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Samstag, 20. April 2024
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Special: 50 Jahre ADAC-Straßenwacht

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burtstag: 50 Jahre ADAC-Straßenwacht
ADAC
Über 10.000 Mal am Tag oder alle neun Sekunden rückt irgendwo in Deutschland ein "Gelber Engel" aus, um zu helfen: Einem Menschen in Not - vom Autolenker bis zum Rollstuhlfahrer. Die rund 1.700 ADAC-Straßenwachtfahrer und ihre Kollegen von den 1.100 Straßendienstpartnern werden rund um die Uhr zu beinahe 3,7 Millionen Pannen im Jahr gerufen. In mehr als 83 Prozent der Fälle können die Schäden an Ort und Stelle behoben werden. Das spart den Havaristen aufwändige Abschleppaktionen und hohe Werkstattrechnungen. Und selbstverständlich helfen die Gelben Engel auch bei Verkehrsunfällen, sichern die Unfallstelle ab, versorgen Verletzte, löschen brennende Fahrzeuge - fast 180.000-mal jährlich.

Der Startschuss für die Pannenhilfe fiel mit einem Beschluss des ADAC im Jahr 1928 – und einer gehörigen Portion Wagemut: "Der ADAC soll einen Straßen-Hilfsdienst in Deutschland schaffen, mit 200.000 Mark Kostenaufwand soll der Anfang gemacht werden." Damit wurden 34 Motorräder und Autos angeschafft und als Hilfsfahrzeuge umgerüstet. Ihr Einsatzgebiet: Die wichtigsten Fernstraßen in den damals 24 ADAC-Gauen. Immerhin war schon eine dreiviertel Million Kraftfahrzeuge in Deutschland unterwegs. Doch damit nicht genug. Die Hilfe sollte auf breiten Beinen stehen. In der clubeigenen Zeitschrift "motorwelt" vom 20. April 1928 wurden die Autofahrer aufgefordert, sich in den Dienst der guten Sache zu stellen und bei kleineren Pannen zu helfen, bei Unfällen erste Hilfe zu leisten, aber auch touristische Fragen zu beantworten. Innerhalb eines Monats meldeten sich bereits 400 Mitglieder, die den gelben ADAC-Hilfsdienst-Wimpel an ihrem Auto anbringen wollten. Dazu kamen Werkstätten, Garagen, Tankstellen, Vulkanisier-Anstalten und Ersatzteillager, die als ADAC-Hilfsstationen gewonnen werden konnten.

Schon bald reichte diese erste Flotte nicht mehr aus, zumal auch mehr Platz für Werkzeug und Ersatzteile nötig wurde. Die Zahl der Pannenhelfer stieg. Damals wie heute hatten sie neben der Pannenhilfe vielfältige Aufgaben: Sie achteten auf Straßenschäden, meldeten Fundsachen, berieten die Autofahrer bei der Routenwahl und warfen ein wachsames Auge auf die Ortsschilder, die der Club hatte aufstellen lassen. Und: Sie fungierten als lebensrettende Ersthelfer bei Unfällen - damals wesentlich wichtiger als heute. Die Bedingungen freilich waren früher schon etwas anders. Da wurden zum Beispiel die Reifen nicht nur gewechselt, sondern an Ort und Stelle geflickt. Und im Winter, bei Eis und Schnee, musste der Motor des Hilfsfahrzeugs schon mal mit Decken warm gehalten werden. - 1933 wurden der Aufschwung des ADAC und damit auch der der Pannenhilfe jäh und gründlich beendet.

Bis 1954 sollte es dauern, bis die ersten ADAC-gelben Motorrad-Gespanne auf den Straßen auftauchten. Die Autofahrer stellten überrascht fest: Der ADAC war wieder da - in neuem Gewand und unter neuem Namen. Statt "ADAC-Straßen-Hilfsdienst" hieß es jetzt "ADAC-Straßenwacht". Im Februar 1954 begannen die Testfahrten des so genannten Entwicklungs-Teams im Raum München. Autos konnte man sich damals nicht leisten, man bediente sich Motorrädern mit Beiwagen der Firma Royal, die für den Transport des Materials extra umgerüstet worden waren. Akribisch wurden Pannen und Hilfeleistungen aufgezeichnet und ausgewertet, Ausrüstung und Anforderung an die Pannenhelfer darauf abgestellt. Es wurde erprobt, verworfen, verändert, ergänzt. Und es stellte sich heraus, dass nur gut ausgebildete Kfz-Mechaniker sachgerechte Hilfe leisten können.

Am 2. Mai 1954, rechtzeitig zur Hauptversammlung des Clubs in Stuttgart, wurden 60 gelb lackierte Motorrad-Gespanne der ADAC-Straßenwacht ihrer Bestimmung übergeben. Sie traten ihren Dienst in München, Stuttgart, Frankfurt, Köln, Dortmund, Hannover, Bremen, Hamburg und Kiel an. Es war jedoch geplant, "mit einem dichten Netz des Hilfsdienstes die Straßen Deutschlands zu überziehen". Das versprach die "motorwelt" 1954. Geholfen wurde jedem Auto- und Motorradfahrer, der Hilfe brauchte. Bald war ein fast lückenloses Hilfsnetz über Deutschland gespannt. In Urlaubszeiten waren die Pannenhelfer auch nachts unterwegs. 1958 wurden sie mit Funkgeräten ausgerüstet, von da ab konnten sie gezielt zum Einsatzort dirigiert werden. Damit begann auch der Aufbau von Notruf- und Informationszentralen.

