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Donnerstag, 25. April 2024
Kommentar

Macht und Geld sind alles – auch für »carguys«

Erst kürzlich hatte Pischetsrieder in einem Interview der Kollegen von "auto motor und sport" betont, er verhandele nicht mit Bernhard - man führe lediglich Gespräche. Ganz offensichtlich waren das Verhandlungsgespräche im Endstadium, um nicht zu sagen, die Interviewäußerungen waren das Papier nicht wert, auf dem sie gedruckt wurden.

Bernhard, bis vor einigen Monaten noch in Diensten von DaimlerChrysler und dort als zweiter Mann hinter Dieter Zetsche erfolgreich an der Sanierung von Chrysler beteiligt, war eigentlich als neuer Chef von Mercedes-Benz vorgesehen. Wenige Tage vor der Amtsübernahme wurde dieses Projekt jedoch gestoppt - ohne offizielle Begründung. Dem Vernehmen nach hatte er bereits vor Amtsantritt Mercedes als "Sanierungsfall" bezeichnet und sich gegen ein weiteres finanzielles Engagement bei Mitsubishi ausgesprochen - Konzernchef Schrempp konnte beides nicht akzeptieren. Dazu fehlte dem Manager, als ehrgeizig und unsensibel bekannt, offenbar die Rückendeckung des Betriebsrates.

Bernhard eilt der Ruf voraus, ein knallharter Sanierer zu sein - eigentlich genau das, was VW braucht. Dazu ist der Mann technisch versiert (unter anderem entwickelte er im Alter von 30 Jahren die Fünfgang-Automatik von Mercedes und leitete erfolgreich den Produktionsanlauf der aktuellen S-Klasse) und hat kein Problem damit, regelmäßig in den Blaumann zu schlüpfen und Kontakt zu den Mitarbeitern in der Fertigung zu suchen. Demgegenüber stehen ein massiver Ehrgeiz und überdurchschnittliche Gehaltsvorstellungen.

Nach dem Aus bei DaimlerChrysler hatten mehrere Autohersteller und auch branchenfremde Unternehmen Interesse an Bernhard durchblicken lassen. Wenn VW das Rennen nun für sich entschieden hat, so darf das als Erfolg von Pischetsrieder gelten. Andererseits sägt dieser möglicherweise an seinem eigenen Stuhl: Dass die reine Verantwortung für die Markengruppe VW dem noch jungen Bernhard dauerhaft reichen wird, darf bezweifelt werden.

Wenn Bernhard seine Gehaltsvorstellungen auch bei Volkswagen durchgesetzt hat, so sei ihm dies vergönnt. Allerdings passt das zu den gerade laufenden Tarifauseinandersetzungen beim größten deutschen Autobauer wie die Faust aufs Auge: Während das Management mit der Belegschaft verhandelt und dabei gar droht, alle künftigen Modelle nicht mehr in Deutschland zu produzieren, wird ein besonders teurer Vorstand eingekauft. Gut möglich, dass der Mann sein Geld wert ist; das vermag ein Außenstehender nicht zu beurteilen. Der Zeitpunkt für die Entscheidung hätte jedoch kaum unsensibler gewählt sein können.

Und noch eines zeigt dieser Vorgang deutlich, wenn auch die Erkenntnis nicht neu ist: Viele Manager haben inzwischen so gut wie nur noch ihre eigene Karriere im Kopf. Ob man dann Mercedes- oder VW- (oder BMW- oder GM-)Chef wird, spielt kaum eine Rolle, sofern nur Macht und Gehaltsscheck ausreichend groß bemessen sind. Ein Gefühl der Zugehörigkeit, gar Herzblut für eine Marke? Fehlanzeige. Nicht nur bei Pischetsrieder oder Bernhard. Der Aktienkurs ist alles, auch für "carguys".

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text  Hanno S. Ritter
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