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Samstag, 20. April 2024
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Ein Skigebiet stellt sich vor - Fast Food an der Piste

Klosters bändigt die Autoschlange

Die Brücke steht schon. Ein filigranes Bauwerk, das kurz hinter Serneus das Tal in luftiger Höhe überspannt und bereits jetzt wegen seiner markanten Pylonen und der dazwischen an mächtigen Stahltrossen aufgehängten Fahrbahn als neues Wahrzeichen des Schweizer Wintersportortes Klosters gilt. Doch noch fahren auf der 596 Meter langen Sunnibergbrücke im Schweizerischen Prättigau keine Autos. Erst muss der sich anschließende 4530 Meter lange Gotschnatunnel fertiggestellt werden. "Der Tunnel liefert uns wegen des brüchigen Gesteins einige bautechnische Knacknüsse", so Dennis Schneider, Direktor vom Kur- und Verkehrsverein Klosters. Und so wird es vermutlich noch bis zum Jahr 2007 dauern, ehe die Ortsumfahrung eröffnet wird und den Einheimischen das bringt, was sie seit Jahren heiß ersehen: Mehr Lebensqualität durch weniger Autoverkehr.

Herrliches Winterpanorama: Klosters; Bild: Klosters.ch Was die Leute von Klosters seit Jahren erdulden, zeigt sich jeweils an Wochenenden, wenn der nicht enden wollende Autostrom der Skiurlauber von Landquart durchs Prättigau-Tal in Richtung Davos rollt. Dann würden viele Bewohner von Klosters am liebsten die Straße sperren. Anders als in Davos, das wegen der vielen Hochhäuser und des starken Verkehrs längst Großstadtcharakter hat, kann sich der Besucher in so manchen Gegenden von Klosters ins letzte Jahrhundert zurückträumen, so im historischen Dorfkern oder im Monbiel-Tal bei einem Spaziergang entlang der aus mächtigen Holzbalken errichteten Bauernhäuser. "Dieses Bild des ruhigen, beschaulichen Ferienortes wollen wir erhalten. Die 500 Millionen Franken für die rund fünf Kilometer lange Umfahrungsstrecke sind deshalb bestens angelegt", so Dennis Schneider. Dabei lässt der Tourismuschef deutlich spüren, wie sehr er es bedauert, dasss mit dieser Baumaßnahme nicht schon viele Jahre früher begonnen wurde.

Trotz allem - ohne den großen Nachbarn Davos wäre Klosters nicht der Skiort von Weltruhm geworden, den sogar Prominente wie der englische Thronfolger Prinz Charles bevorzugen. Der Ort, der um 1220 gegründet wurde und Ende des letzten Jahrhunderts mit der Eröffnung des ersten Hotels in den Tourismus einstieg, hat 1950 durch den Bau der Gotschna-Seilbahn die Verbindung ins berühmte Parsenngebiet hergestellt. Dort oben befördern moderne Gondeln und Express-Lifte den Snowboarder und Skifahrer zu Half-Pipe, Carving-Piste und Skiabfahrten für jede Könnensstufe. Die zwölf Kilometer lange Parsennabfahrt vom 2844 Meter hohen Weissfluhgipfel bis nach Küblis ins Unterland, wie die Einheimischen das Tal unterhalb von Klosters nennen, ist nach wie vor der Schlager der weißen Saison.

Übrigens ist der Weissfluhgipfel auch Ausgangspunkt einiger reizvoller Skitouren, wie beispielsweise durchs Sapüntal und weiter über St. Peter nach Fideris. Zu den unvergesslichen Genussabfahrten zählen hierbei die Geländevariante auf weiten Pulverschneehängen zum urgemütlichen Berggasthaus Heimeli sowie die in rund 2500 Meter Höhe beginnende, nicht enden wollende Abfahrt direkt zum kleinen Bahnhof von Fideris. Von dort bringt die Rhätische Bahn die Variantenfahrer zurück nach Klosters.

