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Gericht: Keine Aufsichtspflichtverletzung bei Kindern ohne Begleitung
Urteil: Eltern haften nicht für Unfall ihres neunjährigen Kindes
Kinder unter zehn Jahre haften bei Unfällen mit Kfz-Beteiligung grundsätzlich nicht für den fahrlässig angerichteten
Schaden. Diese Haftungsbegrenzung hat der Gesetzgeber im August 2002 in das Bürgerliche Gesetzbuch aufgenommen. Mit der
Beschränkung der Haftung zugunsten unfallbeteiligter Kinder geht aber keine erhöhte Aufsichtspflicht der Eltern einher,
entschied jetzt das Oberlandesgericht Oldenburg.
Ein seinerzeit neunjähriger Junge war im September 2002 mit dem Fahrrad auf dem Weg zu einem Freund. Ohne auf den
Verkehr zu achten, versuchte er eine Straße zu überqueren. Der spätere Kläger, ein Motorradfahrer, stürzte bei
dem notwendigen Ausweichmanöver. Dabei wurden Motorrad und Kleidung beschädigt und der Fahrer verletzt.
Das Landgericht hatte der Schadensersatzklage des Motorradfahrers gegen die Kindeseltern in Höhe von ca. 5.200 Euro
stattgegeben. Zur Begründung hieß es, die Eltern hätten ihre Aufsichtspflicht verletzt.
Auf die Berufung der Eltern hat das OLG Oldenburg das Urteil jedoch geändert und die Klage abgewiesen. Eine
Aufsichtspflichtverletzung der Eltern sei nicht erkennbar, so die Richter
(Urteil vom 04.11.2004; - 1 U 73/04 -).
Die Aufsichtspflicht sei insbesondere nicht dadurch verletzt, dass die Eltern ihren Sohn allein ohne präsente Aufsicht im
öffentlichen Straßenverkehr hätten Fahrrad fahren lassen.
Üblicherweise würden Kinder jedenfalls zu Beginn der allgemeinen Schulpflicht mit sechs Jahren an die Teilnahme am
Straßenverkehr herangeführt und gewöhnt. Es entspreche daher gesicherter Rechtsprechung, dass ein achtjähriges Kind,
das ein Fahrrad hinreichend sicher fahren könne, über Verkehrsregeln eindringlich unterrichtet worden sei und sich
gewisse Zeit im Verkehr bewährt habe, auch ohne Überwachung durch die Eltern mit dem Fahrrad am Straßenverkehr
teilnehmen könne, etwa um zur Schule zu fahren.
Die Gesetzesänderung, wonach Kinder bis zehn Jahre nunmehr von einer Eigenhaftung ausgenommen seien, gebe keinen Anlass,
von diesen Grundsätzen abzuweichen und nunmehr eine verschärfte Aufsichtspflicht der Eltern anzunehmen. Der Gesetzgeber
habe durch die Neuregelung allein den typischerweise noch vorhandenen Defiziten im Verkehrsverhalten von Kindern der
Altersgruppe unter zehn Jahren Rechnung tragen wollen; es sei ihm nicht darum gegangen, die Haftung der Eltern zu
verschärfen und damit letztlich nur die Haftungsrisiken innerhalb der Familie umzuschichten.
Es sei auch weiterhin erforderlich, dass Kinder der genannten Altersgruppe nach den dargestellten Grundsätzen an eine
eigenverantwortliche Teilnahme am Straßenverkehr herangeführt würden - entsprechend ihrer Entwicklung auch in Abwesenheit
der Eltern. Hierin könne dann keine Aufsichtspflichtverletzung gesehen werden.
text Hanno S. Ritter
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