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M+S-Reifen sind für die |
Goodyear |
neue Winterreifenpflicht ausreichend |
Pünktlich zum ersten Schneefall hat der Bundesrat in seiner heutigen Sitzung erwartungsgemäß die neue Winterreifen-Pflicht
abgenickt. Die bisherige unkonkrete Formulierung wird durch eine handfestere ersetzt, doch wirklich gut ist die Regelung
noch immer nicht.
Die neue Winterreifen-Vorschrift wird nach der beschleunigten Abarbeitung im Bundestag in den kommenden Tagen,
voraussichtlich am Montag, 29.11.2010, im Bundesgesetzblatt veröffentlicht und ist dann geltendes Recht. Die
ersten beiden Sätze des § 2 Absatz 3a StVO lauten dann:
Bei Glatteis, Schneeglätte, Schneematsch, Eis- oder Reifglätte darf ein Kraftfahrzeug nur mit Reifen gefahren
werden, welche die in Anhang II Nr. 2.2 der Richtlinie 92/23/EWG des Rates vom 31. März 1992 über Reifen von
Kraftfahrzeugen und Kraftfahrzeuganhängern und über ihre Montage (ABl. L 129 vom 14.5.1992, S. 95), die zuletzt
durch die Richtlinie 2005/11/EG (ABl. L 46 vom 17.2.2005, S. 42) geändert worden ist, beschriebenen
Eigenschaften erfüllen (M+S-Reifen)."
Im Klartext: Bei winterlichen Wetterbedingungen darf ein Auto nur bewegt werden, wenn es mit Winterreifen
ausgerüstet ist. Allerdings hält der Gesetzgeber M+S-Reifen (M&S, M.S.) insoweit für ausreichend, obwohl diese
Kennzeichnung nicht geschützt ist - letztlich kann jeder Reifenhersteller die Buchstabenkombination nach Belieben in die
Reifenflanken einprägen. Demnach gelten auch entsprechend gekennzeichnete Ganzjahresreifen im Sinne der Vorschrift
als ausreichend. Auch hat der Gesetzgeber keine Mindestprofiltiefe für Winterreifen bestimmt, so dass insoweit nur
die von allen Experten schon für Sommerreifen als zu lasch bezeichnete Grenze von 1,6 Millimetern gilt.
Die Winterreifen-Pflicht gilt für alle Pkw, Motorräder und Fahrzeuge bis 3,49 Tonnen zulässigem Gesamtgewicht. Für schwerere
Lkw inklusive (Klein-)Bussen mit mehr als acht Sitzplätzen für Passagiere genügen M+S-Reifen auf der Antriebsachse,
weil nach der Begründung des Bundesverkehrsministeriums Nutzfahrzeugreifen aufgrund eines erhöhten Naturkautschukanteils
im Gegensatz zu Pkw-Sommerreifen "von vornherein für den Ganzjahreseinsatz an den übrigen Achsen geeignet" sind. Land-
und forstwirtschaftliche Nutzfahrzeuge, die üblicherweise zwar nicht mit M+S-Reifen, aber mit grobstolligen Reifen
ausgerüstet sind, sind von der Regelung gänzlich ausgenommen.
Dass die gesamte Ausrüstung von Kraftfahrzeugen an die Wetterverhältnisse anzupassen ist, wie es bis jetzt sinnvollerweise
im Gesetzestext mit dem Beispiel von ausreichend Frostschutz in der Scheinbenwaschanlage hieß, wurde aufgegeben. Zur
Begründung hieß es, eine solche Ausrüstungsvorschrift müsse in der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung geregelt werden.
Die Straßenverkehrs-Ordnung beinhalte dagegen lediglich die Verhaltensvorschriften im Straßenverkehr. In diesem Sinne
habe man die Vorschrift im Hinblick auf die Benutzung von Winterreifen in eine Verhaltensvorschrift umformuliert.
Strafen verdoppelt / Punkte für Winterreifen-Muffel
Auch der Bußgeldkatalog wird angepasst: Zuwiderhandlungen kosten künftig 40 statt 20 Euro, womit automatisch auch ein
Punkt in Flensburg fällig wird. Wer Auto oder Motorrad mit Sommerreifen fährt und dadurch andere behindert oder gefährdet, ist mit 80
statt 40 Euro dabei. Die bisherigen Regelsätze hätten keine ausreichend abschreckende Wirkung ausgeübt, heißt es in der
Begründung: "Ohne die notwendige Traktion und Haftreibung von Winterreifen (M+S-Reifen) ist es eine Frage der Zeit, bis
der Verkehr behindert oder gefährdet wird. Denn schon geringe Steigungen können dazu führen, dass das Kraftfahrzeug stehen
bleibt oder sich quer stellt und damit erhebliche Staus mit einem nicht vorhersehbaren volkswirtschaftlichen Schaden verursacht."
Die Winterreifen-Vorschrift und damit auch die Bußgeld-Androhung gilt auch für ausländische Fahrzeuge, sinnvollerweise aber nicht
für den stehenden Verkehr. Wer bei Winterwetter sein Fahrzeug nur auf öffentlichem Grund parkt, aber nicht bewegt, hat alles
richtig gemacht.
Bisher war in § 2 Abs. 3a der StVO lediglich vorgeschrieben, dass die Ausrüstung von Fahrzeugen "an die Wetterverhältnisse
anzupassen" ist. Hierzu zählte insbesondere die "geeignete Bereifung". Eine Präzisierung dieser Winterreifen-Vorschrift war
wie berichtet nach einem Beschluss des Oberlandesgerichtes Oldenburg notwendig geworden. Demnach verstieß der vormalige
Paragraph gegen das Bestimmtheitsgebot (Artikel 103 Absatz 2 GG). Die Verhängung von Bußgeldern sei deshalb verfassungswidrig.
Reaktionen der Autoclubs
Der ADAC begrüßte die neue Winterreifenpflicht und den Verzicht auf eine starre zeitliche Begrenzung. Der ARCD kritisierte
die lasche M+S-Regelung, die fehlende Angabe zur Profiltiefe und die Ausnahmen für Lkw. Wegen der erheblichen Schubwirkung
der schweren Fahrzeuge beim Bremsen sei eine besser greifende Bereifung auch an den Vorderachsen notwendig. Die nun
fortgeschriebene lasche Regelung unterlaufe das selbst verkündete Ziel von Verkehrsminister Ramsauer, die Gefahr durch
quer stehende Lkw zu reduzieren. Auch der VCD begrüßte die Neuregelung, forderte aber eine eindeutige Kennzeichnung.
Diese Kritikpunkte nannte auch der ACE. Weil schon heute Lkw meist mit M+S-Reifen ausgerüstet seien, ändere sich vermutlich
nichts daran, dass Lkw auf schneeglatten Steigungsstrecken stecken blieben und sich quer stellten. Außerdem kritisiert der
Club das fehlende Wort Winterreifen in der Neufassung der Vorschrift und deren "Behördenkauderwelsch". "Diese Vorschrift ist
von Juristen für Juristen gemacht, nicht aber für Bürgerinnen und Bürger", sagte ACE-Sprecher Rainer Hillgärtner am Freitag
in Stuttgart. "Dieser Winterreifenvorschrift kann man nur noch einen guten Rutsch wünschen".
Wohl wahr.