Nun wurden allerdings die Motorräder, die Zündapp-, NSU- und BMW-Maschinen, zu klein. Der Umstieg auf Autos war angesagt. Alle kleineren Fahrzeuge der 50er Jahre wurden erprobt, darunter auch die legendären Zündapp Janus und BMW 600. Der VW Käfer machte schließlich das Rennen. 1963 wurde die erste Käfer-Flotte auf die Straße geschickt. Die harten Zeiten, in denen die inzwischen 260 Pannenhelfer bei Wind und Wetter auf ihren Maschinen unterwegs sein mussten, waren 1968 endgültig vorbei. Und auch die Ära der gelben ADAC-Käfer ist längst Geschichte.

Heute verrichten meist dieselbetriebene Vans ihren Dienst. Über 54 Millionen Kilometer legen die rollenden Werkstätten pro Jahr zurück. Alle sieben bis acht Jahre werden die Straßenwachtfahrzeuge durch neue ersetzt. Ein Blick in ihr Inneres lässt staunen: 280 Kilogramm Ausrüstung haben die Autos an Bord, die so wichtige Kommunikationstechnik und neuerdings einen Laptop zur On-Board-Diagnose eingerechnet. Mit von der Partie sind etwa 300 verschiedene Werkzeuge, außerdem Starthilfebatterien, Kompressoren, Kanister mit Kraftstoff und natürlich Utensilien für die Erste Hilfe.

Doch nicht immer sind es "nur" Pannenhilfsdienste, die die Gelben Engel übernehmen; so zum Beispiel 1962 bei der verheerenden Flutkatastrophe in Hamburg. Aus allen Teilen Deutschlands kommende Straßenwachtfahrer packten freiwillig mit an. Sie retteten Menschen aus ihren überfluteten Häusern und machten "abgesoffene" Fahrzeuge wieder flott. In Italien versetzte Jahre später ein Unwetter die Urlauber in Angst und Schrecken und deren Wohnwagen in einen katastrophalen Zustand. Die Helfer in Gelb bargen in Jesolo an der Adriaküste Hunderte Gespanne und Zelte, leisteten Trost und Zuspruch vor Ort.

Auch beim Jahrhunderthochwasser 2002 war der ADAC aus allen Bundesländern zur Stelle. Die Helfer schleppten Autos ins Trockene, machten Wasserpumpen wieder flott und reparierten auf einem schnell eingerichteten mobilen Wartungsstützpunkt auf dem Dresdner Flughafen Krankenwagen und Feuerwehrfahrzeuge. Gemeinsam mit den Bewohnern der Region Bitterfeld stapelten sie Hand in Hand Sandsäcke zu einem Schutzdamm. Ein Straßenwachtler versorgte sogar einen Lungenkranken in Johannstadt täglich mit einer neu aufgeladenen Autobatterie, damit er auf diesem Weg trotz Stromausfall sein Sauerstoffgerät weiter betreiben konnte. Dazu kommen Einsätze bei Rennsport-Veranstaltungen und bei sportlichen Großereignissen - auch im Ausland.

Dennoch: Wer ADAC sagt, meint in erster Linie Pannenhilfe - noch heute gilt dieses Motto in der Öffentlichkeit. Ganz sicher hat der tatkräftige Einsatz der "Gelben Engel" von Beginn an entscheidend dazu beigetragen, dass der ADAC seine Position nicht nur in Deutschland festigen konnte, sondern heute der größte Automobil-Club Europas und der drittgrößte der Welt ist.

Und auch in die Zukunft blicken die Helfer optimistisch: Dass die Pannen eines Tages ausbleiben, mag wünschenswert sein, ist aber jedenfalls mittelfristig nicht zu erwarten. Weil moderne Autos immer komplexer werden und immer öfter die Elektronik Ursache für unfreiwillige Zwischenstopps ist, mussten sich auch die ADAC-Mannen umstellen und ihre Ausrüstung modernisieren. Die neue "Wunderwaffe" heißt jetzt Straßenwacht-PC. In jedem Fahrzeug ist er mittlerweile Standard, der Laptop, der über einen EU-weit genormten Stecker mit dem Steuergerät des Autos verbunden wird und dessen System- und Fehlercodes abfragen kann. Durch die Aufschlüsselung des fünfstelligen Fehlercodes weiß der Pannenhelfer sofort, welcher Fehler vorliegt. Darüber hinaus bietet das Notebook eine Art elektronische Reparaturanleitung. Die spezielle Software erklärt die Lage der Bauteile, sortiert nach Baujahr und Modell, und unterstützt so den Helfer bei der Fehlerbehebung. Immerhin 5.000 Euro pro Gerät hat sich der Club diese Zukunftinvestition kosten lassen, von Schulungs- und anderen Nebenaufwendungen abgesehen.

(mit Material von Sabine Behr, ADAC)
text  Hanno S. Ritter
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