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Donnerstag, 25. April 2024
Porsche-Chef Oliver Blume übernimmt zusätzlich Konzernführung

Vorzeitiges Aus für VW-Chef Herbert Diess

Chefwechsel bei Volkswagen: Völlig überraschend gibt Herbert Diess sein Amt als Konzernchef auf. Neuer starker Mann wird Oliver Blum, der noch mehr Macht bei sich vereinen wird als Diess.
Vorzeitiges Aus für VW-Chef Herbert Diess
Volkswagen
Porsche-Chef Oliver Blume wird zusätzlich VW-Konzernchef
und löst damit Herbert Diess an der Spitze ab
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Der Aufsichtsrat von Volkswagen hat Oliver Blume zum neuen Vorstandsvorsitzenden des Konzerns ernannt. Er wird die Position mit Wirkung zum 1. September 2022 übernehmen. Blum (54) bleibt gleichzeitig Chef der Porsche AG und soll dieses Amt langfristig auch nach dem Börsengang besetzen, wie Porsche betonte. Der amtierende VW-Chef Herbert Diess (63), der immer an dem Posten zu kleben schien und intern wie extern nicht unumstritten war, scheidet aus. Noch Stunden vor seinem Ende hatte er auf LinkedIn der Belegschaft schöne Werksferien gewünscht.

Über die Hintergründe der überraschenden Entscheidung ist bisher nichts bekannt. Der Aufsichtsratsvorsitzende Hans Dieter Pötsch dankte Diess im Namen des gesamten Gremiums und würdigte dessen Verdienste in der Transformation des Unternehmens. Der Konzern und seine Marken seien zukunftsfähig aufgestellt, die Innovations- und Ertragskraft sei gestärkt. "Herr Diess hat eindrucksvoll bewiesen, mit welchem Tempo und mit welcher Konsequenz er tiefgreifende Transformationsprozesse umsetzen kann. Dabei hat er das Unternehmen nicht nur durch extrem schwieriges Fahrwasser gesteuert, sondern auch strategisch grundlegend neu ausgerichtet", so Pötsch. Ein herzlicher Dank klingt anders.

Ob Diess die Umstellung auf Elektroautos tatsächlich so konsequent umgesetzt hat wie oft zu hören ist, bleibt umstritten. Abgesehen vom schlechten Wertigkeitsgefühl der ID.x-Modelle und den besser gelungenen Adaptionen der Konzernmarken - etwa Audi Q4, Skoda Enyaq und Cupra Born - kann Europas größter Autobauer bis heute keinen elektrischen Kleinwagen à la Renault Zoe, keinen elektrischen Kombi und auch keinen elektrischen Transporter à la E-Vito liefern. Bei den Plug-in-Hybriden sind die VW-Modelle schwächer als die der Konkurrenz und überdies nicht mit Allradantrieb zu haben.

Diess legte sich mit seinen Äußerungen zum Arbeitsplatzabbau mehrfach mit dem Betriebsrat an und musste im Zuge solcher Konflikte bereits Teile der Macht abgeben. Diess ist auch der, der den geradezu tollen Slogan "Das Auto" abschaffen und das Logo verschlimmbessern ließ, von der Marken-Website ganz zu schweigen. Die überflüssige Abschaffung echter Modellnamen und die schleichende Abschaffung von Klassiker-Baureihen wie Golf und Passat gehen ebenfalls auf sein Konto, genau wie umstrittende Modellentscheidungen, etwa zum langsamen Tod des Touran.

Vorgeworfen wurde Diess, der seit April 2018 an der VW-Spitze stand, auch die zu langsame Reaktion auf die Krise bei der Versorgung mit Halbleitern, die den Konzern nach wie vor viel Geld kostet. Dass es andere noch schlimmer getroffen hat, ist da nur ein schwacher Trost. Diess initiierte auch die Koopperation mit Ford bei den Nutzfahrzeugen. Viele im Konzern können sich nach wie vor nicht mit der Idee anfreunden, dass aus dem kultigen Multivan eine Art Hochdach-Passat respektive Sharan III geworden ist und das künftige T-Modell ein Ford Transit ist. Zuletzt setzten dem bereits angezählten Manager die Probleme bei der Software-Schmiede Cariad mit ihren milliardenschweren Verzögerungen zu, die nicht zuletzt auch Porsche und Audi betreffen.

Der gebürtige Braunschweiger Oliver Blume trat 1994 in den Volkswagen-Konzern ein und war seitdem in führenden Funktionen der Marken Audi, Seat, Volkswagen und Porsche tätig. Seit 2015 ist er Vorstandsvorsitzender bei Porsche und seit 2018 Mitglied des Konzernvorstands. Er gilt schon länger als möglicher Nachfolger Diess'. "Oliver Blume hat in verschiedenen Funktionen im Konzern und mehreren Marken seine operativen und strategischen Fähigkeiten unter Beweis gestellt und führt die Porsche AG seit sieben Jahren wirtschaftlich, technologisch und kulturell mit großem Erfolg", erklärte Pötsch. Blume sei "aus Sicht des gesamten Aufsichtsrates jetzt die richtige Person an der Spitze", um die Kundenorientierung sowie die Positionierung der Marken und Produkte weiter zu schärfen. Blume solle zudem mit dem gesamten Vorstand die Transformation weiter vorantreiben - "mit einer Führungskultur, die den Teamgedanken in den Mittelpunkt stellt", wie es weiter hieß.

Konzern-Finanzvorstand Arno Antlitz wurde zusätzlich die Funktion eines Chief Operating Officer (COO) verliehen. Er soll Blume im operativen Tagesgeschäft unterstützen.
text  Hanno S. Ritter
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