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Donnerstag, 25. April 2024
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Kleinstwagen wird größer und erwachsener / Diesel nur mit offenem Rußfilter

Smart Fortwo: Das ist die zweite Generation

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Smart Fortwo II
Smart
Acht Jahre nach der Premiere des Experiments Smart zeigt die DaimlerChrysler-Tochter endlich den neuen Fortwo. Nach dem Willen seiner Erbauer soll die zweite Generation des Kleinstwagens alles können, was der Vorgänger konnte – aber alles noch ein bisschen besser. Erste Eindrücke.
Die Aussage erinnert ein bisschen an das Motto von Gerhard Schröder im Bundestagswahlkampf 1998 - jenem Jahr, als der erste Smart zu den Händlern rollte und allüberall zu Recht bestaunt wurde.

Das Konzept des Autos - Heckmotor, exakt 2,50 Meter Länge und gute Crashsicherheit - darf fast schon als genial bezeichnet werden, die Verarbeitung war gut, und doch wurde es ein schwerer Start für den einst vom Schweizer Swatch-Mann Nicolas G. Hayek ersonnenen Zweisitzer. Es fing an mit umgekippten Autos, die zu sehr an das "Elchtest"-Desaster bei der A-Klasse gerade mal ein Jahr vorher erinnerten, und, nachdem die Bilder lange genug durch die Öffentlichkeit gegangen waren, durch etliche Änderungen wie einen besseren Schwerpunkt dank leichterem Dach und die Umstellung auf ein serienmäßiges ESP abgestellt wurden.

In den Jahren danach hat die junge Firma Smart so viele Schlagzeilen produziert, wie man es kaum erwartet haben mag - und zumeist schlechte. Von 3,5 Milliarden Euro Verlust ist die Rede, der Ausbau zur Modellfamilie mit Forfour, Roadster, Roadster-Coupé und dem angedachten Mini-SUV "Formore" ist grandios gescheitert - und viele der Probleme, so mag man hinzufügen, mag es sich auch besserwisserisch anhören, wären ebenso zu vermeiden gewesen wie die ein oder andere Peinlichkeit im Marketing. Man könnte ganze Bücher mit der kurzen Smart-Geschichte füllen.

Fakt ist andererseits auch, dass der als "city-coupé" eingeführte und später in Fortwo umgetaufte Zweisitzer durchaus seine Freunde gefunden hat, und das nicht nur in Deutschland. Über 750.000 Fahrzeuge wurden verkauft, was wahrlich keine schlechte Bilanz ist und eindeutig für das Konzept spricht. Insoweit lag es nahe, dem Auto einen Nachfolger zu geben, den die DaimlerChrysler-Tochter, die inzwischen nicht nur ein neues Logo hat, sondern bald auch nicht einmal mehr eine eigenständige GmbH ist, am Donnerstag Abend (9. November) in Stuttgart präsentiert hat. Manche Medien hatten das Material bereits zuvor bekommen, und konnten deshalb die Neuheit bereits zeitgleich zur Präsentation veröffentlichen. Manche.

Zu den Fakten: Wie allgemein erwartet, ist das Auto deutlich größer geworden. Fast 20 Zentimeter Längenzuwachs gehen nicht zuletzt zurück auf neue Sicherheitsbestimmungen in punkto Fußgängerschutz und die notwendige Kompatibilität zu US-amerikanischen Sicherheitsvorschriften; ein größerer Kofferraum und mehr Komfort zollten ebenfalls Tribut. Fast 2,70 Meter Länge bedeuten aber auch, dass das bisherige Querparken künftig nur noch sehr eingeschränkt möglich sein wird, wenn auch der Autobauer mit interessanten Rechenbeispielen das Gegenteil kommuniziert.

Die Breite wächst um gut vier Zentimeter auf 1,56 Meter, während die Höhe um einige Millimeter geringer ausfällt. Weil der Radstand das Längenwachstum nur um 5,5 Zentimeter mitmacht, ergeben sich längere Überhänge - freilich "nicht wirklich" lange. Eine ebenfalls gewachsene Spurbreite und die vorne etwas breiteren Räder sorgen für ein etwas bulligeres Auftreten.

Im übrigen ist sich Smart in punkto Design weitgehend treu geblieben, was kein Nachteil sein muss. Ob die neue, schwer beschreibbare Scheinwerfer-Form ein Fortschritt ist, liegt dabei im Auge des Betrachters. Dies gilt genauso für den Lufteinlass am hinteren Seitenteil und die nun jeweils zwei statt drei runden Heckleuchten. Sicherlich ein Fortschritt ist dagegen der jetzt horizontal liegende Türgriff und die schöner integrierten Aero-Scheibenwischer. Die Heckscheibe steht etwas flacher als bisher, während die Front weiter aufragt. Außerdem auffällig: Die Sicherheitszelle ist an der Seite etwas schmaler ausgeführt, die Dreiecksfenster in der C-Säule entfallen, die Griffleiste am Kofferraumdeckel ist breiter.

