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Freitag, 29. März 2024
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PriceWaterhouseCoopers: Alle Marktsegmente von rasanter Entwicklung betroffen

Studie: Fusionen in der Automobilbranche erreichen 2002 Rekordniveau

Die Automobilbranche verzeichnet für das Jahr 2002 den bislang höchsten Stand an Transaktionen und Übernahmen in der Geschichte der Branche: Das Volumen der Transaktionen erreichte im vergangenen Jahr (2002) 35,1 Milliarden US Dollar und stieg damit im Vergleich zum Vorjahr um 85 Prozent an (2001: 19 Milliarden US-Dollar). Die Anzahl der Fusionen und Übernahmen erhöhte sich auf insgesamt 621 weltweit, im Vergleich zu 2001 entspricht dies einer Steigerung um 35 Prozent (2001: 462).

Damit übertrafen die Aktivitäten in 2002 selbst das Jahr 1998, in dem zum Teil spektakuläre Zusammenschlüsse und Akquisitionen zu den bis dahin stärksten Veränderungen innerhalb der Branche führten. Ursachen für diesen überdurchschnittlichen Anstieg in 2002 sind einige Mega-Deals, deren Volumen jeweils über der Grenze von einer Milliarde US-Dollar lag. Zu diesen Ergebnissen kommt die international tätige Unternehmensberatung PricewaterhouseCoopers (PwC) in der Analyse "Automotive Sector Insights 2002/2003".

Automobilhersteller: Trend zur Konsolidierung hält an

Anhaltend ist der Trend der Konsolidierung auf Seiten der Automobilhersteller. So stieg die Anzahl der Transaktionen in diesem Segment auf 69 Abschlüsse mit einem Transaktionsvolumen von insgesamt mehr als zehn Milliarden US-Dollar. Im Vorjahr machte das gesamte Volumen nur 2,2 Milliarden US-Dollar und 57 Transaktionen aus. Vor dem Hintergrund der allgemeinen Börsenflaute waren auch die Bewertungsmultiplikatoren der Automobilhersteller rückläufig. Der Aktienindex der Automobilhersteller fiel in 2002 um fünf Prozent und ging im Verlauf der vergangenen drei Jahre um 33 Prozent zurück.

Gefördert wurde die Entwicklung zur Konsolidierung durch den Restrukturierungsbedarf bei einigen Herstellern. Zu nennen ist in diesem Zusammenhang u.a. die Akquisition in Höhe von 2,63 Milliarden US-Dollar von Daewoo durch General Motors (GM) und seinen Partnern Suzuki und Shanghai Automotive. Auch das Angebot von Fiat, seine 5,72 Prozent-Beteiligung an GM in Höhe von 1,16 Milliarden US-Dollar sowie seine 34 Prozent-Beteiligung an Ferrari zu veräußern, standen unter dem Zeichen des finanziellen Drucks des italienischen Konzerns.

Anzahl von Joint Ventures und Übernahmen in China bemerkenswert

Bemerkenswert ist die zunehmende Zahl - allein 18 in 2002 - von Übernahmen und Joint Ventures in China. Dieser Trend unterlegt den dramatischen Wandel des chinesischen Marktes und das überdurchschnittliche Wachstum, das für die nächsten Jahre in dieser Region erwartet wird. Es ist davon auszugehen, dass die M&A-Aktivitäten auch in den kommenden Jahren weiter zunehmen und weitere strategische Allianzen zwischen internationalen und asiatischen Automobilherstellern geschlossen werden. "Handel und Ersatzteilgeschäft erleben nie da gewesene Umbrüche", heißt es in der Studie.

Angesichts der derzeitigen Veränderungen innerhalb des Handels und des Ersatzteilgeschäfts durch neue EU-Richtlinien stellt sich der Markt völlig neu auf. Der Wegfall der Gruppenfreistellungsverordnung (GVO) und die mögliche Neuordnung von Verkauf und Reparatur durch die Hersteller sind als wesentliche Treiber der insgesamt 278 Abschlüsse (2001: 184) im Wert von 8,8 Milliarden US-Dollar (2001: 5,1 Milliarden US-Dollar) zu sehen.

Dynamik im Automobilhandel durch neue Anbieter wie Supermärkte

Besonders der Handel war im vergangenen Jahr aktiv: Im Vergleich zu 2001 wurde die Anzahl der Abschlüsse mit 127 (2001: 68) nahezu verdoppelt. Werner Suhl, Partner bei der Corporate Finance-Beratung von PwC und Leiter des Bereiches Mergers & Acquisitions, erwartet eine weiterhin steigende Dynamik für dieses Marktsegment: "Neben der Konzentration auf Größenvorteile im bisher branchenfokussierten Automobilhandel erleben wir einen Paradigmenwechsel: Marktneulinge wie Supermärkte versuchen nun, nationale Handelsketten aufzubauen."

Diese Entwicklung kann nach Meinung von PwC einen Umbruch der gesamten Branche auslösen. Um die Chance des Neueintritts zu nutzen, müssten die neuen Konkurrenten schnell eine kritische Masse erreichen und sich frühzeitig für den ab 2005 startenden grenzüberschreitenden Handel aufstellen.

Die Gruppenfreistellungsverordnung (GVO) wird auch den Bereich Reparatur und Wartung beeinflussen und damit den bereits in "fast-fit"-und "slow-fit"-Anbieter fragmentierten Markt verändern. Dies führte bereits zu drei großen von Finanzinvestoren durchgeführten Transaktionen: CVC Capital Partners erwarb Halfords und Kwik Fit in Großbritannien für 671 Millionen US-Dollar bzw. 503 Millionen US-Dollar. Doughty Hansen übernahm ATU im Rahmen eines Leveraged Buy-outs in Höhe von 670 Millionen US-Dollar.

Zulieferer: Konsolidierung erreicht kleine und mittlere Unternehmen

Die M&A-Situation im Zulieferermarkt ist in 2002 stark gekennzeichnet durch eine aggressive Konsolidierung bei kleinen bis mittleren Unternehmen der zweiten Reihe (Tier 2) sowie durch die Veräußerung von Unternehmensteilen, die Zulieferer der ersten Reihe (Tier 1) nicht zu ihrem Kerngeschäft zählen. In Folge dessen stieg sowohl die Gesamtanzahl der Abschlüsse von 221 (2001) auf 274 (2002) als auch das Akquisitionsvolumen um 25 Prozent. Das durchschnittliche Volumen je Deal sank allerdings noch einmal und erreichte 2002 nur noch die Hälfte des Volumens von 1999.

Starker Kostendruck und hohe Anforderungen des Marktes

Die Zulieferer der zweiten Reihe sehen sich auch weiterhin einem starken Druck der Zulieferer aus der ersten Reihe ausgesetzt, Kosten zu reduzieren und die Leistungsfähigkeit zu verbessern. Darüber hinaus tragen die Forderung nach globaler Aufstellung sowie nach der Entwicklung von Innovationen und kompletten Modulen zur Marktbereinigung bei. "Die weitere Konsolidierung des Zulieferermarktes wird stark davon abhängig sein, in wie weit gerade kleine bis mittlere Zulieferer Finanzmittel beispielsweise bei Banken und Private Equity-Partnern beschaffen können, um Akquisitionen zu tätigen. Gerade vor dem Hintergrund von Basel II stellt dies eine große Herausforderung dar", beschreibt Martin Schwarzer, verantwortlich für M&A Automotive bei der PwC Corporate Finance-Beratung zukünftige Entwicklungen des Marktes.
text  Hanno S. Ritter
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