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Donnerstag, 28. März 2024
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Forscherteam arbeitet an kabelloser Akkuladung für Autos

Induktions-Ladung: Der Strom liegt auf der Straße

Induktions-Ladung: Der Strom liegt auf der Straße
Induktionsschleifen in der Straße IAV
könnten berührungslos Auto-Akkus laden
Elektroautos sind derzeit das Thema schlechthin – und noch sind jede Menge Probleme dieser fraglos zukunftsfähigen Idee ungelöst. Dazu gehören neben der geringen Reichweite die langen Ladezeiten und die fehlende Ladeinfrastruktur. Ein Forscher-Team will das "Tanken" während der Fahrt ermöglichen – kabellos. Telefone, Tastaturen, Computer-Mäuse sind kabellos geworden, selbst das Radio verzichtet immer häufiger auf das Antennenkabel. Doch Stromübertragung per Induktion ist noch eine Seltenheit - die meisten Menschen kennen das, wenn überhaupt, nur von ihrer elektrischen Zahnbürste, wo das Prinzip seit Jahren erfolgreich angewendet wird, oder, leicht abgewandelt, vom Induktionsherd.

Das Engineering-Unternehmen IAV (Ingenieurgesellschaft Auto und Verkehr) verfolgt diesen Ansatz zusammen mit dem Energieübertragungsunternehmen Vahle nun auch für Elektroautos. Sie sollen sich künftig einfacher, zuverlässiger und bequemer mit Strom versorgen lassen und so in einem Aufwasch ihre Reichweite erhöhen. "Der Akku wird ohne Kabel während der Fahrt oder beim Parken aufgeladen", erklärt IAV-Bereichsleiter Wilfried Nietschke das Prinzip. Induktionsschleifen in der Fahrbahn erzeugen ein Magnetfeld, das die Autos berührungsfrei mit Energie versorgt. Steckdose und ein Kabel sind in dem Szenario nicht erforderlich.

Nur eine fixe PR-Geschichte eines weithin unbekannten Unternehmens? Das wäre zu einfach. Die IAV mit Hauptsitz in Berlin beschäftigt immerhin über 3.800 Mitarbeiter, Hauptgesellschafter sind Volkswagen und Continental. Nietschke ist denn auch zuversichtlich, die innovative Technologie - so wörtlich - "in den nächsten Jahren" zur Serienreife entwickeln zu können: "Im Modellversuch funktioniert unser neues System bereits tadellos", sagt der Elektroingenieur und präsentiert als Beweis eine Anlage im Modellauto-Maßstab. Eine echte Versuchsstrecke wird den Angaben zufolge bereits in Niedersachsen geplant.

In der Praxis wäre nach IAV-Vorstellung zukünftig die Fahrbahn mit versenkten elektrischen Leitern bestückt, die ein Magnetfeld erzeugen. Am Unterboden des Elektroautos befände sich als Gegenstück ein berührungsfreier Aufnehmer, in dem der Strom induziert wird. Das kann direkt während der Fahrt geschehen oder auf Vorrat beim Parken. Der Primärleiter in der Fahrbahn könnte darüber hinaus ein Steuersignal übertragen, mit dem das Auto auf der virtuellen Schiene ferngesteuert werden könnte - das Prinzip der Carrerabahn für die Autobahn, sozusagen, nur ohne Schlitz in der Fahrbahndecke.

Auch wenn in der Autoproduktion oder auf großen Lagergeländen schon heute ferngesteuerte Flurförderfahrzeuge auf diese Art automatisch bewegt und mit Strom versorgt werden, steht die Umsetzung in der Praxis aber noch vor etlichen Problemen. Ein Steuerungssystem müsste garantieren, dass der Ladevorgang nur dann aktiviert wird, wenn per Sensor zweifelsfrei festgestellt wurde, dass sich tatsächlich auch ein Elektroauto über dem Induktionsfeld befindet. Auch ist eine exakte Identifikation eines bestimmten Fahrzeugs (beispielsweise per Funkchip) für ein korrektes Abrechnungsverfahren unverzichtbar. Man arbeite auch daran, lässt die IAV wissen - und hat hoffentlich auch das Thema Datenschutz im Blick.

Zu den weiteren Schwierigkeiten, die dem Projekt mehr den Status einer interessanten als bereits praxistauglichen Idee geben, gehört die erforderliche Definition und Umsetzung eines Standards, am besten europaweit - und noch bevor das halbe Land mit oberirdischen (und damit vandalismusgefährdeteren) Ladestationen übersät sein wird. Und: Die Ladeverluste liegen jedenfalls derzeit viel zu hoch, weswegen sich bisher noch nicht einmal Handys kabellos aufladen lassen. Von zehn Prozent ist die Rede, was summa summarum viel zu viel wäre - und wie der Induktionsherd metallische Gegenstände erhitzen könnte.

Dennoch: Probleme sind dazu da, sie zu lösen, und das hat die Autoindustrie inklusive ihrer Zulieferer bisher ja meist gut geschafft. Vielleicht steht der Unterflur-Induktionsaufnehmer dereinst tatsächlich in den Sonderausstattungslisten unserer Autos. Dann bestimmt mit einem coolen Marketing-Namen, vielleicht als HighVoltageBlueFlexEfficientPowerSystem. Oder so.
text  Hanno S. Ritter
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