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Donnerstag, 28. März 2024
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Sportwagenbauer hält Gesetzesentwurf für verfassungswidrig

Manager-Gehälter: Porsche lehnt Offenlegung ab

Siehe Bildunterschrift
Porsche
Wiedeking
In der Diskussion um eine Offenlegungspflicht für einzelne Vorstandsgehälter hat Porsche deutliche Kritik an den Gesetzesplänen von Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) geübt.

Nach Ansicht des Sportwagenbauers brächte eine Offenlegung keinen Erkenntnisgewinn für die Anleger mit sich. Für den Aktionär sei lediglich relevant, ob die Vorstandsbezüge insgesamt in einem angemessenen Verhältnis zum Unternehmenserfolg stünden. Dazu genüge die Angabe der Gesamtsumme der Bezüge sowie deren Zusammensetzung aus fixen und erfolgsabhängigen Anteilen.

Im Gegensatz zur Position des Ministeriums sei die isolierte Information über die Höhe der individuellen Bezüge eines Vorstandsmitglieds eben nicht geeignet, die Angemessenheit der Vorstandsvergütungen zu beurteilen. Dazu wäre nach Meinung von Porsche die Kenntnis der bei jedem Vorstandsmitglied unterschiedlichen Umstände notwendig, die maßgeblich für die Bemessung waren. Zudem habe eine Offenlegung der Gehälter nach bisheriger Erfahrung dazu geführt, dass die Bezüge eher steigen - unbesehen der unterschiedlichen Leistung, Erfahrung und Verantwortung der einzelnen Vorstandsmitglieder. Dies könne schwerlich im Interesse der Aktionäre sein.

Weiter hieß es, das Unternehmen erkenne die Bemühungen des Gesetzgebers um einen verfassungsgemäßen Ansatz an, halte den jetzt vorgestellten Entwurf im Ergebnis aber dennoch für verfassungswidrig. Sowohl das Grundgesetz als auch die Europäische Konvention zum Schutz der Menschenrechte garantierten jedem Bürger das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, in das nur unter Beachtung des Verfassungsgrundsatzes der Verhältnismäßigkeit eingegriffen werden darf. "Schlichte Neugier und diffuse Transparenzbedürfnisse einer selbst ernannten kritischen Öffentlichkeit rechtfertigen den geplanten Eingriff jedoch nicht", kritisierte Porsche mit deutlichen Worten.

Zypries hatte am Freitag Eckpunkte eines entsprechenden Gesetzentwurfs vorgelegt, wonach alle rund 1.000 börsennotierten Aktiengesellschaften künftig alle Vorstandsbezüge individuell veröffentlichen müssen. Noch im vergangenen Jahr hatte es geheißen, man werde ein solches Gesetz nur dann auf den Weg bringen, wenn sich nicht rund zwei Drittel der DAX-Unternehmen freiwillig entsprechend verhielten.

Zwar sieht der jetzige Entwurf vor, dass die Hauptversammlung mit einer Mehrheit von 75 Prozent der stimmberechtigten Aktionäre die Pflicht ablehnen kann, was aber in der Praxis meist ein Papiertiger bleiben dürfte - außer, notabene, bei Porsche, wo die Eigentümerfamilien Porsche und Piëch Vorstandschef Wendelin Wiedeking nach Informationen des "SPIEGEL" bereits entsprechende Zusagen gemacht haben.

Zu den im DAX erfassten Unternehmen, die die Bezüge individualisiert ausweisen oder dies für die nahe Zukunft angekündigt haben, gehören u.a. die Deutsche Bank, Deutsche Telekom, Allianz, Metro, Lufthansa, SAP, Adidas, Siemens, Bayer und Volkswagen - Konzernchef Pischetsrieder hat 2004 nach dem neusten Geschäftsbericht 2,63 Millionen Euro verdient. Zu den Gegnern im DAX gehören u.a. BASF, Henkel, DaimlerChrysler und BMW.

Kommentar:
In der Tat ist zweifelhaft, ob das Gesetz vor dem Bundesverfassungsgericht Bestand haben wird. Zwar ist das Recht auf informationelle Selbstbestimmung im Grundgesetz nicht explizit geregelt, es ergibt sich jedoch aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht: Jeder Mensch kann grundsätzlich selbst darüber entscheiden, ob er personenbezogene Daten preisgibt, entschieden die Verfassungsrichter bereits 1983 im Volkszählungsurteil.

Gegen die Neuregelung spricht auch die Vorschrift des § 286 Absatz 4 im Handelsgesetzbuch, die ausdrücklich besagt, dass selbst die Gesamtbezüge des Vorstands nicht veröffentlicht werden müssen, wenn sich daraus das Gehalt eines einzelnen Mitglieds errechnen lässt.

Porsche hat es sehr deutlich formuliert, und wie so häufig kann man nur zustimmen: Man sollte Transparenz, die Anpassung an US-amerikanische Standards und die "Aktienkultur" nicht höher bewerten als Datenschutz und Persönlichkeitsrechte.

Auch wenn man über die Angemessenheit der Bezüge von "Industriebossen" zweifellos genauso diskutieren kann wie über andere hochbezahlte Berufsgruppen, scheint es verständlich, dass die Chefs ihre Lohnabrechnungen nicht in der Presse lesen möchten: Es geht weder die Mitbewerber noch die Öffentlichkeit etwas an. Dort sind, vom öffentlichen Dienst einmal abgesehen, andere Gehälter ja auch nicht für jedermann zugänglich. Warum auch? — Man sollte annehmen, dass die Bundesregierung dringendere Probleme zu lösen hat. (hsr)
text  Hanno S. Ritter
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