Nach der Straßenverkehrsordnung dürfen Autofahrer an Linienbussen, die an Haltestellen stehen, nur vorsichtig vorbeifahren.
In solchen Bereichen müssen sie für Unfälle mit unvorsichtig über die Straße laufenden Fußgängern sogar dann haften, wenn
gar nicht feststeht, ob diese zum Bus wollten, entschied das OLG Hamburg.
Wie der Anwalt-Suchservice berichtet, war in dem zugrundeliegenden Fall ein Fußgänger in der Nähe eines haltenden
Linienbusses überfahren worden. Der Mann war eilig über die Fahrbahn gehastet und direkt vor einen herannahenden Lkw
gelaufen.
Die Frau des Verunglückten verklagte später den Lkw-Fahrer. Er hätte, so meinte sie, im Haltestellenbereich so langsam
fahren müssen, dass er für unvorsichtige Fahrgäste noch rechtzeitig hätte anhalten können.
Der Lkw-Fahrer hielt dem entgegen, dass der Unfall für ihn unvermeidbar gewesen sei, weil der Fußgänger ihm direkt vor
den Wagen lief. Außerdem stehe gar nicht fest, ob der Verunglückte wirklich zum Bus gewollt habe oder nur zufällig in Nähe
der Haltestelle über die Straße gehastet sei. Besondere Vorsicht müssten Autofahrer in Haltestellenbereichen aber nur
gegenüber Fahrgästen walten lassen, die ausgestiegen seien oder einsteigen wollten, meinte der Lkw-Fahrer.
Das Oberlandesgericht Hamburg sah das anders (Urteil vom 11.02.2005;
- 14 U 195/03 -). Es komme nicht
darauf an, so die Richter, ob der verunglückte Mann tatsächlich in den Bus einsteigen wollte. Entscheidend sei vielmehr
das äußere Bild, das sich für den Lkw-Fahrer geboten habe. Der Verunglückte habe unmittelbar vor dem haltenden Bus in
zügigem Laufschritt die Fahrbahn überquert. Damit habe er das typische Bild eines unvorsichtigen Fußgängers geboten, der
unter Außerachtlassung des Verkehrs seinen Bus noch erreichen wolle. Für den Lkw-Fahrer hätte dies ein Anlass zum
Bremsen sein müssen, er habe aber zu spät gestoppt und müsse daher haften.
Allerdings, so die Richter, sei zu berücksichtigen, dass der Überfahrene grob leichtsinnig direkt vor den herannahenden
Lkw gelaufen sei. Er sei deshalb zur Hälfte selbst für das Unglück verantwortlich gewesen. Der Lkw-Fahrer müsse daher
nur zu 50 Prozent für den Unfall aufkommen.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig; die Revision zum Bundesgerichtshof wurde zugelassen.