelkonsole, einen verstopften Wasserablauf, eine defekte Scheinwerferwaschdüse und ein Schiebedach, das wie von Geisterhand während der Fahrt von selbst aufgeht.

Wer jetzt auf eine Schlusspointe wartet, muss enttäuscht werden, denn eine mit GFS wäre zu plump, die Hupe funktioniert derzeit überraschenderweise, und über das Auto kann man keinen guten Witz machen - es ist ein Witz. Also wohl nur: To be continued...
To be continued, 05.02.2012: Diese Woche hat der Passat beim morgendlichen Kaltstart Kühlwassermangel gemeldet, aber das stellte sich als Fehlalarm heraus. Dafür ließ sich die Fahrertüre nicht mehr öffnen - der Bowdenzug war hinüber. Bei der Gegelegenheit haben wir auch gleich (erneut) die viel zu schlappen Gasdruckdämpfer der Heckklappe tauschen lassen. Macht zusammen rund 150 Euro. Am Tag darauf vergisst der Autor die Standheizung und wird dafür bestraft: Das Auto springt erst im fünften Versuch nach viel "Georgel" an. Wie peinlich ist das denn? Ja, es hatte minus 16 Grad, aber das sollte eigentlich noch keine Temperatur sein, die einem fünfeinhalb Jahre alten VW mit anderthalb Jahre junger Batterie ernsthaft zu schaffen machen.

To be continued, 28.02.2012: An der Kennzeichenbeleuchtung entwickelt sich Rost. VW übernimmt die Entrostung und Neulackierung (und dabei auch den Austausch des ausgeleierten Heckklappen-Öffnungstasters) komplett auf Kulanz – Glück im Unglück sozusagen.

Das Ende, 04.04.2013: In den letzten Monaten war der Passat ausschließlich noch als Kindergarten-Express im Einsatz und wurde anders als die Jahre zuvor nicht mehr gewaschen, poliert oder sonstwie gepflegt. Die Mängelliste war so kurz wie die Kilometerleistung: Die Batterie aus dem Sommer 2010 war nicht nur leer, sondern kaputt (das Standheizungs-Pendant der Erstausrüstung funktioniert immer noch), und der Rußfilter meckerte wegen des argen Kurzstrecken-Betriebs regelmäßig nach "Freifahren", was auch funktionierte. Normalerweise kann man die verbleibende Rußfilter-Lebensdauer abschätzen, in dem die Werkstatt den Füllungsgrad ausliest, das war hier jedoch aus unbekannten Gründen nicht möglich. Dafür wurden im Rahmen eines Rückrufs (pardon, "Servicemaßnahme") die beiden noch originalen Einspritzdüsen (Rest von der Plauen-Panne, siehe oben) getauscht, was VW über 1.000 Euro gekostet hat.
Am Ende wurde das Auto online inseriert und war bei hoher Nachfrage binnen Stunden verkauft. Der Käufer interessierte sich dabei trotz angeblicher Selbstnutzungs-Absicht ausschließlich für den Klang des Motors, den Zahnriemen-Austausch und die vermeintlichen Nachlackierungen (erfunden zur Preisverhandlung), nicht aber für den Verkaufsgrund, die Fahrzeughistorie oder auch nur die Funktion der Fensterheber. So bleibt am Ende auch kein schlechtes Gewissen, zumal solche Montagsautos in ihrer zweiten Lebenshälfte oft noch echte Kilometerfresser werden, sind die größten Schwachstellen doch schon erledigt. — So freuen wir uns auf die Ersatzbeschaffung (gebraucht, mit zwei Jahren voller Garantie), verabschieden das Auto trotz seiner zuverlässigen Unzuverlässigkeit und der hohen Betriebskosten aber doch mit Wehmut; die "gemeinsamen Jahre" waren spannend in jeder Hinsicht. Machs gut, Allder!
text  Hanno S. Ritter
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