Vom Bahnhof Klosters Dorf sind es nur wenige Gehminuten zur Talstation der Madrisabahn. Die 1966 eröffnete Bahn mit ihren etwas veralteten Viererumlaufgondeln führt auf der gegenüberliegenden Talseite von Parsenn und Weißfluh ins zweite Skigebiet von Klosters. Sieben Lifte erschließen dort zwischen 1900 und 2600 Metern weite baumfreie Südhänge, die vor allem im Frühjahrsfirn ihren Reiz haben. Am Madrisahorn beginnt ein Tagesausflug der besonderen Art: Eine grenzüberschreitende Skitour nach Gargellen ins benachbarte Montafon in Österreich. Zurück nach Klosters führt die neuneinhalb Kilometer lange Piste Schafcalanda-Schlappin vorbei am Berghaus Erika Schlappin, einem der wenigen gemütlichen Gasthäuser im Pistenrevier. Das ist ein Manko im gesamten Skigebiet von Klosters/Davos. Mit der Gastronomie sieht es leider recht trüb aus. Fast-Food und Self-Service herrschen vor.

Ideale Wintersportbedingungen: Klosters; Bild: ADAC Urige Hütten wie "Schifer" und "Schwendi" im Parsenngebiet oder die "Mäderbeiz" auf Pischa, wo junge Mädchen mit auffallender Freundlichkeit bedienen, sind rar. Die gemütlichen Restaurants liegen im Tal und sind für Skifahrer, wenn überhaupt, nur nach einer Geländefahrt erreichbar. Dazu zählt in jedem Fall der Gasthof Mühle im Sertigtal, lohnendes Ziel herrlicher Tiefschneevarianten vom Jakobshorn, dem Davoser Paradeskiberg. Empfehlenswert auch das Gasthaus Teufi im Dischmatal, zu dem man ebenfalls nach einer Tourenvariante vom Jakobshorn gelangt. Urgemütlich das Restaurant Höhwald in Klosters/Monbiel. Von der Terrasse des Restaurants, das interessante Bündner Spezialitäten serviert, lässt sich in der Nachmittagssonne die gesamte Tourenabfahrt mit allen ihren weiten Hängen unterhalb des 2670 Meter hohen Gatschiefer Hang für Hang noch einmal träumerisch nachvollziehen. Mehr als 1500 Höhenmeter beträgt diese Abfahrt über Nordhänge, die selbst bei wenig Schnee in den Hochlagen genussreiches Tiefschneefahren garantieren.

Solche Skierlebnisse weit abseits der Pisten sind nur in Begleitung eines ortskundigen Skiführers möglich. Sämtliche Teilnehmer müssen nicht nur konditionell auf der Höhe sein, sondern zudem einen Lawinenpiepser mitführen. Beileibe nicht alle Skilehrer dürfen derartige Touren führen. In der Skischule von Klosters sind von den über 100 Stammlehrern gerade mal 20 dafür zugelassen! "Die zweijährige Skilehrer-Ausbildung, bei der man neben Schnee- und Lawinenkunde auch den Umgang mit Kompass, Karte und Höhenmesser lernt, reicht dafür nicht aus", erklärt Skischulleiter Heinz Schoch. "Varianten-Skiführer müssen vor allem ein sicheres Gespür für ihre Gruppe und beste Geländekenntnisse haben."

Die Zahl der Varianten ist begrenzt. Nur etwa 100 Abfahrten abseits der Pisten rund um Klosters und Davos sind offiziell zugelassen. Die anderen Gebiete sind für den Skisport tabu. "Man hat reine Schonzonen für Wald und Wild ausgewiesen, von denen sich die Tiefschneefreunde und Variantenfans auf freiwilliger Basis fernhalten", so dazu der aktuelle ADAC-Ski-Guide 2001. In der Region ist man grundsätzlich um mehr Landschaftsschutz und Lebensqualität bemüht. Dieser Bemühung gilt auch der Bau der Umfahrungsstraße mit Sunnibergbrücke und Gotschnatunnel, mit der die Gemeinde den wachsenden Autoverkehr bändigen will.
text  Hanno S. Ritter
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