Nach längerer Funkstille kommt endlich wieder Bewegung in das Thema Kältemittel für Auto-Klimaanlagen. Mercedes
hat eine neues CO2-basiertes System entwickelt, das 2017 in Serie geht. Gleichzeitig setzt der Konzern nun
doch auch auf das umstrittene R1234yf, dessen "Killer"-Potential eine Feuerlöschanlage minimieren soll.
Daimler
Ab 2017 rüstet Mercedes zunächst E- und
S-Klasse mit einer CO2-basierten Klimaanlage aus
R134a ist ein viele Jahre lang zum Einsatz gekommenes Kältemittel, das sicher und günstig ist, anlagenseitig
nicht anspruchsvoll und bewährt - aber auch sehr klimaschädlich, wenn es entweicht. Deshalb ist es in neuen
Autos nicht mehr erlaubt. Die Branche wollte deswegen auf den Ersatzstoff R1234yf eines US-amerikanischen
Industriekonsortiums setzen, der klimafreundlicher, jedoch wegen seiner Brennbarkeit und dabei entstehender
hochgiftiger Dämpfe (Flusssäure) in die Kritik geraten war.
Das Thema hat die Branche lange beschäftigt, weil das Risikopotential von R1234yf umstritten ist, die PR des
Herstellers jedoch wirksam, die Zusagen des Verbands der Automobilindustrie zum Einsatz harmloser Klimaanlagen auf
CO2-Basis nicht verlässlich - und die juristischen Tricksereien der Hersteller, um neue Autos doch noch mit dem
alten Mittel befüllen zu können, grandios.
Lange sah es also so aus, als würde R1234yf zum Standard werden. Es ist inzwischen auch in etlichen Modellen
an Bord, und weil das Thema kaum noch in den Medien ist, werden noch die wenigsten Autokäufer das Risiko in ihre
Entscheidung miteinbeziehen. Auch Mercedes hatte sich zunächst zu R1234yf bekannt, dann aber eine
überraschende
Kehrtwende gemacht, weil bei internen Tests offenbar geworden war, dass dieses Risiko nicht nur von branchenfeindlichen
Umweltverbänden beschwört wird, sondern tatsächlich vorhanden ist.
Das war vor gut drei Jahren, und damals hatte Daimler nicht nur einige wenige Autos mit R1234yf zurückgerufen, sondern
auch erklärt, weiter das alte Mittel nutzen zu wollen. Offenbar vertraute man zunächst darauf, genügend Druck für
eine Gesetzesänderung aufbauen zu können. Dieses Vorhaben scheiterte jedoch. In der Folge plante der Konzern abermals
um und entschied sich für Kohlendioxid (CO2) als Kältemittel. Dieses natürliche Gas, das man als Abgas lieber nicht haben möchte,
hat als Kältemittel abgesehen von einem notwendigen höheren Betriebsdruck (100 bar statt zehn bar) und damit höheren
Anlagekosten nur Vorteile: es ist sicher, geruchlos, günstig, effektiv, klimaneutral.
Die Entwicklung ist nun offenbar weitestgehend abgeschlossen. Mercedes erklärte heute in Stuttgart, man habe hier die
Vorreiterrolle übernommen und als erster Automobilhersteller nicht nur Entwicklungs-, sondern auch Produktionsaufträge
erteilt. Der Autobauer kündigte an, CO2-basierte Klimaanlagen ab 2017 in E- und S-Klasse anzubieten, in ersterer damit
nicht ab dem Generationswechsel im kommenden Jahr. "Dank ihrer besonders schnell verfügbaren und hohen Kälteleistung sorgen
CO2-Klimaanlagen selbst bei sehr heißen Außentemperaturen in kurzer Zeit für ein angenehmes Wohlfühlklima im Fahrzeuginnenraum",
heißt es in einer Mitteilung. Kombiniert mit ihrer hohen Umweltverträglichkeit mache sie das zur "nachhaltigen Premiumlösung
unter den Klimasystemen".
Alle Mercedes also demnächst mit einer Klimaanlage, die sicher und zugleich umweltfreundlich ist? Nein. Ein flottenweiter Einsatz
zum 1. Januar 2017 sei nicht darstellbar, heißt es lapidar. Daher werde man vor dem Hintergrund der gesetzlichen Regelung nun
doch auf R1234yf setzen. Um die Kunden zu beruhigen, will Mercedes insoweit intensive Untersuchungen an all seinen Fahrzeugmodellen
durchgeführt und ein "umfassendes Paket an fahrzeugspezifischen Maßnahmen" entwickelt haben, um der Gefahr Herr zu werden.
Dazu gehört zum Beispiel auch eine speziell entwickelte Schutzeinrichtung, die je nach Fahrzeugkonfiguration verwendet wird.
Im Fall eines schweren Frontalaufpralls sorge das inzwischen zum Patent angemeldete System dafür, dass das entstehende
Kältemittel-/Luftgemisch im Motorraum von den heißen Motor-Teilen separiert werde und diese zudem sehr wirksam gekühlt würden,
heißt es. Ermöglicht wird dies durch einen Gasgenerator, der Argonschutzgas gezielt an den entsprechenden Heißstellen freisetzt
und so einer Entflammung entgegen wirkt. Klingt pfiffig, aber auch merkwürdig: Warum wurde der Test- und Entwicklungsaufwand
für eine Übergangsphase nicht gleich in die baureihenübergreifende CO2-Einführung investiert?