Erst kürzlich hatte Pischetsrieder in einem Interview der Kollegen von "auto motor und sport" betont, er verhandele
nicht mit Bernhard - man führe lediglich Gespräche. Ganz offensichtlich waren das
Verhandlungsgespräche im
Endstadium, um nicht zu sagen, die Interviewäußerungen waren das Papier nicht wert, auf dem sie gedruckt wurden.
Bernhard, bis vor einigen Monaten noch in Diensten von DaimlerChrysler und dort als zweiter Mann hinter Dieter Zetsche
erfolgreich an der Sanierung von Chrysler beteiligt, war eigentlich als neuer Chef von Mercedes-Benz vorgesehen.
Wenige Tage vor der Amtsübernahme wurde dieses Projekt jedoch gestoppt - ohne offizielle Begründung. Dem Vernehmen nach
hatte er bereits vor Amtsantritt Mercedes als "Sanierungsfall" bezeichnet und sich gegen ein weiteres finanzielles
Engagement bei Mitsubishi ausgesprochen - Konzernchef Schrempp konnte beides nicht akzeptieren. Dazu fehlte dem
Manager, als ehrgeizig und unsensibel bekannt, offenbar die Rückendeckung des Betriebsrates.
Bernhard eilt der Ruf voraus, ein knallharter Sanierer zu sein - eigentlich genau das, was VW braucht. Dazu ist
der Mann technisch versiert (unter anderem entwickelte er im Alter von 30 Jahren die Fünfgang-Automatik von
Mercedes und leitete erfolgreich den Produktionsanlauf der aktuellen S-Klasse) und hat kein Problem damit,
regelmäßig in den Blaumann zu schlüpfen und Kontakt zu den Mitarbeitern in der Fertigung zu suchen. Demgegenüber
stehen ein massiver Ehrgeiz und überdurchschnittliche Gehaltsvorstellungen.
Nach dem Aus bei DaimlerChrysler hatten mehrere Autohersteller und auch branchenfremde Unternehmen Interesse
an Bernhard durchblicken lassen. Wenn VW das Rennen nun für sich entschieden hat, so darf das als Erfolg von
Pischetsrieder gelten. Andererseits sägt dieser möglicherweise an seinem eigenen Stuhl: Dass die reine Verantwortung
für die Markengruppe VW dem noch jungen Bernhard dauerhaft reichen wird, darf bezweifelt werden.
Wenn Bernhard seine Gehaltsvorstellungen auch bei Volkswagen durchgesetzt hat, so sei ihm dies vergönnt. Allerdings
passt das zu den gerade laufenden Tarifauseinandersetzungen beim größten deutschen Autobauer wie die Faust aufs Auge:
Während das Management mit der Belegschaft verhandelt und dabei gar droht, alle künftigen Modelle nicht mehr in
Deutschland zu produzieren, wird ein besonders teurer Vorstand eingekauft. Gut möglich, dass der Mann sein Geld wert
ist; das vermag ein Außenstehender nicht zu beurteilen. Der Zeitpunkt für die Entscheidung hätte jedoch kaum unsensibler
gewählt sein können.
Und noch eines zeigt dieser Vorgang deutlich, wenn auch die Erkenntnis nicht neu ist: Viele Manager haben inzwischen
so gut wie nur noch ihre eigene Karriere im Kopf. Ob man dann Mercedes- oder VW- (oder BMW- oder GM-)Chef wird,
spielt kaum eine Rolle, sofern nur Macht und Gehaltsscheck ausreichend groß bemessen sind. Ein Gefühl der
Zugehörigkeit, gar Herzblut für eine Marke? Fehlanzeige. Nicht nur bei Pischetsrieder oder Bernhard. Der Aktienkurs
ist alles, auch für "carguys".
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