Das Interieur gibt sich jetzt etwas erwachsener, weil die Gestaltung von Bedienungselementen und Armaturenträger ruhiger ausfällt, es mittig zwei statt einer Luftdusche, ein größeres Radiosystem und im Cabrio ein Handschuhfach mit abschließbarer Klappe gibt. Die aufgesetzten Zusatzinstrumente bleiben dagegen genauso erhalten wie der billig wirkende Tacho, wenn dieser jetzt auch endlich über zwei Blinker-Kontrollleuchten verfügt. Im übrigen verwehrt Smart jedoch genaue Bilder des neuen Autos sowohl von innen als auch von außen - eine (auch insoweit) merkwürdige PR-Taktik bei der wichtigsten Smart-Neuheit für Jahre.

Zu den Motoren. Die Dreizylinder-Benziner stammen künftig nicht mehr aus dem eigenen Haus, sondern von Mitsubishi, und werden in Japan gefertigt. Der Hubraum steigt von 0,7 auf 1,0 Liter. Zur Wahl stehen zwei Saugvarianten mit 61 und 71 PS sowie ein Turbo-Aggregat mit 84 PS. Die Höchstgeschwindigkeit wird künftig auf 145 statt 135 km/h elektronisch begrenzt. Letzterer Wert bleibt dem Diesel erhalten, dessen Mercedes-CDI nun 45 statt 41 PS leistet. Verbrauch und CO2-Ausstoß sollen weiter sinken, liegen nach den technischen Daten aber auf bisherigem Niveau (3,4 Liter Verbrauch, 90 g/km CO2). Die Abgaseinstufung ist nun EU4.

Allerdings erhält der Diesel-Smart wie bisher (und nur in Deutschland, Italien und der Schweiz) nur einen "offenen" Rußfilter, der in seiner Wirkung mit jener von nachgerüsteten Systemen vergleichbar ist. Wenn es auch in punkto Umwelt dringendere Probleme geben mag, wie jüngst bei "Spiegel Online" behauptet, und wenn die Deutsche Umwelthilfe, die sich zu diesem Thema seit längerem und aktuell erneut in juristischen Auseinandersetzungen mit dem Autobauer befindet, es mit ihrer Kritik und Wortwahl übertreiben mag - warum eine A-Klasse einen vollwertigen und ein Smart einen billigen Partikelfilter bekommt, ist nicht nachvollziehbar, passt nicht in die Zeit, sorgt tendenziell für schlechten Werterhalt, produziert jede Menge schlechter Schlagzeilen und ist schlicht ärgerlich.

Und: Unbedarfte Kunden werden mit der Bezeichnung "Rußfilter (offenes System)" nicht ganz unbewusst hinters Licht geführt: Ersterer schafft nur 40 gegenüber 99 Prozent Reinigungswirkung. Der richtige Filter wird erst ab 2008 lieferbar sein. Alternative Antriebe sind zum Marktstart nicht verfügbar. Für den mittleren Benziner ist für Ende 2007 immerhin eine Variante mit Start-/Stopp-Automatik angekündigt, deren Verbrauch im Stadtverkehr um 13 Prozent niedriger liegen soll.

Die Kraftübertragung übernimmt wie bisher ein automatisiertes Getriebe, das aber nur noch über fünf statt sechs Fahrstufen verfügt und dessen beim aktuellen Modell höchst nervige Schaltpausen um die Hälfte reduziert wurden. Nach wie vor kostet der Automatik-Modus des Getriebes in der Basisversion unverständlicherweise Aufpreis. Ist er gewählt, steht nun auch eine Kickdown-Funktion mit gleichzeitigem Rückschalten um zwei Gänge zur Verfügung.

Ebenfalls aufpreispflichtig bleibt modellabhängig die empfehlenswerte Servolenkung und die Seitenairbags, während ESP lobenswerterweise nach wie vor stets Standard ist. In punkto Sicherheit neu sind außerdem optional lieferbare Seiten-/Kopf-Airbags, die in den Sitzen untergebracht sind. Der Beifahrer-Airbag lässt sich jetzt mit dem Zündschlüssel deaktivieren.

Gleichzeitig mit dem geschlossenen Smart wird auch das Cabrio zu den Händlern kommen. Dieses verfügt nun endlich über eine heizbare Heckscheibe aus Glas und, nicht minder praktisch, ein vollständig elektrisch öffnendes Verdeck, dessen Bedienung bei jeder Geschwindigkeit funktioniert.

Markteinführung des neuen Smart ist im April 2007. Der Basispreis soll, wohl Mehrwertsteuer-bereinigt, unverändert bleiben, während die anderen Motorisierungen und das Cabrio leicht teurer werden dürften. Eine besonders potente Brabus-Variante darf ebenfalls noch für 2007 erwartet werden.

Was bleibt? Der erste Eindruck ist gemischt, womit sich der Bogen zu Schröders Motto und dessen anschließender Umsetzung schließt. Eine endgültige Bewertung bleibt einer eingehenderen Beschäftigung mit dem Objekt in natura vorbehalten. Sicher hat der Smart in vielen Punkten gewonnen, und doch sind Details wie die Ausstattung und der fehlende "echte" Rußfilter ebenso ärgerlich wie verwunderlich bei einem Auto, von dem ohne Übertreibung die Zukunft der Marke Smart abhängt. Die Kunden werden entscheiden, und man darf annehmen, dass der neue Fortwo, der diesen Namen nicht mehr auf dem Blech trägt, wieder jede Menge Freunde finden wird. Bald auch in den USA. For sure.
text  Hanno S. Ritter
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